*** Winchester ***

 
wchester kritik
 
Autorin: Marie Wördemann
        
Oscarpreisträgerin Helen Mirren im neuen Film der Spierig-Brüder – das weckt Vorfreude auf einen originellen Horrorfilm mit Substanz. Schon in der Vergangenheit konnten sich die deutsch-australischen Zwillingsbrüder im Thriller-und Horrorgenre einen Namen machen und Stars wie Willem Dafoe oder Ethan Hawke für ihre Projekte gewinnen (darunter: Predestination und Jigsaw).
 
Originell und technisch ausgefeilt ist WINCHESTER – DAS HAUS DER VERDAMMTEN tatsächlich – schafft es allerdings nicht, wie scheinbar vorgenommen, Geisterhaus-Grusel und inhaltlichen Tiefgang unter einen Hut zu bringen.
 
Ein nie zur Ruhe kommendes Gebäude
 
Ort des Geschehens ist ein mehr oder minder typisches Gruselfilm-Haus, in dem es angeblich spukt. Der Plot beruht auf einer wahren, sehr konkreten Begebenheit: Das „Winchester Mystery Mansion“, inzwischen Touristenattraktion in Kalifornien, ist Ursprung zahlreicher Legenden und inspirierte schon Stephen King zu seiner Miniserie Haus der Verdammnis.
 
Hauptperson ist der Psychologe Dr. Eric Price (Jason Clarke). Er ist beauftragt, ein psychologisches Gutachten der Hauseigentümerin anzufertigen. Mrs Sarah Winchester (Mirren), Millionenerbin des berühmten Waffenherstellers, plant nämlich, die Waffenproduktion zugunsten moralisch weniger fragwürdiger Produkte einzustellen.
 
 
Der entsetzte Firmenvorstand sieht nun seine Chance darin, die exzentrische Witwe für verrückt erklären zu lassen. Keine ganz aus der Luft gegriffene Idee, denn Mrs Winchester ist dafür berühmt, ihr riesiges Anwesen auf dem Land nahe San Jose in einer Endlosschleife weiter ausbauen und Teile immer wieder einreißen zu lassen, sodass es inzwischen labyrinthartige Ausmaße angenommen hat. Seit dem lange zurückliegenden Verlust ihres Mannes und Kindes ist sie der Überzeugung, von den Seelen der durch Winchester-Waffen Umgekommenen verfolgt zu werden. Um diese erlösen und damit die eigene Schuld tilgen zu können, so die Witwe, muss sie exakt die Räumlichkeiten nachbilden, in denen die Menschen starben.
 
Ebenfalls im Haus wohnt die Nichte der Witwe (großartig: Sarah Snook) mit ihrem Sohn Henry (Finn Scicluna-O’Prey), der als unschuldiges Kind natürlich Gefahr läuft, Mittel zum Zweck der Geisterrache zu werden – denn manche der Verstorbenen sind alles andere als friedlich. Das Mutter-Sohn-Duo liefert einige der unheimlichsten Szenen des Films.
 
Ist Dr. Price anfangs noch der festen Überzeugung, Sarah leide unter Wahrnehmungsstörungen, muss er bald am eigenen Leib erfahren, dass es in dem riesigen Haus nicht mit rechten Dingen zugeht.
 
Eine eigene, düstere Welt
 
WINCHESTER lässt das Publikum abtauchen in eine eigene kleine Welt, atmosphärisch und düster. Ungewöhnlich vor allem die Kameraführung (Ben Nott): Konstante, unangenehm langsame Fahrten durch das Haus lassen auch das Zuschauerauge nie zur Ruhe kommen und sorgen auf diese Weise für eine Grundspannung, die einen den ganzen Film über in Atem hält. Satte Farben, unaufdringliche-atmosphärische Musik, eine detailreiche Ausstattung und warmes Schummerlicht erzeugen eine ganz eigene Stimmung: Ein sehr runder, unkonventioneller Gesamtlook, historisch anmutend und zugleich seltsam artifiziell. Auch das ein oder andere auftauchende Geisterfilm-Klischee (sogar der von selbst schwingende Schaukelstuhl ist dabei) wirken in diesem gelungenen Setting weder albern noch abgeschmackt, sondern haben Potential, wirklich gruselig zu sein.
 
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In Verbindung mit einem guten Timing benutzen die Regisseure solche Elemente sehr geschickt, um mit den Erwartungen des Zuschauers an das Genre zu spielen und diese immer wieder plötzlich zu brechen. Leider greifen die Spierig-Brüder und Drehbuchautor Tom Vaughan letztlich doch des Öfteren auf weniger raffinierte Schockeffekte und eine explizite Darstellung – wenn auch gut gemachter - Gruselgestalten zurück. Das wirkt in dem sonst so ambitionierten Setting wie bloße Effekthascherei, wodurch der Film letztendlich Gefahr läuft, banaler zu werden, als man sich zu Beginn erhofft.
 
Interessante thematische und figürliche Ansätze versanden schnell Die angeschnittenen Themen und Figurenentwürfe wirken ambitioniert und tiefgehend für einen Horrorfilm: Es geht um Schuld und Sühne, Moral, Rache und daraus entstehende Gewaltspiralen. Nicht nur im Hinblick auf Waffengroßhandel und Kriege, sondern auch in Anbetracht der sich häufenden Amokläufe und des offensichtlichen amerikanischen Waffenproblems ein aktueller und interessanter Ansatz. Allerdings werden diese Themen eben nur angerissen, berührende Schicksale und menschliche Abgründe nur sehr oberflächlich tangiert. Schuld sind daran über längere Strecken die Dialoge, bei denen der Eindruck entsteht, sie dienten nur der Information des Zuschauers.
 
Ewige Erläuterungen und kurze, deplatziert wirkende Selbstgespräche scheinen den Beobachter davor schützen zu wollen, irgendetwas selbst zu interpretieren oder im Spiel der Darsteller zu lesen. Der seelische und moralische Konflikt Sarah Winchesters bleibt dadurch eher Behauptung, als dass der Zuschauer wirklich in die Tiefen der Figur eintauchen könnte. Zwar gibt Mirren sich alle Mühe, diese innerhalb der Möglichkeiten des Drehbuchs auszuloten, aber nur durch das einmalige Hervorziehen eines alten Fotoalbums gelingt das eben nicht. Klischeehafte Geisterbeschwörerin wird die Figur trotzdem nie: Mirrens Spiel macht sie zu einer geerdeten, vernünftig und doch geheimnisvoll auftretenden Frau.
 
Leichter hat es da Jason Clarke: Sein Dr. Price ist als vielschichtigere Figur angelegt, nicht in der Lage, die eigene Vergangenheit zu bewältigen und drogenabhängig. „Die Angst existiert nur in deinem Kopf“ und „jeder hat seine eigene Wirklichkeit“, doziert er immer wieder, scheint dabei aber mehr bemüht, sich selbst zu versichern als sein Gegenüber. Er schafft auf diese Weise durchaus berührende Momente, die im gesamten Film allerdings eher untergehen.
 
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Fazit: WINCHESTER bleibt hinter seinen eigenen Ansprüchen zurück
 
So wird WINCHESTER letztendlich doch eher ein Film für Genrefans, der zwar unter anderen Supernatural-Streifen durch Originalität, Spannung und Raffinesse hervorsticht und brillante Darsteller vorweisen kann, inhaltlich aber oberflächlich bleibt.
 
 
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