Die Jahrtausendwende ist einfach noch nicht lange genug her, um einen interessanten historischen Hintergrund zu bilden. Da hilft es auch nichts, wenn früh im Film ein Gag mit veralteter Technik ganz allein stehen bleibt. Oder wenn Nebenfiguren im Jahr 1999 in Kleidung aus den frühen Achtzigerjahren rumlaufen. Filmfans, die alt genug sind, sich an diese Zeit zu erinnern, wird das irritieren. Und jüngere Zuseher wird das kalt lassen. Und man kann den Umzug der Regierung und anderer Behörden nach Berlin entweder thematisieren und damit zu einem Bestandteil der Handlung machen oder nicht. Aber zwei kurze Dialogstellen dazu gehen in all dem, was der Film erzählen und zeigen möchte, leider unter.
Denn Johannes Naber („Das kalte Herz“) will in seinem Film viel erzählen und zeigen. Das Drehbuch von ihm und Oliver Keidel ist zunächst das Drama eines Mannes, der an seiner eigenen Mission scheitert. Leider erfahren wir im Verlauf des Films zu wenig über diesen Mann, um mit ihm mitfühlen zu kennen. Wenn seine Tochter in der zweiten von gerade mal drei Szenen mit ihr zum Vater sagt, „Ich weiß nichts über Dich.“, möchte man ihr zustimmen. Und über die Tochter erfahren wir noch weniger, nämlich gar nichts. Es wirkt, als wäre diese Figur bloß da, damit die Hauptfigur in diesen drei Szenen nicht mit sich selbst sprechen muss.
Wie erwähnt, erfahren wir über diesen Dr. Wolf nicht viel. Er ist wohl Witwer. Wie und woran die Frau verstorben ist, bleibt unerwähnt. Die Drehbuchautoren konnten wohl keine Ehefrau brauchen. Im Irak war Wolf in eine amerikanische Kollegin verliebt. Diese kontaktiert er aber erst Jahre später wieder, als seine Mission das erfordert. Und so ist auch die amerikanische Geliebte kein echter Charakter, sondern ein bloßes Handlungselement, das später nochmal gebraucht wird.
An diesem Dr. Wolf ist so wenig dran, er hat so wenig an sich, dass er nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle natürlich sofort abstürzt. So einen Absturz kann man als Filmemacher auf unterschiedliche Arten darstellen. Naber zeigt uns a) den Helden ein kompliziertes, langwieriges Puzzle auf dem Wohnzimmertisch lösen, b) den ungepflegten Helden, c) ganz viele Zigarettenstummel im Wohnzimmer, d) den verwilderten Garten des Hauses und natürlich e) mehr leere Schnapsflaschen als der durchschnittliche Altglascontainer enthält. Und das alles zeigt er uns in einer Szene. Wo Nabers „Zeit der Kannibalen“ schon nicht eben subtil war, ist „Curveball“ stellenweise arg plump geraten.
Das wird besonders auffällig, wenn der Film gegen Ende dann zehn Minuten lang zu einer Art Agentensatire wird. CIA-Agenten, die in Deutschland auf einer Undercover-Mission unterwegs sind, tragen hier Lederhosen und Trachtenhut samt Gamsbart. Zünftig, sog i! Solche Bilder waren aber schon nicht mehr witzig, als die Maß auf der Wies‘n noch fünf Markl gekostet hat. Diese Episode, mitsamt anschließender Flucht auf einem Hornschlitten macht den Film weder spannender noch unterhaltsamer und bereichert den Film auch sonst in keiner Weise.
Sehen sie doch mal den politischen Zusammenhang
Dabei zeigt der Film immer wieder die besten Ansätze. Leider werden diese dann aber nie weiter verfolgt. Der Filz der Machtverhältnisse in der Bonner Republik wird angedeutet, aber kaum gezeigt. Das Drama eines Mannes, der inmitten eines gleichgültigen Machtapparats nur seiner Mission folgen will, kommt nie in Gang. Die internationalen Verstrickungen eines sozialdemokratischen Kanzlers und eines Grünen Außenministers werden in langweiligen Dialogzeilen bloß gestreift.
Viele dieser langweiligen Dialogzeilen muss Nabers Stammschauspieler Sebastian Blomberg („Der Staat gegen Fritz Bauer“) als Dr. Arndt Wolf vortragen. Er macht das recht gut und hätte das vermutlich noch besser gemacht, wenn er einen echten Charakter zu spielen gehabt hätte.
Michael Wittenborn („Wir sind die Neuen“) liefert eine interessante Darstellung eines im Job alt gewordenen Beamten beim BND und Thorsten Merten („Spreewaldkrimi) gibt einen ebenso interessanten Strippenzieher. Hätten die Drehbuchautoren selbst genug Interesse an diesen Figuren gezeigt, um sie fertig zu schreiben, wären diese Darstellungen noch sehr viel interessanter ausgefallen.
Die unbekannte amerikanische Schauspielerin Virginia Kull wird vielleicht irgendwann in der Zukunft mal eine Rolle in einem Film interessant darstellen. Mit der Rolle der CIA-Agentin in diesem Film ist ihr das nicht gelungen.
Fazit
Der neue Film von Johannes Naber hat viel mit seinem Helden gemeinsam. Der hat auch die besten Absichten, verzettelt sich aber schnell. Die teilweise guten Darstellungen können das unentschlossene Drehbuch und die konfuse Regie nicht retten.