Ich bin ein Dieb, holt mich hier raus! Im Kammerspiel „Inside“ glänzt Charakterkopf Willem Dafoe als Einbrecher in lebensbedrohlicher Lage.
Alle Ausgänge zu
Einsteigen, wertvolle Kunst entwenden und schnell wieder verschwinden – Einbrecher Nemo (Willem Dafoe) ist ein Profi seines Fachs. Als er sich Zutritt zur luxuriösen Hochhauswohnung eines stinkreichen Sammlers verschafft, scheint alles wie immer. Über Funk verbunden mit seinen Komplizen außerhalb des Gebäudes, geht er akribisch seiner „Arbeit“ nach. Doch dann eine erste Irritation: Ein Bild, das vor Ort sein soll, ist unauffindbar.
Wirklich gefährlich wird es nur wenig später. Denn plötzlich legt die Alarmsirene los, und das Sicherheitssystem bricht komplett zusammen, nachdem es alle Ausgänge verriegelt hat. Was nun? Nemo wartet, hofft auf die Hilfe seiner Mitstreiter, das Eintreffen der Polizei oder die Rückkehr des Besitzers. Aber nichts passiert. Da das Wasser abgestellt ist, die Klimaanlage massiv verrücktspielt und der Gefangene niemanden auf sich aufmerksam machen kann, beginnt für ihn schon bald ein Kampf ums Überleben.
Beschrieben wird „Inside“ im Pressematerial als „einzigartiger, mitreißender Mix aus Psycho-Thriller und Survival-Drama“. Tatsächlich trifft jedoch vor allem Letzteres zu. Wer einen auf maximalen Nervenkitzel abzielenden Film erwartet, wird den Kinosaal enttäuscht verlassen. Dafür treibt das Quasi-Ein-Personen-Stück den Puls nicht konsequent genug nach oben. Zudem braucht es eine Portion guten Willens, um das nicht immer hundertprozentig glaubwürdige Szenario zu kaufen. Dass beispielsweise niemand auf die ohrenbetäubend schrillende Sirene reagiert, ist zumindest recht verwunderlich. Sei’s drum, kann man derartige Fragen ausblenden, hat die von Vasilis Katsoupis inszenierte und Ben Hopkins geschriebene Robinson-Crusoe-Variation sehr wohl ihren Reiz.
New York liegt in Köln
Interessant ist schon, wo sich Nemos existenzielles Ringen abspielt. Sind es in solchen Geschichten oft einsame Inseln, Orte im Nirgendwo, an denen die Helden stranden, sitzt der Protagonist hier mitten im vibrierenden Big Apple fest. Das pralle Leben ist fast zum Greifen nahe. Über die Bilder der Überwachungskameras nimmt er am Alltag einer Putzkraft (Eliza Stuyck) teil. Durch die riesige Glasfassade kann Nemo ein Silvesterfeuerwerk beobachten. Und doch ist er von seiner Umwelt abgekoppelt, versinkt mehr und mehr in Einsamkeit. Ein Kommentar auf unser Dasein in der Großstadt? Vielleicht – auf jeden Fall verleiht das Setting dem Überlebenskampf eine ungewöhnliche und damit frische Note.
Errichtet wurde das exklusive Wolkenkratzerpenthouse, das zu einem eigenen Handlungsträger wird, in den Kölner MMC Studios. Mit seinen hohen Decken, seinen großen Türen, seinen ausladenden Fenstern lässt dieser Hightech-Palast Nemo gleich noch etwas kleiner und hilfloser erscheinen. Wenig verwunderlich ändert sich durch sein Dilemma auch das Verhältnis zu seiner besonderen Leidenschaft. Die Kunst, die ihm, wie er in einem Voice-over-Monolog zum Einstieg betont, so viel bedeutet, verliert jetzt, da er mit all den Schätzen eingesperrt ist, schlagartig an Wert. Gerade gegen Ende versucht der Film etwas krampfhaft, aus diesem Umstand tiefsinnige, philosophische Gedanken zu pressen, und gibt sich arg bedeutungsschwanger. Anspruch hin oder her – hier wäre weniger wohl etwas mehr gewesen.
Zusammengehalten wird das ansprechend bebilderte Kammerspiel von US-Darsteller Willem Dafoe, dessen markantes Gesicht für sich genommen schon fasziniert. Ihm dabei zuzusehen, wie er in seiner Rolle Eis aus dem Tiefkühlfach lutscht, fieberhaft nach neuen Ausbruchswegen sucht, einen Möbelberg errichtet, um ans Oberlicht zu kommen, über die absurde Lage lacht, zunehmend aber auch verzweifelt, ist immer wieder fesselnd.
Nemos psychischen Verfall, der sich auch im langsamen Umkippen der Atmosphäre ins Surreale ausdrückt, transportiert Dafoe, ohne ins Effekthascherische abzudriften. Scheinbar mühelos schultert der zwischen Hollywood und europäischem Arthouse-Kino pendelnde Mime den ganzen Film – und sorgt dafür, dass die Schwächen von „Inside“ nicht allzu stark ins Gewicht fallen.
Fazit
Das Kunstdieb-wird-in-Hightech-Wohnung-eingeschlossen-Drama ist nicht ganz glaubwürdig, besonders gegen Ende etwas prätentiös, punktet aber mit einem starken Willem Dafoe, der die emotionale Achterbahnfahrt des Protagonisten eindrücklich vermittelt.