*** Holmes und Watson ***

haw kritik
 
Autor: Walter Hummer
      
Will Ferrell und Jon C. Reilly müssen als „Holmes & Watson“ im viktorianischen London ein Verbrechen aufklären. Das viel schlimmere Verbrechen findet aber in den Kinos des Jahres 2019 statt.
 
Es ist mein Geschäft, zu wissen, was andere nicht wissen
 
Gleich nach der Pressevorführung von „Holmes & Watson“ meinte ich, eben den vermutlich schlechtesten Film des Jahres 2019 gesehen zu haben. Aber Sir Arthur Conan Doyle selbst ließ seinen Meisterdetektiv mal folgenden hervorragenden Ratschlag aussprechen: „Trauen Sie niemals allgemeinen Eindrücken, sondern konzentrieren sie sich auf Einzelheiten“. Und wie Holmes selbst am Ende seiner Geschichten immer das Verbrechen in allen Einzelheiten zu analysieren pflegte, so gehen wir nun der Reihe nach diesem Verbrechen an der Kunst des Filmemachens auf den Grund.
 
Nun muss man zunächst mal festhalten, dass „Holmes & Watson“ als Parodie nicht funktioniert. Man kann aus den beiden Protagonisten nicht einfach Vollidioten machen und hoffen, die Geschichte würde schon irgendwie funktionieren. Vor 40 Jahren spielte in „Sherlock Holmes cleverer Bruder“ Gene Wilder den minderbegabten kleinen Bruder des Meisterdetektivs, Sherlock selbst blieb damals aber genial. Und vor gut 30 Jahren in „Genie und Schnauze“ war nicht der von Michael Caine gespielte Holmes, sondern der von Ben Kingsley gespielte Dr. Watson tatsächlich der geniale Kriminologe. Aber wenn, wie in diesem Film nach einem Drehbuch von Regisseur Etan Cohen, sowohl Holmes als auch Watson komplette Schwachköpfe sind, kann die Handlung einfach nicht funktionieren.
 
 
Etan Cohen („Etan“ ohne „h“, also NICHT Ethan Cohen, und daher keiner der beiden genialen Cohen-Brüder) hatte seinen Star Will Ferrell schon jeweils strohdumme Sportler, Nachrichtensprecher, Designer und Gangster spielen sehen. Dabei hat er übersehen, dass man in all diesen Berufen durchaus dämlich sein kann. Dazu gibt es genug Beispiele aus der Realität. Wie soll man aber als Volltrottel zum Meisterdetektiv werden? Eine geniale Figur einfach nur dämlich sein zu lassen ergibt doch noch keine Parodie.
 
Aber auch wenn „Holmes & Watson“ als Parodie überhaupt nicht funktioniert, könnte der Film doch immer noch witzig sein. Die „Police Academy“-Filme haben ein Filmgenre parodiert, das es nie gegeben hat und die ersten zwei oder drei Teile waren trotzdem witzig. Leider ist „Holmes & Watson“ nicht witzig. Nicht einmal halbwegs. Nicht einmal ein bisschen. In Anderthalb Stunden findet sich nicht eine Szene, über die man lachen könnte.
 
Das liegt zum einen an dem wirklich furchtbar schlecht geschriebenen Drehbuch. Nicht nur ergibt die Handlung keinen Sinn. Selbst kurze Szenen bleiben ganz allein für sich genommen immer noch absolut sinn- und damit witzlos. Zum Beispiel sieht man Inspektor Lestrade in diesem Film in Begleitung seiner wunderschönen Ehefrau. Wenn Holmes sich mitten in den Erläuterungen zu einem Fall darüber auslässt, wie abstoßend hässlich diese attraktive Dame ist, führt das nirgendwohin und kann damit auch nicht lustig sein. Wenn ein Saal voller erwachsener Menschen nicht weiß, was Selbstbefriedigung ist, ergibt das ebenfalls keinen Sinn und macht die strohdummen Umschreibungen der Helden nicht lustiger.
 
Das ganze Drehbuch wirkt als hätte man eine „Sherlock Holmes“-Nummer aus einer mittelmäßigen Sketchshow auf Spielfilmlänge gestreckt. Und wir sprechen hier nicht von einer aktuellen Sketchshow. Wir sprechen hier von einer Sketchshow, die vor 20 oder 30 Jahren entstanden ist. Und die nur auf einem der dritten Programme gelaufen ist. Der Humor dieses Films ist so antiquiert, an einer Stelle wird darin die Töpfer-Szene aus „Ghost“ parodiert. „Ghost – Nachricht von Sam“? Da klingelt nichts? „Unchained Melody“ von den Righteous Brothers? Keine Erinnerung? Patrick Swayze wird erschossen und Demi Moore trägt aus Trauer den Haarschnitt eines achtjährigen Knaben? Nix? Whoopi Goldberg als Medium? Na, schön langsam kommt die Erinnerung, oder? Nö, doch nicht? Naja, Drehbuchautor Etan Cohen meint, dieser Film von 1990 sei noch so fest im kollektiven populärkulturellen Bewusstsein verankert, dass er ihm in seinem Film eine minutenlange Sequenz widmet.
 
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Sie sehen, aber sie beobachten nicht
 
Auch Cohens Regie ist nicht geeignet, uns zum Lachen zu bringen. Einige wenige Szenen dieses Films wären vielleicht halbwegs witzig gewesen, wenn sie von einem Regisseur inszeniert worden wären, der auch nur den Hauch einer Ahnung von Timing gehabt hätte. Aber jeder Gag in diesem Film wird elendslang angekündigt. Und dann spielt Cohen mit jedem dieser Gags viel zu lang herum, wie ein gelangweiltes Kind, das seinen Kaugummi aus dem Mund nimmt, um ihn in die Länge zu ziehen. Das ist dann auch ungefähr genauso lustig anzusehen.
 
Eine Szene, in der Watson betrunken ein Telegramm aufgibt, hätte eine nette kleine Parodie auf „drunk texting“ werden können, …. wenn diese Szene nicht ungefähr drei Jahre dauern würde. Einen ersten Kuss zwischen zwei Menschen, die noch nie geküsst haben, haben wir erst kürzlich in „Jumanji“ herrlich witzig gestaltet gesehen. In „Holmes & Watson“ mag man bei einer ähnlichen Szene gar nicht hinsehen. Selbst die Gastauftritte von Boxansager Michael Buffer oder dem Schauspieler Billy Zane funktionieren nicht.
 
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Die Kunst der Täuschung
 
Wir haben also festgehalten, dass „Holmes & Watson“ als Parodie nicht funktioniert. Als Komödie funktioniert der Film auch nicht, weil er nicht lustig ist. Leider funktioniert der Film nicht einmal als Film. „Holmes & Watson“ hat mehr als 40 Millionen Dollar gekostet. Da ist es kaum zu glauben, wie schlecht der Film in jeder Hinsicht gemacht ist. Ich will hier gar nicht die vielen Anachronismen erwähnen oder die unzähligen Anschlussfehler aufzählen. Nein, der Film ist in handwerklicher Hinsicht einfach furchtbar schlecht gemacht.
 
In mehreren Szenen sind die Protagonisten nicht scharf im Bild zu sehen. Das erinnert dann an Papas alte Heimvideos. Der Film ist furchtbar schlampig geschnitten. Der Soundtrack stört öfter, als dass er Szenen untermalen würde. Sogar der Ton ist furchtbar. Bei der Pressevorführung wurde die englische Originalversion gezeigt und an vielen Stellen des Films hört man Dialoge, die nicht einmal halbwegs zu den Lippenbewegungen der Schauspieler passen. Sowas kennt man nur noch aus billigen italienisch-spanisch-englischen Koproduktionen aus den Siebzigerjahren. Es ist wirklich unglaublich, wie ein großes Studio wie Columbia Pictures einen so fehlerhaften Film in die Kinos bringen konnte.
 
Fazit
 
„Holmes & Watson“ ist ein Verbrechen an der Filmkunst, begangen von Regisseur und Drehbuchautor Etan Cohen gemeinsam mit Columbia Pictures. Der niedere Beweggrund war ganz klar Habgier. Erschwerend kommt hinzu, wie furchtbar ungeschickt sich die Täter bei der Ausführung des Verbrechens angestellt haben.
 
 
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