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Kritik: Book Club: Ein neues Kapitel

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Autor: Walter Hummer
 
“Book Club“ war 2018 eine mittelmäßige Rom-Com über Senioren, die nur von den vier Hauptdarstellerinnen halbwegs gerettet wurde. Weil der Film dem Studio damals einen Gewinn beschert hat, bekommen wir nun eine Fortsetzung …
 
Well, she was an American Girl …
 
„American Girl“ ist für mich der beste Song des großen, leider früh verstorbenen Tom Petty. Ja, „Free Fallin‘“ ist auch eine starke Nummer. Und „I won’t back down“ ist großartig, aber entwickelt doch erst in der Interpretation von Johnny Cash die volle Wirkung. Ich halte „American Girl“ für Pettys stärksten Song. Geschrieben für das Debüt-Album „Tom Petty and the Heartbreakers“, hat diese Nummer alles was einen großen Song ausmacht.
 
Die Melodie reißt mit. Die Gitarren von Petty und Mike Campbell vermitteln uns eine wilde, lebendige Energie. Erst sind Backgroundsängerinnen zu hören, dann setzt Pettys sicher nicht große, aber ganz unverwechselbare Stimme ein. Der Text ist wunderbare, moderne Lyrik. „American Girl“ erzählt das Fragment einer Tragödie. Das Düstere des Textes steht im Gegensatz zur fast fröhlichen Melodie und vermittelt die ewige Ambivalenz menschlichen Lebens. Was wir über das „American Girl“ erfahren, bleibt unbestimmt genug, um fast jedem Zuhörer eine andere Geschichte vermitteln zu können. In wahrer Kunst finden wir immer vor allem uns selbst wieder.
 
 
Natürlich wurde „American Girl“ in Film- und Fernsehproduktionen eingesetzt. Das Lied war in „Ich glaub, ich steh im Wald zu hören“, aber auch in einer der besseren Episoden von „Scrubs“. In „Das Schweigen der Lämmer“ hört die Tochter der Senatorin in ihrem Auto „American Girl“, bevor sie dem Unbekannten mit dem verletzten Arm hilft, den Sessel in seinen Van zu laden. Ich würde gerne noch weiter über „Das Schweigen der Lämmer“ schreiben. Oder über andere, zu Unrecht fast vergessene, großartige Filme des leider auch bereits verstorbenen Jonathan Demme, wie „Something Wild“ oder „Rachels Hochzeit“.
 
Aber ich muss über “Book Club – Ein neues Kapitel” schreiben, dessen erste Bilder tatsächlich von Tom Pettys „American Girl“ untermalt werden. Leider folgen danach mehr als hundert Minuten belangloser Banalität, weitgehend frei von kinematografischem oder sonstigem Wert. Noch ein Wort zu Jonathan Demme: seine Filme waren nicht alle gleichermaßen gelungen. Ich hielt „Philadelphia“ immer für überschätzt. Aber selbst ein künstlerischer Misserfolg wie „The Truth About Charlie“ hatte ein Thema, hatte eine Handlung, hatte echte Charaktere. “Book Club - Ein neues Kapitel” hat nichts davon.
 
Was sollte denn das Thema dieses Films sein? „Reiche, ältere Amerikanerinnen machen Urlaub in Italien weil eine von ihnen demnächst heiraten will“ ist doch kein Thema. Zu Anfang wird kurz die Pandemie erwähnt. Und eine der vier Damen musste während des Lockdowns ihr Lokal schließen. Aber sie wollte ohnehin in Rente gehen und da sie offensichtlich mehr als genug Geld hat, war auch das halb so schlimm. Weil die Protagonistinnen dieses Films niemals echte Sorgen haben, gibt es keinerlei echte Konflikte und daher kann auch nie sowas ähnliches wie eine echte Handlung ablaufen.
 
01 ©2023 Universal Pictures02 ©2023 Universal Pictures03 ©2023 Universal Pictures04 ©2023 Universal Pictures
 
Hier eine Liste der größten Probleme der vier Hauptfiguren:
  1. Diane Keaton weiß nicht, was sie mit der Asche ihres Mannes anfangen soll, der bereits verstorben war bevor die Handlung des ersten Films eingesetzt hatte.
  2. Jane Fonda wurde von ihrem langjährigen, verständnisvollen, stinkreichen Partner, der gleichzeitig die Liebe ihres Lebens ist, gefragt, ob sie ihn heiraten möchte.
  3. Mary Steenburgens Ehemann hatte kürzlich eine leichte Herzattacke und darf keinen Speck essen.
  4. Candice Bergen trinkt gerne mal ein Glas Wein und hat gern Sex mit attraktiven, charmanten Männern ihres Alters.
Das war es. Mehr kommt nicht. Das war die Liste der größten Probleme der vier Hauptfiguren. Daraus und aus einer überschaubaren Liste von Klischees über Europareisen reicher amerikanischer Touristinnen (sie werden bestohlen, die Polizei ist keine Hilfe und das Essen in Italien ist sehr gut) haben Erin Simms und Bill Holderman ein Drehbuch verfasst. Beide Autor*innen haben bisher jeweils nur an einem Drehbuch mitgeschrieben, dem zum ersten Teil von „Book Club“.
 
Die Regie hat nach Teil Eins auch wieder Bill Holderman übernommen. Und man fragt sich, was schwerer wiegt, sein Irrglaube, einige Klischees und zweideutige Scherzchen würden für ein Drehbuch reichen oder sein Wahn, diese Klischees und zweideutigen Scherzchen würden besser, wenn man sie von den Protagonist*innen nur oft genug lang und breit erklären lässt? Alles, aber auch wirklich alles wird immer wieder und wieder besprochen, erklärt, nochmal besprochen und nochmal erklärt.
 
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Und dann wird es nochmal besprochen. Und danach nochmal erklärt. Wenn Candice Bergen mit falsch zusammengeknüpfter Bluse, zerzaustem Haar UND verschmiertem Lippenstift ins Hotel zurückkommt, muss sie doch nicht erzählen, dass sie Sex hatte! Und zwar nicht bloß wegen der überaus subtilen visuellen Hinweise, vielen Dank auch. Sondern weil wir sie vorher mit einem attraktivem Mann und ohne Bluse auf einem schaukelnden Boot gesehen haben.
 
Und auch diese Szene endete bereits damit, dass sie mit einem zufällig anwesenden Polizisten darüber spricht, eben Sex gehabt zu haben! Das Ende des Filmes bildet eine Hochzeitsfeier bei der sich die vier Damen und ihre anwesenden Partner gegenseitig den Film erklären. Ich habe schon Shakespeare-Verfilmungen gesehen, in denen weniger Dialog gesprochen wurde. Ich habe schon Kasperltheater mit realistischeren Problemen gesehen. Ich habe schon Werbespots für Ferrero-Küsschen gesehen, die subtiler gestaltet waren. Und ich habe schon Pornos mit überraschenderen Wendungen gesehen.
 
Raised on promises
 
Der erste Film wurde damals halbwegs von der Besetzung gerettet. Und die vier Damen tun auch diesmal wieder was sie können. Mary Steenburgen hat übrigens ihren Oscar vor mehr als vierzig Jahren für Jonathan Demmes Frühwerk „Melvin und Howard“ bekommen. Über diesen Film und Steenburgens Rolle darin könnte ich stundenlang schreiben. Ihren Part in “Book Club - Ein neues Kapitel” kann man kaum als Rolle bezeichnen. Ihr Ehemann ist nicht mitgekommen nach Italien. Dort trifft sie einen Mann aus ihrer Vergangenheit. Sie flirtet ein bisschen und das war’s.
 
Jane Fonda ist eine Legende. Sie hat Oscars für „Klute“ und „Coming Home“ gewonnen. Leider ist ihr Gesicht im Lauf der letzten Jahre nicht beweglicher geworden. Mittlerweile sieht sie ein bisschen aus wie die ständig erstaunte Mutter des Jokers. Mit so einem Gesicht Zweideutigkeiten von sich zu geben, ist nicht abendfüllend.
 
Diane Keaton (Oscar für „Der Stadtneurotiker“) macht, was sie seit bald fünfzig Jahren in fast allen ihren Filmen macht. Sie lässt ihre Energie und ihren Charme wirken. Davon hat die Siebenundsiebzigjährige immer noch jede Menge. Aber dann doch nicht genug für diesen sehr schwachen Film.
 
Candice Bergen war vor mehr als vierzig Jahren für „Starting Over“ für einen Oscar nominiert. Sie hat immer noch eine großartige Ausstrahlung und einen fantastischen Sinn für Timing. Aber auch sie kann die beliebigen, unergiebigen Dialoge nicht retten.
 
Don Johnson, Andy Garcia und Craig T. Nelson sind in diesem Film leider reine Stichwortgeber. Mittendrin sehen wir den großen Giancarlo Giannini, was immer ein Vergnügen ist. In der Welt dieses Films ist er mit über Achtzig nicht nur noch immer im Polizeidienst sondern sogar Hubschrauberpilot. Von mir aus. Was soll’s? Fliegt der alte Herr die alten Damen eben mit dem Polizeihubschrauber rum. Bei diesem Film ist das auch schon egal.
 
Fazit
 
Weder die vier Hauptdarstellerinnen noch Tom Pettys bester Song können diese lieblos zusammengeschriebene und hilflos inszenierte Fortsetzung retten.
 
 
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