Konfuses Finale
Greens Film beginnt gar nicht mal so schlecht. Der kurze Prolog erzeugt eine ungemütliche Stimmung und geht emotional gleich in die Vollen. Im Wissen um die tragische Familiengeschichte lässt einen das Verschwinden von Angela und ihrer Freundin gleich noch etwas mehr mit Victor mitfühlen. Panik und Ohnmacht werden greifbar, und auch die bei Friedkin sehr ausführliche Diskussion um den Glauben, seinen Sinn, seine Möglichkeiten und seine Grenzen scheinen bereits in der Gegenüberstellung von Angelas skeptischem Vater und Katherines Eltern durch.
Verglichen mit dem bedächtigen Erzählaufbau im Ursprungswerk, das sich rund 45 Minuten Zeit nimmt, um den Boden für das Grauen zu bereiten, springt „Der Exorzist: Bekenntnis“ schon etwas früher in den Gruselmodus. Von einer hyperaktiven Geisterbahnfahrt, wie sie im heutigen Horror-Mainstream oft vom Start weg losrollt, ist Greens Sequel aber zum Glück ein gutes Stück entfernt. Rückt die Besessenheit allerdings ins Zentrum des Geschehens, glänzt der Film nicht gerade mit originellen Schreckensarrangements. Klassische Stilmittel kommen zum Einsatz. Hier und da gibt es einen wirkungsvollen Irritationsmoment. Ernsthaft furchteinflößend ist das, was der Regisseur aus dem Hut zaubert, zumindest für Genrefans, aber nicht.
Friedkins Klassiker setze mit seinen Motiven und Schockeffekten Standards für das Exorzismus-Kino, die 50 Jahre und unzählige Beiträge später natürlich nicht mehr dieselbe Verstörungskraft besitzen. Grotesk verrenkte Körper, entstellte Gesichter und Kinder, die mit unheimlichen Stimmen sprechen, haben wir schon zu oft gesehen, um davon nachhaltig erschüttert zu werden. Erschwerend kommt im konkreten Fall hinzu, dass David Gordon Green in manchen Szenen auf einen krassen Höhepunkt hinzuarbeiten scheint, diesen dann aber einfach schuldig bleibt. Bestes Beispiel ist eine Gottesdienstpassage, in der man sich bildhaft ausmalt, wie Katherine über die Stränge schlagen könnte. Serviert wird uns dann allerdings eine eher langweilige Auflösung.
Überhaupt geht es in „Der Exorzist: Bekenntnis“ verhältnismäßig zahm zu. Klar, ein paar blutige Bilder dürfen nicht fehlen. Die raue, grenzüberschreitende Qualität des Originals, das mit einer Kruzifix-Masturbationsszene und bösen Schimpfworten aufwartete, sucht man jedoch vergeblich. Alles wirkt eine Spur zu glatt, zu sauber, zu sehr domestiziert. Deutlich wird das auch im dritten Akt, der zwar eine spannende Offenbarung bereithält, gleichzeitig aber eine mit Figuren arg überladene Austreibung entfesselt. Entsteht die Intensität im Friedkin-Showdown gerade aus der Enge und der Beschränkung auf wenige Personen, geben sich hier alle möglichen Charaktere – einige davon schrecklich belanglos – die Klinke in die Hand und vertreten zum Teil unterschiedliche Religionen. War „Der Exorzist“ noch klar im patriarchalen Katholizismus verankert, kommt es in Greens Fortsetzung zu einem Mix, der, allen guten Intentionen zum Trotz, völlig willkürlich wirkt und uns auf plumpe Weise eine „Zusammen schaffen wir alles“-Botschaft einhämmern soll. Mit heiligem Ernst vorgetragene Kalendersprüche fliegen uns bereits ab der Mitte des Films permanent um die Ohren.
Verlieren wollen und müssen wir abschließend noch ein paar Worte über die Rückkehr Ellen Burstyns, die im Dezember 2023 ihren 91. Geburtstag feiern wird. Für die Geschichte ist der Auftritt Chris MacNeils unter dem Strich ernüchternd unerheblich – und hätte genauso gut entfallen können. Warum taucht die Protagonistin des Original dennoch auf? Ganz einfach: Nur so lässt sich der Film unter dem Banner von „Der Exorzist“ vermarkten. Ohne Burstyns unwürdige Stippvisite wäre das Ganze ein x-beliebiger Besessenheitsstreifen. Green und Co scheint das freilich nicht groß zu stören. Zwei weitere Sequels sind schon in Arbeit.