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*** A Rainy Day in New York ***

ouatih kritik

Autor: Alexander Friedrich
 
Nie zuvor war das schillernde Bild des Starregisseurs Woody Allen derart mit Schatten versehen. Der in Europa nun mit reichlich Verspätung startende „A Rainy Day in New York“ erzählt in Anbetracht der Schlagzeilen fast schon beiläufig eine typisch melancholische Großstadtballade. Mit misogynem Anstrich.
 
Es braucht schon eine gehöriges Maß an Selbstverständlichkeit, um seinen Hauptcharakter Gatsby Welles zu nennen. Und natürlich teilt sich Timothée Chalamets Figur nicht von ungefähr die Namen mit einer elitären Romanfigur sowie einem unsterblichen Filmemacher. Dabei machte „Citizen Kane“-Legende Orson Welles zu seinen Lebzeiten kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegenüber den nimmermüden Kollegen Woody Allen. Die Mischung aus Arroganz und Schüchternheit hätte ihm Zähneknirschen bereitet, wie er mal im New York Magazine sagte.
 
Stadtneurotiker, Misanthrop, Misogyn – es gibt viele Möglichkeiten, Woody Allens Wesen durchzudeklinieren. Das Handwerk ist dem von Welles nicht unähnlich. Beide liebten es, in ihren Filmen persönlich die Hauptrolle zu übernehmen. Und gerne mimten sie Alter Egos ihrer selbst. Der nunmehr 84-jährige Woody Allen agiert mittlerweile ausschließlich hinter der Kamera. Seinen neuen Film „A Rainy Day in New York“ wollten die amerikanischen Kinos aber nicht zeigen. Grund sind die Missbrauchsvorwürfe gegen den Regisseur, die zwar schon ewig im Raum liegen, durch den 2017er-Weinstein-Skandal jedoch wieder ordentlich hoch kochten.
 
Da befand sich „A Rainy Day in New York“ mitten in der Produktion. Im Zuge der MeToo-Bewegung spendete ein Teil der Darsteller seine Gagen, Chalamet zum Beispiel wollte „nicht von diesem Film profitieren“.
 
 
Altbekannte Muster in neuem jugendlichen Gewand
 
Doch was ist dieser Titel nun, für den Allen nach seinem unbefriedigendem Coney Island-Ausflug in „Wonder Wheel“ in den urbanen Schmelztiegel seiner Heimatstadt New York zurückkehrt?. Kann man die Kunst nicht vom Künstler trennen? Nun ja, bei der romantischen Komödie „A Rainy Day in New York“ wohl ein Unterfangen, da der Regisseur sich größte Mühe gibt, sein angekratztes Image zu untermauern.
 
Shootingstar Chalamet spielt einen jungen Studenten (jener Gatsby Welles), der mit seiner Freundin Ashleigh (Elle Fanning) dem Big Apple New York einen Besuch abstattet. Ashleigh, eine angehende Journalistin, soll nämlich den berühmten Filmemacher Roland Pollard (Liev Schreiber) interviewen. Dementsprechend wenig Zeit hat die Studentin für ihren Partner, also schlendert Chalamet wie schon Owen Wilson in „Midnight in Paris“ gemütlich durch die Straßen Manhattans.
 
Gatsby Welles ist offensichtlich die junge Ausgabe der früher von Allen noch selbst gespielten Querköpfe wie Alvy Singer oder Isaac Davis – nur dass dieser hier in Tweedjacke und Zigarettenspitze so wirkt, als wäre er einer anderen Zeit entflohen. Hinzu kommen seine hochgebildete Ausdrucksweise, das unaufhörliche Geplapper und die Unfähigkeit, eine glückliche Beziehung zu führen. Alles altbekannte Muster in neuem jugendlichen Gewand.
 
Allen trauert deutlich dem New York vergangener Tage hinterher. Die typischen sehnsüchtigen Jazz-Klänge verleihen der grauen, verregneten Kulisse den erwarteten nostalgischen Charme. Dass die Ostküsten-Metropole hier allerdings in der Gegenwart angesiedelt ist, fällt auch eigentlich nur dank moderner Technik wie den Autos auf. Wobei selbst das fast einem entgehen könnte, wenn in einer Szene Gatsby und Ashleigh in einer mit Kutsche unterwegs sind. Reiste Owen Wilson bei „Midnight in Paris“ noch ganz versehentlich in die Belle Epoque, ist die Vergangenheit bei „A Rainy Day in New York“ allgegenwärtig und doch nicht da.
 
01 ©2019 Gravier Productions Inc Photo by Jessica Miglio02 ©2019 Gravier Productions Inc Photo by Jessica Miglio03 ©2019 Gravier Productions Inc Photo by Jessica Miglio04 ©2019 Gravier Productions Inc Photo by Jessica Miglio
 
Alter Ego und beunruhigendes Frauenbild
 
Zudem hat der Autor seine Persönlichkeit quer über seine Figurenprofile verteilt. Sei es Gatsby Welles, der nicht weiß, was er an diesem Ort soll, der in einer Identitätskrise steckende Regisseur Roland Polland (Liev Schreibers Darbietung ist wahrlich kurios) oder Gatsbys Freundin Ashleigh mit ihrem schieren Begeisterungs-Wahnsinn als womöglich dunkle Seite des Regisseurs – es ist so gut wie unmöglich, diesen Film ungeachtet seines Schöpfers zu bewerten.
 
Vor allem wie Elle Fannings Ashleigh wegkommt, hat einen geradezu ekelhaften Beigeschmack. Allen lässt die verkorkste junge Frau gar nicht gut dastehen, die Nachwuchsjournalistin vernachlässigt ihren Partner nicht nur, sondern denkt sogar darüber nach, ihn zu betrügen. Zudem gibt Fanning sie als überaus anstrengend und mit autistischer, manchmal auch manischer Note. Selbst ihre Begleitung Polland oder der von Diego Luna verkörperte Schauspieler Francisco Vega sind überfordert von ihrem Gequassel. Auf der anderen Seite wollen sie sie nicht mehr loswerden, da die fanatische Ashleigh ihnen zu Füßen liegt.
 
Entlarvt hier Woody Allen sein wenig sympathische Wahrnehmung des anderen Geschlechts? Schon in „Blue Jasmine“ und „To Rome with Love“ inszenierte er seine weibliche Protagonisten entweder als völlig kaputte oder untreue Existenzen. Auch in „A Rainy Day New York“ ist es in erster Linie ein herablassendes Frauenbild, auch wenn der Mikrokosmos Hollywood genauso pervertiert wird. Denn scheinbar jeder Mann, der im Business was zu sagen hat, beansprucht bei der naiven Ashleigh sofort Besitz für sich. Und die hat auch überhaupt kein Problem damit. Muss nicht sein.
 
So richtig schlau wird man nicht aus diesem Schauspiel voller tragischer Gestalten, doch sich im Voyeurismus an diesen zu ergötzen, bereitet ein ungeheures Vergnügen. Bei allem reaktionären Verständnis des Auteurs: Entzieht man sich für einen Moment der kritischen Interpretation, unterhalten die verbalen Ergüsse Allens wie eh und je. Mehr als der schwermütige und deprimierende „Wonder Wheel“, wenn auch die handwerkliche Brillanz eines „Match Point“ und die erzählerische Verve eines „Vicky Cristina Barcelona“ fehlen.
 
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Einfach nur Timothée Chalamet beim Schlendern durch die durchnässten Straßen von Allens Fantasie-Manhattan zuzusehen, ist aber genauso herrlich verträumt und nett wie in den jüngeren europäischen Großstadt-Oden des in Brooklyn geborenen Regisseurs. Den Lärm und das Chaos aus „Manhattan“ und „Der Stadtneurotiker“ sucht man hier vergebens. Die Schlagzeilen um den Auteur werden nicht verstummen. Es ist aber, als wäre in diesem Tagtraum des Rainy New York (es regnet wirklich durchgehend) endgültig Ruhe eingekehrt.
 
Fazit
 
Woody Allen macht es seinen Kritikern mit seinem neuen Werk ziemlich leicht: Das Frauenbild, das der Regisseur an den Tag legt, ist beunruhigend. Das New York, von dem er erzählt, dagegen wunderschön. Das eigentliche Filmgeschehen? Okay.
 
 
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