Zwischen zwei Männern steht ein Leuchtturm so simpel geht es bei einem der besten Filme des Jahres zu.
Schwarz und Weiß
Ende des 19.Jahrhunderts. Die Küsten Neuenglands. Eine winzige Insel. Ein Leuchtturm. Ein junger Mann (Robert Pattinson) tritt seine neue Stelle als Leuchtturmwärter an. Unter der Anleitung vom erfahrenen Wärter (Willem Dafoe) muss er sich der harten Arbeit und harten Hand des Wärters Tag für Tag fügen. Der junge Mann merkt, dass irgendwas im Turm ist, dass der alte Mann ihm verschweigt. Irgendwas dort oben, irgendwas im Licht…
Weiter kann und braucht man die Story nicht zu erklären. Nicht wegen Spoilern, sondern weil dieser Film keine lineare Handlung und Ende mit „Aha-Effekt“ bietet – „The Lighthouse“ ist Kino für die Sinne. Das Regisseur und Autor Robert Eggers ein Händchen dafür hat, wissen wir seit seinem subtilem Horror-Geheimtipp „The Witch“. Somit ist der Streifen ein echtes Kino-Erlebnis, wie es sein sollte: Bild, Ton und Inhalt sorgen gleichermaßen für eine Stimulation der fünf Sinne, die einem die Nackenhaare aufstellen. Wenn man sich drauf einlassen kann…
(Not) Everybody´s Darling
Die Atmosphäre ist ab der ersten Sekunde, wenn das Licht ausgeht und das Flimmern auf der Leinwand beginnt, deutlich zu spüren. Bedrohlicher Sound aus Wellen, Wetter und Nebelhorn dröhnen in Mono durch den Saal. Die Bilder, in unheilvollem Schwarz und Weiß, bannen unseren Blick in den begrenzten, quadratischen Raum in der Mitte des Screens. Die schwarzen Balken links und rechts drängen uns dazu noch genauer hinzusehen, mehr involviert zu sein, als bloß Film-Zuschauer mit dem konstanten Überblick über alles in 16:9.
Die Bildsprache lehnt sich stark an die expressionistischen Stummfilm-Ära an, die sich sowohl in der ungewöhnlichen Wahl des Bildausschnitts, wie auch in der Machart des Films wiederspiegeln. Viel gibt es eigentlich auf der kargen Insel nicht zu sehen, aber Robert Eggers sieht das anders: Die Verzweiflung, die Paranoia, der Suff, die Scheiße – alles subtil, aber absolut wirkungsvoll verpackt. Spätestens nach diesem Film sollte es auch vorbei sein mit dem ewigen „Robert Pattinson-Twilight-Gelaber“. Pattinson kann spielen, kann überzeugen. Wer immer noch Zweifel hat, muss nach „The Lighthouse“ aufgeben und sich damit auffinden, dass er demnächst den schwarzen Ritter mit den spitzen Ohren geben wird.
Willem Dafoe ist sowieso eine Naturgewalt, gerade in diesen ambivalenten Rollen, ist er meiner Meinung nach einer der Größten – Bobby Peru irgendwer? Mit einer der besten und stärksten Monologe in diesem Film gehen auf sein Konto – ohne Blinzeln! All das ist schön und gut, aber ohne den Willen sich darauf einzulassen, ist der Film nix für den Kino-Abend mit Freunden. Es ist ein bewusstes Erlebnis für den Einzelnen.
Kopfkino
Die Mischung aus Horror- und Historienfilm, Schauspiel und Expressionismus, als auch Anleihen aus griechischer Mythologie und Seefahrer-Folklore macht „The Lighthouse“ zu einem fiebrigen Albtraum, den man im Wachzustand noch einmal miterleben kann.
Und sowie Träume nicht zu greifen und festzuhalten sind, ist auch „The Lighthouse“: die Gefühle wechseln von heiß zu kalt, man weiß nie, was um die nächste Ecke lauert und man kann seinen Augen nie ganz trauen. Der Film spielt mit einem, führt in die Irre. Aber ganz ohne die üblichen großen Enthüllungen des Horror- oder Thriller-Genres. Das eigene Hirn wird einfach mit großartigen Bildern und spärlichem Kontext beschossen, was das eigene Hirn daraus macht, ist der entscheidende Faktor, ob man den Film mag oder nicht. Am Ende merkt man, dass man eigentlich nur hilflos zusehen konnte, nach dem Verlassen des Saals beginnt erst das eigentlich „Kopfkino“…
Fazit
Filme wie „The Lighthouse“ definieren für mich, wie ein Kinobesuch sein sollte. Ein Anspruch für alle Sinne und nicht nur für Aug und Ohr. Bilder, Töne und Inhalte treffen tiefer, nehmen einen mit, beschäftigen einen noch Tage später, Gespräche entstehen. Klar ist das kein Streifen für Jedermann, aber wer sich mal wieder bewusst dem Erlebnis „Kino“ widmen möchte, kommt hier voll auf seine Kosten. Pattinson, Dafoe, Eggers und ein Leuchtturm – genau soviel braucht man für einen der besten Filme des Jahres.