*** Der Distelfink ***

ouatih kritik

Autor: Peter Osteried
 
Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Donna Tartt ist sowohl in den USA als auch hierzulande auf geteilte Kritiken gestoßen. So ganz nachvollziehbar sind diese nicht, stellt sich der top besetzte und edel inszenierte Film doch als großes, alle Gefühlswelten ansprechendes Werk heraus, das trotz einer formidablen Laufzeit von mehr als zweieinhalb Stunden keine Sekunde langweilig ist.
 
Nach der Bombe
 
Der kleine Theo (Oakes Fegley) besucht mit seiner Mutter ein Museum. Sie sehen sich die unterschiedlichen Gemälde an, während es der Mutter „Die Anatomiestunde“ angetan hat, betrachtet Theo „Der Distelfink“. Vielleicht weniger wegen des Bildes, als vielmehr wegen des Mädchens, das es auch ansieht. Dann geht eine Bombe hoch und ein Leben wird vollkommen aus der Bahn geworfen.
 
Theos Mutter stirbt, weswegen er von einer reichen Pflegefamilie aufgenommen wird, wo er in deren jüngsten Sohn einen Freund findet und sich geborgen fühlt. Aber das Schicksal meint es mit Theo nicht gut. Er wird aus diesem Idyll herausgerissen und kehrt erst als erwachsener Mann (Ansel Elgort) nach New York zurück. Jetzt ist ein Antiquitätenhändler, der die falsche Frau liebt, dessen Leben aber bereit ist, wieder aus der Bahn geworfen zu werden, als er einen Freund aus längst vergangenen Tagen wiedertrifft.
 

 
Das Gemälde
 
„Der Distelfink“ ist ein Gemälde von Carel Fabritius, der es kurz vor seinem Tod im Jahr 1654 gemalt hat. Fabritius starb, als eine nahegelegene Pulvermühle in die Luft flog. Auch er wurde von dem Druck einer bombenähnlichen Explosion getötet. Das macht das Gemälde zum perfekten Sinnbild für den kleinen Theo, der es in den Wirren nach dem Anschlag an sich nimmt und nie wieder hergeben will.
 
Das Gemälde ist für Theo ein Sinnbild – für das Leben davor, aber auch das Leben danach. Es sind zwei sehr unterschiedliche Leben. Hätte es die Bombe nicht gegeben, hätte Theo vielleicht glücklich werden können. Als sein Freund Boris ihn fragt, ob er denn glücklich sei, antwortet er lakonisch: „Nicht besonders.“ Weil er nur noch den Schatten dessen führt, was sein Leben hätte sein können. Aber: Hätte es die Bombe nicht gegeben, hätte er vielleicht auch nie seine Passion für Antiquitäten entdeckt. Der Film zeigt damit schön auf, dass selbst aus den schrecklichsten Ereignissen noch etwas Gutes entstehen kann. Nicht muss, aber kann.
 
01 ©2019 Warner Bros Pictures02 ©2019 Warner Bros Pictures03 ©2019 Warner Bros Pictures04 ©2019 Warner Bros Pictures
 
Tolles Ensemble
 
Der ältere Theo wird von Ansel Elgort gespielt, einem der fraglosen besten Mimen seiner Generation, der auch hier alle Herausforderungen meistert. Beeindruckend ist aber auch der kleine Oakes Fegley, der dem älteren Theo in nichts nachsteht, sondern im Gegenteil mit unglaublicher Inbrunst spielt. Das ist imposant, ebenso wie die Leistung von Finn Wolfhard, den man im Kino in „Es“ sehen konnte, der aber als nerdiger Mike in „Stranger Things“ bekannt wurde. Er spielt hier einen Russen.
 
Eine Rolle, für die Regisseur John Crowley eigentlich auch einen russischstämmigen Mimen gesucht hat, aber Wolfhard, der intensiv mit einem Sprachtrainer gearbeitet hat, überzeugte den Regisseur mit seinem Akzent – und er spielt eine wunderbar differenzierte Rolle, die zwar vergleichsweise klein ist, aber innerhalb der Geschichte sehr viel Bedeutung erlangt.
 
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Fazit
 
„Der Distelfink“ ist ein inszenatorisch, aber auch narrativ sehr schöner Film, der mit Bildern aufwartet, die einem Gemälde gleich wirken. Man könnte sich in vielen Einzelbildern dieses Films schlichtweg verlieren, weil er mit einer solch immensen Schönheit zu überzeugen versteht.
 
Er punktet aber auch, weil die Schauspieler durch die Bank für ihre Rollen brennen, und die Geschichte tiefgründig gestaltet ist. Kurz gesagt: Der Film wird dem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman wirklich gerecht.
 
 
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