***Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn***

vf kritik
 
Autorin: Simone Michel
 
2015 wurde Mary Shelleys „Frankenstein“ zu einem der bedeutendsten britischen Romane gewählt, höchste Zeit also für ein Comeback auf die Kinoleinwand. Paul McGuigans „Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“ erzählt die fiktionale Geschichte des weltberühmten Wissenschaftlers aus Sicht seines Gehilfen Igor, gespielt von „Harry Potter“-Star Daniel Radcliffe.

Der tragische Unfall der hübschen Zirkusartistin Lorelei (Jessica Brown Findlay) führt zur schicksalhaften Begegnung zwischen einem verwahrlosten Clown und einem größenwahnsinnigen Wissenschaftler, die eine gemeinsame Leidenschaft teilen: die menschliche Anatomie. Dem Gelehrten Victor Frankenstein (James McAvoy) wird sofort klar, dass er in dem buckeligen Zirkusangestellten (Daniel Radcliffe) einen idealen Gehilfen gefunden hat, der ihn bei seinen geheimen Forschungen behilflich sein kann.
 
Kurzer Hand befreit er die bedauernswerte Kreatur aus dem Zirkus, deren Kollegen davon jedoch wenig begeistert sind. Eine Spur von Verwüstung hinterlassend, nimmt Frankenstein den Buckligen auf, gibt ihm den Namen Igor und zeigt ihm, was Leben bedeutet. Von großer Dankbarkeit überwältigt, steht Igor zu seinem neuen Freund und dessen unglaublichen Experimenten.

Frankensteins geheime Versuche geraten bald schon in das Visier von Scotland Yards Inspektor Turpin (Andrew Scott). Dieser ist davon überzeugt, dass der Wissenschaftler Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht. Auch Igor beginnt mehr und mehr an den Absichten seines neuen Freundes zu zweifeln, der zunehmend dem Größenwahn verfällt…
 
 
Igor als Erzähler
 
Die Geschichte von Frankenstein wird in Paul McGuigans filmischer Version anders erzählt, als seine Vorgänger es bisher taten, denn Frankensteins Gehilfe Igor berichtet von seiner Freundschaft zu dem Wissenschaftler. Weniger geht es um Frankensteins Monster, aber umso mehr um die Person, welche es erschaffen hat.
 
Die Figur Victor Frankenstein sowie die Machart des Films erinnern sehr an die britische TV-Serie „Sherlock“ und deren titelgebenden Protagonisten. Zudem finden sich auch einige der daraus bekannten Schauspieler in „Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“ wieder. So verwundert es nicht, dass Regisseur Paul McGuigan bei einigen Folgen der Kultserie Regie geführt hat.
 
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Radcliffe vs. McAvoy
 
Die Besetzung des Films haben die Produzenten gut gewählt. Versammelt sind darin vor allem bekannte Schauspieler aus dem United Kingdom. Schade ist allerdings, dass Daniel Radcliffe als Igor neben James McAvoy als Victor Frankenstein nur untergehen kann. McAvoy spielt die Rolle des zwischen Genie und Wahnsinn schwankenden Wissenschaftlers sehr überzeugend. Als Zuschauer wünscht man sich aber viel mehr von Victor Frankenstein zu sehen.
 
Radcliffes Charakter wirkt neben diesem leider ein wenig langweilig. Auch die sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen Igor und seiner heimlichen Angebeten hilft seiner Rolle leider kaum interessanter zu werden. Zwar ist die neuartige Idee, dass der Gehilfe die Geschichte Frankensteins aus seiner Perspektive erzählt, im Grunde eine gute, doch rückt Igor in diesem Film zu sehr in den Vordergrund. Es verwundert nicht, dass die Figur in Mary Shelleys literarischem Original gar nicht existiert. Hier kämpft Frankenstein alleine mit sich und seiner Kreation, was dem Konflikt zwischen Genie und Wahnsinn den notwendigen Platz einräumt.
 
Andrew Scotts Charakter Inspektor Turpin fällt hingegen positiver auf. Zwar erinnert der Ermittler teilweise an Scotts Rolle als Bösewicht Moriarty in „Sherlock“, doch die Charakterzüge des wie Frankenstein langsam wahnsinnig werdenden Inspektors, passen optimal zur Rolle. Auch Turpin erfährt am eigenen Leib wie es ist, von einem Projekt zunehmend besessen zu sein. Für ihn ist dies der Fall Victor Frankenstein. So entsteht zwischen den beiden eigentlich gegensätzlichen Figuren eine seltsame Verbindung.
 
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Wer ist Victor Frankenstein?
 
Die Story von „Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“ ist dabei wohl wenig überraschend. Die Geschichte von Frankensteins Monster kennt fast jeder, doch um dieses geht es in erster Linie gar nicht, sondern um dessen Schöpfer. Über den Wissenschaftler Frankenstein, erfährt der Zuschauer durch den Film allerdings trotzdem kaum mehr, als er zuvor bereits wusste. Vielmehr ist es Igors Geschichte, die ins Zentrum rückt. Und diese mag nicht jeder als spannend empfinden. Für Spannung sorgt hauptsächlich das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Turpin und Frankenstein.
 
Was zudem in jedem Fall aufregend bleibt, sind Frankensteins Experimente, die dem Kinopublikum wirklich einen kalten Schauer über den Rücken jagen können. Die visuelle Umsetzung ist erstaunlich gut gelungen. An diesen Stellen erinnert der Film eher an einen Horror- als an einen Science Fiction-Story. Also nichts für schwache Nerven.
 
Insgesamt ist „Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn“ ein recht unterhaltsamer Film mit tollen visuellen Effekten. Dennoch ist es zuletzt schwer zu sagen, wen der Film genau ansprechen soll und ob Daniel Radcliffe es schafft das Publikum mit seiner Rolle zu überzeugen.