Non, je ne regrette rien
Schwierig wird es, nachdem Doug mit einer bestenfalls passablen Playback-Nummer zum neuen Star eines Travestie-Clubs wird. Durch die Auftritte in dem Club beginnt der Held dieses Films auch privat Frauenkleider zu tragen. Und unter den vielen guten Ideen, schlechten Ideen und furchtbaren Ideen dieses Films, die von Besson teilweise geschickt, teilweise ungeschickt aber immer plump umgesetzt werden, ist diese Idee die problematischste.
Es ist großartig, dass Menschen aus allen Teilen des LGBTQIA+-Spektrums endlich auch in der populären Kultur gezeigt werden. Aber vor allem cis-männliche, heterosexuelle Filmemacher sollten hier sensibel vorgehen und sich gut überlegen, wie sie diese Menschen in ihren Filmen zeigen und ob sie deren Probleme überhaupt verstanden haben. Und das Publikum sollte ebenso sensibel reagieren und gut aufpassen, ob man ihnen nicht einfach nur alte Klischees in neuer Aufmachung präsentiert. „DogMan“ war tatsächlich dieses Jahr für den Queer Lion in Venedig nominiert.
Und ich frage, ob die Mitglieder des Nominierungskomitees den Film überhaupt gesehen haben. Denn wenn der Held in diesem Film seinen Trost im Crossdressing findet, dann entspricht das dem altbekannten Narrativ, wonach Abweichungen von der Heteronormativität doch immer nur durch Traumata entstehen. Menschen, die sich auf dem LGBTQIA+-Spektrum bewegen, mit denen stimmt doch irgendwas nicht. Das sind „die Beschädigten“, „die Anderen“. Unsinn wie diesen haben wir mittlerweile wirklich oft genug gesehen, gehört und gelesen. Im Jahr 2023 schaden solche Darstellungen der Sache nur noch.
Aber nicht nur der LGBTQIA+-Gemeinde hätte man gewünscht, Luc Besson hätte mehr Feingefühl und Verständnis gezeigt und hätte sensibler gearbeitet, sondern auch Hauptdarsteller Caleb Landry Jones. Dieser Darsteller hat u.a. in „The Outpost“ gezeigt, wie gut er schwierige Charaktere darstellen kann. In „DogMan“ zeigt er in jeder Szene, dass er viel zu gut für diesen leider etwas kruden Film ist. Hoffentlich bekommt dieser begabte Darsteller demnächst Gelegenheit, mit sensibleren Regisseuren zusammenzuarbeiten.
Die junge, noch recht unbekannte Jojo T. Gibbs ist in als Polizeipsychologin zu sehen. Vielleicht weil Besson diese Rolle als Ansammlung nicht zueinander passender Klischees geschrieben hat, spielt Gibbs diese Rolle auch bloß als Ansammlung nicht zueinander passender Klischees. Vielleicht kann sie es aber auch einfach nicht besser.
Christopher Denham („Argo“), Clemens Schick („Overdrive“) und ein junger Mann namens Alexander Settineri spielen Rollen, die von Besson aus irgendeinem Grund als Parodien auf bessere Rollen in besseren Filmen geschrieben wurden. Dagegen sind die armen Darsteller natürlich machtlos.
Cineasten, die sich noch an Frau von Aschenbach in Viscontis „Tod in Venedig“, die reiche, jüdische Englischschülerin in „Cabaret“ oder Lady Lyndon in „Barry Lyndon“ erinnern, dürfen sich auf ein kurzes Wiedersehen mit Marisa Benson freuen. Ob das den Preis eines Tickets rechtfertigt, muss jeder selbst entscheiden.
Noch ein paar Worte zu den tierischen Darstellern und Luc Bessons Arbeitsweise mit ihnen: die Hunde machen alle einen guten Job. Das ist axiomatisch, weil jeder Hund ein guter Hund ist. Daher können Hunde nur einen guten Job machen.
Aufmerksamen Filmfans wird aber nicht entgehen, wie oft in diesem Film ein Gangster oder eine andere fiese Nebenfigur in einer Szene Angst vor furchtbar gefährlichen Hunden darstellen muss und Regisseur Luc Besson dann zu einem, zwei oder drei Hunden schneidet, die offensichtlich entspannt, mit heraushängender Zunge und in mehr als einem Fall mit wedelndem Schwanz durchs Bild laufen. Zuweilen in Zeitlupe. Dann folgt wieder ein Schnitt zum um sein Leben rennenden Fiesling und der Betrachter muss sich fragen, ob Besson das wirklich ernst meint und wer diese lieben, entspannten Vierbeiner als Bedrohung wahrnehmen soll.
Die Hunde in diesem Film vermitteln in manchen Szenen ungefähr so viel Bedrohung, wie die Untertassen in „Plan 9 aus dem Weltall“. Als Hundefan finde ich das herzallerliebst. Offensichtlich hat man die Hunde nicht gereizt, um bedrohlich wirkendes Verhalten filmen zu können. Als Filmfan finde ich das drollig. Es verleiht diesen Szenen eine ganz besondere Qualität. Gefährlich oder dramatisch wirkt das alles aber nicht.