Parker Finns Drehbuch ist eine Sammlung ungenutzter Möglichkeiten. Vielleicht hat Finns Vorstellungskraft dann doch nicht ausgereicht. Vielleicht war er von seiner Grundidee zu begeistert, um ein funktionierendes Ganzes zu schaffen. Vielleicht wollte das Studio das Honorar eines guten Script-Doctors sparen. Es ist schwer zu sagen, warum das Drehbuch so weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Einfacher zu sagen ist da schon, warum die Regie so überaus mittelmäßig ausfällt.
I promise, this is a safe place
Parker Finn hat offensichtlich viele Filme gesehen. Das ist für einen Regisseur eigentlich etwas Gutes. Von Peter Bogdanovich bis Quentin Tarantino waren einige der besten Regisseure aller Zeiten echte Filmfreaks. Aber Parker Finn hat nie gelernt, zwischen gelungeneren und weniger gelungeneren Filmen zu unterscheiden. Und so lässt „Smile“ zwar einerseits einige nette eigene Einfälle und eine oder zwei passable Reminiszenzen erkennen. Andererseits wirkt der Film allzu oft furchtbar unoriginell und strotzt vor Klischees.
Nach einem Streit schläft der Verlobte auf der Couch. Das Haus des Paares hat zwar ein paarhundert Quadratmeter Wohnfläche und damit sicher mindestens ein Gästezimmer, aber so ist das nun mal nach einem Streit. Da schläft einer auf der Couch. Die Heldin ist zu Beginn des Films immer adrett gekleidet und frisiert. Kaum setzen die Visionen ein, trägt sie nur mehr übergroße Kapuzenpullover und Strickjacken, deren Ärmel einen halben Meter länger sind als ihre Arme. Und das Haar hängt wirr ins Gesicht. Eine Therapeutin hört von der Patientin Furchtbares und fragt tatsächlich „And how does that make you feel?“
Die Heldin wird von schrecklichen Visionen geplagt. Trotzdem ist die Behausung der armen Frau spärlicher beleuchtet als die Burg von Graf Dracula. Und so besteht das Haus nicht aus Wänden, Türen und Möbeln sondern praktisch nur aus Schatten, aus denen nichts Gutes auftauchen kann. Als ich nach der Pressevorführung von „Smile“ heimgekommen bin, habe ich bei mir daheim mehr Lampen angemacht als im ganzen Film zu sehen waren. Ich glaube zwar nicht an Dämonen und wenn, hätte ich keine Angst vor ihnen. Aber meine Frau war nicht zuhause und es war wirklich schon spät und überhaupt, wozu ein Risiko eingehen?
Es ist traurig zu sehen, wie wenig Vertrauen Regisseur Parker Finn in den psychologischen Horror von Parker Finns Drehbuch hat. Immer wieder zeigt er uns Schockbilder, die den Film oft nicht aufwerten. Teilweise wirken diese Bilder nicht nur überflüssig sondern sogar lächerlich, wie im Falle eines Selbstmords mit einer Heckenschere oder eines Bildes anhand dessen eine Frau ihren toten Mann identifizieren musste. Dabei lässt Finn in einer frühen Szene mit einem klingelnden Telefon, das fast nicht mehr gehört worden wäre, durchaus Sinn für subtilen Horror erkennen. Aber schon wenn ein Siebenjähriger sein Geschenk auspackt, ist nichts mehr subtil. Alles muss in allen Details gezeigt werden.
Beim Finale versagen dann Drehbuch und Regie gleichermaßen. Man kann einem Dämon nicht mit seiner eigenen Logik beikommen. Vor allem wenn diese Logik zuvor schon nicht schlüssig war. Und so ergibt der Plan der Heldin nicht den geringsten Sinn. Am Ende verlangt man ein bisschen arg viel vom Publikum, wenn wir in der letzten Szene plötzlich Anteil am Schicksal einer Nebenfigur nehmen sollen, die zuvor während des gesamten Films nie ein echter Charakter sondern immer nur ein bloßes Handlungselement war. Wir wissen praktisch nichts von dieser Figur und plötzlich sollen wir uns Sorgen um sie machen?
Can you look at me, please?
Nicht nur diese sondern auch viele weitere Nebenfiguren lassen uns gleichgültig, weil sie nicht nur nachlässig und uninteressiert geschrieben sondern auch kaum besser dargestellt werden. Jessie T. Usher („Independence Day – Resurgence“) spielt den Verlobten nicht, er markiert ihn bloß. Kyle Gallner („Scream“) spielt einen unglücklich verliebten Polizeibeamten. Dass er unglücklich, verliebt und Polizeibeamter ist, erfahren wir hauptsächlich aus dem Dialog. Seine Darstellung vermittelt kaum etwas davon. Kal Penn spielt Roses Vorgesetzten wie ihn ein paar Tausend andere Schauspieler in Hollywood auch gespielt hätten.
Es sind die weiblichen Darstellerinnen, die diese Besetzung vor der Gesamtnote „mangelhaft“ retten. Robin Weigert („Deadwood“) wirkt professionell wo sie professionell zu wirken hat und umso bedrohlicher wo sie bedrohlich wirken soll. Die unbekannte Gillian Zinser ist wunderbar unsympathisch als egozentrische Vollzeitmutter. Caitlin Stasey („Tomorrow, when the war began“) rührt uns mit ihrer verzweifelten Angst bevor sie uns für den Rest des Films Angst macht.
Sosie Bacon war mir bisher noch in keinem Film aufgefallen. Sie ist vermutlich keine große Schauspielerin, schlägt sich aber in der nicht zu Ende geschriebenen Hauptrolle wirklich tapfer. Ihre Figur muss im Angesicht des drohenden Wahnsinns die Teile eines dämonischen Puzzles zusammensetzen. Und die Darstellerin muss die Löcher der Handlung mit Dialog stopfen. Irgendwie bewältigt Bacon beide Aufgaben.