***Hail, Caesar!***
Die Coen-Brüder liefern mit Hail, Caesar! eine bunte Farce voller Anspielungen und Verbeugungen vor dem Hollywoodkino der 50er Jahre. In erster Linie ein Film für Nostalgiker, Cineasten und nicht zuletzt Filmschaffende.
Ein Leben in der Filmindustrie
Auf der Berlinale feiert Hail, Caesar! seine Deutschlandpremiere und das ist äußerst passend. Nicht nur dass in dem Film das goldene Zeitalter der Traumfabrik in Hollywood gebührend durchleuchtet und gefeiert wird, auch eine gewisse ironische Selbstreflexion ist in dem neuen Werk der Coen-Brüder zu finden. Dabei werden auch die abgründigen Seiten der Filmbranche gezeigt, mit dem altbekannten Gespür für Figuren, die sich eher am Rande der Gesellschaft, oder in diesem Fall, des Scheinwerferlichts bewegen.
Eddie Mannix (Josh Brolin) ist ein solcher Grenzgänger, er sorgt dafür dass die Traumfabrik möglichst reibungslos läuft, alle Schauspieler am Set sind und keiner aus der Reihe tanzt.
Als der größte Star der Produktionsfirma, Baird Whitlock (George Clooney) gekidnappt wird und bald darauf eine Lösegeldforderung eintrifft, ist die Situation angespannt. Darüber hinaus ist eine Schauspielerin ungeplant schwanger (Scarlett Johansson) und Hobie Doyle (Alden Ehrenreich) und sein Regisseur (Ralph Fiennes) erstehen sich überhaupt nicht. Zu allem Überfluss sind auch die Reporterinnen Thora und Thessaly Thacker (beide Tilda Swinton) scharf auf intime Details aus dem Herzen Hollywoods.
Angeleitet von der Stimme des Erzählers darf der Zuschauer zwei Tage an dem arbeitsreichen Alltag in den Filmstudios teilhaben, eine äußerst kurze Zeitspanne also, in der aber gerade im Showbusiness mehr als genug passiert.
Wir begleiten vor allem Eddie in seiner anspruchsvollen und abwechslungsreichen Tätigkeit, er ist kurz am Set, wieder im Büro, in Meetings mit wichtigen Leuten, bei informellen Treffen mit Journalisten und dazwischen ist sogar noch Zeit für zwei Jobgespräche mit einer Konkurrenzfirma und zwei Beichten. Nur zu Hause ist er gefühlt maximal drei Sekunden. Damit gibt das Porträt die Realität im Filmgeschäft wohl ziemlich exakt wieder.
Kapitalismus und Patriarchat
Heutzutage füllt der ausführende Produzent bzw. Produktionsleiter eine ähnliche Funktion aus, und vermutlich ist sie noch immer genau so anstrengend. Es geht schließlich um viel Geld, das in einem relativ engen Zeitrahmen für ein wahnsinnig kurzlebiges und flüchtiges Produkt ausgegeben wird.
Oblgeich das Drehbuch von Ethan und Joel Coen in den 50er Jahren spielt, darf man sicher sein, dass der Aufwand auf der Produktionsseite heute noch genauso groß ist, wenn man sich zum Beispiel aktuelle Comic-Verfilmungen anschaut. Das vor Augen, lässt den Film auch als ironischen Kommentar zu eben diesen, mittlerweile meist digitalen, aber ebenso auf Effekte bauenden Gegenwartsspektakeln lesen.
Gerade die moralisch-philosophische Komponente, die eigentlich immer in den Werken der Coen- Brüder zu finden ist, zeigt deutlich die Ambivalenz dieser Industrie. Offensichtlich ist die fast schon emotionslose Abgebrühtheit von Eddie Mannix, der sich als knallharter Geschäftsmann und Problemlöser sieht.
Gerade gegenüber seinen Schauspielern gibt er sich stets patriarchalisch, mit fester Hand hält er die Zügel, manipuliert seine Untergebenen mit Zuckerbrot und Peitsche und sieht sich in erster Linie seinem Geldgeber verpflichtet. Nur während der Beichte offenbart er seine weiche Seite, doch schon im Gespräch mit den Vertretern Gottes auf Erden zeigt sich wo seine Prioritäten wirklich liegen.
Zusätzlich bekommt er während des Films ein äußerst attraktives Jobangebot und liebäugelt mit einem Wechsel in die Rüstungsindustrie.
Es sollte sofort klar sein, wer hier die bösen Kapitalisten sind, doch im Laufe der Handlung bekommt man Zweifel welche Industrie wirklich die schlimmeren Waffen herstellt, und ob die Traumfabrik mit ihren Illusionen das kapitalistische System nicht mehr stützt, als die Firma Lockheed durch eine Wasserstoffbombe. Das wird auch auf theoretischer Ebene äußerst unterhaltsam diskutiert, in Form einer Gruppe von Marxisten, die in dem gekidnappten Schauspielstar einen unverhofften Mitstreiter finden.
Wes Anderson und bunte Bilder
Neben den zahllosen Bild- und Textzitaten aus der Hollywoodhistorie, sowie Anlehnungen an echte Kinoproduktionen und Schauspieler der 50er Jahre, drängt sich schleichend ein weiterer Vergleich auf.
Durch die farbenfrohen Filmwelten (Produktionsdesign: Jess Gonchor) und symetrische Bildgestaltung (Kamera: Roger Deakins) wähnt man sich zwischenzeitig in einem Werk von Wes Anderson. Sogar die vielen Figuren, auch optisch oft sehr überhöht, erinnern manchmal eher an das bunte Kaleidoskop an Protagonisten in Tiefseetaucher oder zum Beispiel "Grand Budapest Hotel". Das wird gerade durch Ralph Fiennes offensichtlich, dem in letztgenannten Film eine ähnlich affektierte Rolle zukam.
Was dadurch etwas auf der Strecke bleibt, ist die psychologische Figurenzeichung, die man von anderen Filmen der Coen-Brüder kennt. War ihr letztes Projekt Inside Llewyn Davis doch ein gelungenes, intimes und eindringliches Porträt eines scheiternden Folk-Musikers, bleiben einem hier bleiben die einzelnen Figuren seltsam fremd.
Zu viele Schauwerte und Nebenschauplätze zerstören den Fokus auf einzelne emotionale Momente und lassen keinen Blick in die Motivationen der Personen zu, geschweige denn eine charakterliche Entwicklung. Diese Produktion steht damit eher ein einer Reihe mit den seichteren Komödien der zwei Filmemacher, wie Ladykillers oder Ein (un)möglicher Härtefall. Es fehlt aber die grundsätzliche philosophische Tiefe und emotionale Authentizität wie bei "The Big Lebowski" und "O Brother, where art Thou?".
Auch die unvermittelte Brutalität vieler anderer ihrer Werke und die Skrupellosigkeit, der Einblick in die Untiefen der menschlichen Seelenzustände, wie zum Beispiel die Gier bei Burn after Reading, fehlt hier schmerzlich. Dennoch sind viele Dialoge grandios geschrieben und auch der starbesetzte Cast amüsiert durchgehend, alles in allem eine durchaus liebevolle Reflexion auf, und ein amüsanter Einblick in das Showbusiness, nicht nur in den 50er Jahren sondern auch heute.