Die anderen paarhundert Polizeibeamten die an der anschließenden Verfolgungsjagd beteiligt sind, sind ebenfalls alle dumme Arschlöcher, weil sie ständig grundlos ihre Fahrzeuge zu Schrott fahren und dabei den Rettungswagen doch nicht zum Stillstand bringen. An einer Stelle im Film fährt das FBI plötzlich Volvos und die Polizei hat unter anderem einen Nissan im Einsatz. Das ist kein Wunder, denn während des Films wird die gemeinsame Jahresproduktion von Dodge und Ford vernichtet.
Neben Will, der die Bank ja nur wegen der Scheiß-Krankenversicherung überfallen hat (dafür kann man ihm ja nun wirklich keinen Vorwurf machen), ist die Rettungssanitäterin Cam die zweite Heldin des Films. Nachdem sie uns in überflüssigen Dialogstellen umständlich als härteste und beste Rettungssanitäterin der Stadt vorgestellt wurde, braucht sie mehr als eine Dreiviertelstunde um festzustellen, ihr Patient hat nicht bloß eine sondern zwei Schusswunden. Während dieser Zeit hat sie den Patienten unter anderem defibrilliert und sogar Spenderblut verabreicht und nicht gemerkt, wie das Blut aus der zweiten Wunde buchstäblich ständig auf den Boden getropft ist.
Nichts von diesem ganzen Bullshit kommt in der dänischen Vorlage vor. Das gilt auch für das Ende des Films. Dieses ist nicht einfach unverdient und unbefriedigend. Es könnte nur dann vielleicht funktionieren, wenn sämtliche Beamten sämtlicher Verbrechungsbekämpfungs- und Strafverfolgungsbehörden in Südkalifornien, sowohl auf städtischer, staatlicher als auch auf Bundesebene, vom LAPD über das FBI bis zur Staatsanwaltschaft ausnahmslos dumme Arschlöcher wären. Nein, tatsächlich könnte das Ende des Films nicht einmal dann funktionieren.
Dieses Drehbuch ist nicht bloß schlecht geschrieben. Autor Chris Fedak hat es sich einfach aus dem Arsch gezogen. Und er hat es nicht einmal sauber gemacht. Dauernd hören wir Obszönitäten und nie klingen sie witzig. Wenn ein Afroamerikaner einen anderen als „N…er“ bezeichnet, fühlt man sich unwohl. Alles wirkt aufgesetzt. Nichts fühlt sich cool oder locker an. Der Bankräuber in Birkenstocks, die schwule Paarberatung, … selbst die Zitate aus alten, besseren Filmen von Michael Bay wirken einfach nur verkrampft.
California Dreamin‘
Ich habe die fiktiven Protagonisten dieses Films als dumme Arschlöcher bezeichnet. Bei echten Menschen bin ich vorsichtiger. Ich würde Chef-Kameramann Roberto De Angelis („Baby Driver“, „6 Underground“) und sein Team nie beleidigen wollen. Vielleicht leiden sie allesamt an fortgeschrittener Epilepsie und können ihre Kameras nicht mehr richtig auf Stativen befestigen. Das würde die ständig verwackelte Handkamera erklären, die beim Betrachter nach einer Weile Kopfschmerzen und Aggressionen auslöst. Für einige der dümmsten und sinnlosesten Drohnenflüge der Filmgeschichte fällt mir aber keine Erklärung ein.
Doug Brandt, Pietro Scalia („Solo: A Star Wars Story“) und Calvin Wimmer („6 Underground“) zeichnen gemeinsam für den Schnitt verantwortlich. Ich gehe mal davon aus, die drei Herren leiden alle an ADHS. Sie lassen sich von ihrem Defizit genauso wenig von der Arbeit abhalten, wie die Mitarbeiter des Sound Department von ihrer fortgeschrittenen Schwerhörigkeit. Man muss Michael Bay Respekt zollen, all diesen Menschen trotz ihrer offensichtlichen Einschränkungen Arbeit gegeben zu haben.
Bay hat vor mehr als dreißig Jahren zunächst Musikvideos (u.a. Meat Loaf’s „I’d do anything for love“) gedreht bevor er mit „The Rock“ einen der besten Actionfilme seiner Zeit gemacht hat. „The Rock“ hatte auch eine komplett schwachsinnige Handlung, aber originelle Figuren, witzige Dialoge (überarbeitet von einem jungen Drehbuchautor namens Quentin Tarantino) und war überaus hochwertig inszeniert. Seitdem hat Bay u.a. „Armageddon“, „Pearl Harbor“ und „Die Insel“ gedreht und dabei seine Ansprüche weiter und weiter zurückgeschraubt, damit er dann gefühlt siebenundzwanzig Teile der „Transformers“-Reihe drehen konnte.
Ein Übermaß an haushohen, außerirdischen Robotern, die ständig aufeinander eindreschen, würde vermutlich den größten Künstler desensibilisieren. Zu sagen, Michael Bay ist wohl mittlerweile abgestumpft, wäre untertrieben. Dem Mann ist offensichtlich längst alles egal. „Ambulance“ strotzt vor eklatanten Fehlern, die jedem B-Movie peinlich sein sollten.
Die Windschutzscheibe eines Fahrzeugs wird durchschlagen. Danach folgen ein Dutzend Einstellungen mit intakter Windschutzscheibe. Wen juckt’s? Michael Bay sicher nicht. Wir sehen im Hintergrund die Sonne untergehen. In jeder darauffolgenden Szene während der nächsten Sunde steht die Sonne dann hoch am Himmel. Scheiß drauf. Eine Figur steht im Heck des Krankenwagens. Ein Schnitt und die Figur sitzt wieder vorne. Solche Kleinigkeiten interessieren Michael Bay offensichtlich kein bisschen. Was ihn interessiert ist vielleicht Pyrotechnik.
Auf die Frage seiner Pyrotechniker, wie viele Explosionen und Schüsse im Film zu sehen sein sollen, lautete Bays Antwort vermutlich: „Alle“. Sollten in den nächsten Wochen und Monaten amerikanische Actionfilme ins Kino kommen, in denen die Darsteller mit den Fingern aufeinander zielen und „Peng! Peng!“ rufen, würde mich das nicht wundern. Nach den Dreharbeiten zu „Ambulance“ war vermutlich weder für Geld noch gute Worte auch nur eine einzige Platzpatrone in Hollywood aufzutreiben.
Aber selbst die ganze Schießerei und die Verfolgungsjagden scheinen Bay nicht wirklich interessiert zu haben. Ohne Sinn für Raum und Zeit schießt und fährt alles kreuz und quer und hin und her. Hauptsache Zerstörung und Aggression. Wer schießt hier gerade auf wen? Fick Dich! Was soll das mit der Mini-Gun? Geht Dich einen Scheißdreck an! Warum überschlagen sich dauernd so viele Autos? Leck mich! Warum knallt das Fahrzeug gegen ein Hindernis? Deine Mudda ist ein Hindernis! Und warum fluchen die Leute in dem Film so viel? Halt’s Maul!
Mit so einem Drehbuch und dieser Art von Regie gibt es für Darsteller nichts zu gewinnen. Yahya Abdul-Mateen II wirkte in „Greatest Showman“ sympathisch und hat in „Aquaman“ das Beste aus einer generischen Schurkenrolle gemacht. Seine Figur hier ist ein dummes Arschloch und Abdul-Mateen II damit viel zu intelligent und zu sympathisch für den Job.
Eiza González ist eine dieser wunderschönen Frauen, denen offensichtlich nie jemand widersprechen mag, wenn sie meinen, Schauspielerinnen zu sein. Sie war wunderschön in „Baby Driver“, war dann wunderschön in „Bloodshot“, bevor sie in „Godzilla vs. Kong“ wunderschön war. In diesem Film ist sie nun so wunderschön, dass ihr Gesicht von Szene zu Szene auf magische Weise immer wieder sauber wird, weil man sonst vielleicht nicht sieht wie wunderschön sie ist.
Jake Gyllenhaal ist einer der vielseitigsten Darsteller unserer Zeit und wirkt immer wieder in den unterschiedlichsten Filmen mit. Er war bezaubernd in „Broke Back Mountain“ und satanisch im unterschätzten „Nightcrawler“. Warum er in „Ambulance“ mitspielt ist unklar. Ich will nicht sagen, seine Mitwirkung war ein Fehler. Aber Nicolas Cage hat vor langer Zeit einen Oscar für „Leaving Las Vegas“ bekommen und direkt danach einen Film mit Michael Bay gemacht. Und wo ist Nicolas Cage jetzt? Na also.