In Patrick Vollraths erstem Spielfilm haben Terroristen eine Idee, die sie nicht zu Ende gedacht haben und deren Umsetzung dann gründlich schief läuft. Ähnliches wie auf der Leinwand ist hier wohl auch hinter der Kamera abgelaufen …
Berlin – Paris
Für Copilot Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt) beginnt der Linienflug von Berlin nach Paris wie jeder andere. Noch ein kurzes privates Gespräch mit der türkischstämmigen Flugbegleiterin Gökçe, mit der er eine Beziehung und einen Sohn hat, dann die Checkliste durchgehen, auf ein paar verspätete Passagiere warten und schon erfolgt die Startfreigabe. Während des Fluges versuchen aber plötzlich einige Terroristen Zugang zum Cockpit zu bekommen. Tobias und sein Pilotenkollege können die Eindringlinge zurückdrängen und die Cockpittür verriegeln. Dabei wird der Pilot schwer verletzt. Und dann drohen die Terroristen damit, Geiseln zu ermorden, wenn Tobias nicht die Tür öffnet …
Wir alle kennen das: manchmal hat man eine Idee, von der man so begeistert ist, dass man gar nicht weiter darüber nachdenkt wie diese umgesetzt werden soll. Weil man so begeistert ist, vergisst man das Ganze zu Ende zu denken und gelangt so nie an den Punkt, an dem man über die Nachteile, Schwächen oder Fehler der Idee nachzudenken beginnt. Meine Frau zum Beispiel war neulich fest entschlossen, eine ganze Wand ihres Arbeitszimmers mit einer Schrankwand zu verkleiden. So begeistert war sie von der Idee, dass ihre Laune schlagartig umschlug, nachdem ich ihr erklärt hatte, wie klein ihr Arbeitszimmer sei und wie viel kleiner der Raum durch die Schrankwand werden würde und ich meine Wäsche auch gar nicht jeden Tag aus ihrem Arbeitszimmer holen möchte.
Dabei ist es doch ein Glück, wenn einem jemand offensichtliche Defizite einer Idee aufzeigt, die man selbst in der Begeisterung ganz übersehen hätte. Im Idealfall denkt man, trotz aller Begeisterung, seine Ideen selber noch mal in aller Ruhe durch. Ich hatte vor einiger Zeit mal die Idee zu einer Filmkritik in Liedform. Am Ende hat meine Begeisterung gerade noch rechtzeitig weit genug nachgelassen, um mich erkennen zu lassen, dass acht Zeilen und ein Refrain für eine gründliche Analyse eines Zweistundenfilms einfach nicht ausreichen und es auch gar keinen passenden Endreim auf „Dramaturgie“ gibt (Nein, „Trauerliturgie“ hätte nicht gepasst).
Die Drehbuchautoren Senad Halilbašić und Patrick Vollrath hatten wohl nicht das Glück, von einem wohlmeinenden Mitmenschen über die ganz offensichtlichen Defizite ihrer Idee aufgeklärt worden zu sein. Und sie sind auch nicht rechtzeitig vor Drehbeginn selber zur Einsicht gelangt. Sonst wäre Ihnen aufgefallen, warum ihre Idee für Vollraths ersten Spielfilm als Regisseur nicht funktionieren konnte.
Keine Action, keine Spannung
Als Actionfilm kann dieser Film nicht funktionieren. Nicht nur ist der Raum am Ort der Handlung begrenzt, das Budget des Films war es offensichtlich auch. Ein erfahrener Regisseur hätte die Szenen in denen Tobias mit den Terroristen kämpft vielleicht nicht ganz so konfus inszeniert wie Vollrath. An einer Stelle ist nicht klar, ob einer der Terroristen ein von Tobias verstecktes Messer gefunden hat oder irgendetwas anderes. Und andere Filmemacher hätten die Sequenz nach der Landung des Flugzeugs nicht so in die Länge gezogen, bevor sie dann endlich zum völlig vorhersehbaren Abschluss kommt. Aber spannend wäre das Ganze auch unter anderer Regie nie geworden.
In den letzten Jahren haben wir viel zu viele Filme mit einer Laufzeit von 130, 140 Minuten und mehr gesehen, die fast alle viel zu lang und daher irgendwann langweilig waren. „7500“ dauert gerade mal 92 Minuten und ist trotzdem deutlich zu lang und wird daher leider bald langweilig. Die Macher des Films haben nie erkannt, dass Ihre Idee für einen Spielfilm einfach zu dünn war. Man hätte daraus vielleicht einen interessanten Kurzfilm machen können. Aber für 92 Minuten ist das Ganze leider einfach zu unergiebig.
Keine Tragödie, kein Drama
Die Todesfälle im Film sind innerhalb der Handlung sicher bedauernswert. Aber wir haben keines der Opfer richtig kennengelernt. Das erste Opfer bekommen wir vor seinem Tod in einer kurzen Einstellung zu sehen. Und das zweite Opfer lernen wir in zwei kurzen Szenen auch nicht gut genug kennen, um von diesem Tod berührt zu sein.
Die Täter sind solche Klischees, solche Abziehbilder, warum diese Rollen im Abspann Namen haben ist unklar. Man hätte sie auch als „generischer Terrorist Nr. 1, 2 und 3“ bezeichnen können. Oder, damit man sie wenigstens ein bisschen auseinander halten kann, als „Fanatiker“, „Irrer Killer“ und „Feigling“. Die Entführer bezeichnen sich selbst als Muslime und finden den Westen irgendwie schlecht. Das muss als Motivation reichen. Man hat in zweitklassigen Actionfilmen schon differenzierte Charakterisierungen solcher Figuren gesehen.
Am meisten Mühe haben sich die Autoren noch bei ihrem Helden gegeben. Aber was wir von Tobias erfahren ergibt kein einheitliches Bild. Der Mann lebt seit Jahren in Berlin mit einer Deutschen zusammen, die einen türkischen Vater hat. Sein Sohn hat einen türkischen Vornamen. Aber Tobias spricht kaum Deutsch und kein Wort türkisch. So bekommen wir kein Gespür für die Beziehung zwischen ihm und der Mutter seines Sohnes.
Der Film funktioniert nicht als Tragödie und er funktioniert nicht als Drama. Als psychologisches Drama funktioniert er deshalb nicht, weil die Küchenpsychologie des Drehbuchs lächerlich ist. Offensichtlich hat den Autoren niemand erklärt, wie lange es tatsächlich braucht, bis sich so etwas wie ein Stockholm-Syndrom entwickeln kann. Vor allem müsste sich der Geiselnehmer dazu ganz anders verhalten als der junge Terrorist Vedat im Film. Wenn die Polizei Tobias am Ende fast mit Gewalt von dem Entführer trennen muss, er aber nur zwei Sekunden bei der Leiche auf der anderen Seite der Tür verweilt und sich nicht einmal zu ihr hinabbeugt, ergibt das keinen Sinn.
Dabei zeigt der Film durchaus interessante Ansätze. Die frühen Szenen im Cockpit mit den Checks und dem Start wirken sehr realistisch. Aber dann erfährt der Pilot über Funk, es würde 30 Minuten dauern nach Berlin zurückzukehren und der nächstgelegene Flughafen wäre Hannover, der auch erst nach knapp einer halben Stunde erreicht werden kann und wir fragen uns, welche Route von Berlin nach Paris dieser Airbus bloß genommen haben kann.
Diese deutsch-österreichische Koproduktion leistet sich Joseph Gordon-Levitt als Hauptdarsteller. Der hat in so unterschiedlichen Filmen wie „Looper“, „Don Jon“ oder „Sin City 2“ gezeigt was er kann. Für so einen profilierten Darsteller wäre das Geld aus mindestens sechs verschiedenen Filmförderungsfonds gut angelegt, wenn man sein Talent bloß zu nutzen wüsste. Leider gibt ihm das Drehbuch nichts zu tun, als auf engem Raum mit Terroristen zu ringen, zu verzweifeln und dann eine unangemessene Ruhe zu zeigen. Das hätten auch andere Schauspieler geschafft. Der Rest der Besetzung kommt uns teilweise vage bekannt vor, ist aber kaum lang genug im Bild um Eindruck zu hinterlassen.
Fazit
Co-Autor und Regisseur Patrick Vollrath war von der eigenen Idee zu begeistert, um die offensichtlichen Schwächen des Konzepts zu erkennen. Gravierende Fehler in der Umsetzung lassen das Projekt dann vollends scheitern.