Letzten Samstag habe ich etwas länger als sonst geschlafen. Meine Frau hat sehr viel länger geschlafen. Nachdem wir im Bett liegend Teile von „Les Miserables“ auf dem Tablett gesehen haben, sind wir mit dem Fahrrad spazieren gefahren und haben in der Sonne sitzend eine Kleinigkeit gegessen. Meine Frau musste danach noch arbeiten und ich war einkaufen. Abends haben wir uns gemeinsam einen Film angesehen, der uns beiden gefallen hat („Altersglühen“ mit Senta Berger und Mario Adorf, sehr empfehlenswert).
Der letzte Samstag war ein guter Tag. Kein fantastischer Tag, wie jener erster Tag, an dem ich meine Frau kennen gelernt habe. Wir waren zusammen auf einer Veranstaltung und sie wollte zunächst nicht, dass ich mich zu ihr setze. Später kamen wir doch ins Gespräch, blieben noch zusammen sitzen und redeten bis spät in die Nacht. Der letzte Samstag war auch nicht vergleichbar mit dem Tag an dem ich mit meiner Frau ein Konzert besucht habe und wir danach mit den Künstlern ins Gespräch kamen und von einer echten Baronin in ihrem Schloss bewirtet wurden. Er war auch nicht vergleichbar mit dem Tag, den wir auf der einzigen Insel im Comer See verbracht haben. Oder mit dem Tag, an dem meine Frau ihre liebste Fernsehköchin persönlich kennengelernt hat.
Trotzdem war der letzte Samstag ein guter, sogar ein sehr schöner Tag. Dass man ihn nicht mit manchen fantastischen Tagen vergleichen kann, macht ihn nicht weniger gut oder schön. Und „Lightyear“ ist ein hochwertig produzierter, durchaus gelungener Familienfilm. Dass man ihn nicht mit fantastischen Filmen wie „WALL·E“, „Alles steht Kopf“ oder „Coco“ vergleichen kann, macht ihn nicht weniger hochwertig produziert oder weniger gelungen. Diese Filme waren Meisterwerke. Das ist „Lightyear“ nicht.
Die erwähnten Meisterwerke hatten originelle Handlungen, die an völlig neuen Orten spielten, die wir so zuvor nie im Kino gesehen hatten oder je zu sehen erwartet hätten. Das Setting von „Lightyear“ ist spätestens seit den verschiedenen Versionen von „Lost in Space“ nicht ganz neu. Trotzdem haben die Autoren Jason Headley („Onward“) und Angus MacLane („Coco“) immer wieder nette, neue Ideen einfließen lassen. Der Held ist nicht alleine auf dem Planeten gestrandet. Die beiden Autoren haben sich aber eine intelligente Art und Weise einfallen lassen, wie ihn sein Verhalten von den anderen Besatzungsmitgliedern entfernt.
Natürlich muss es der wichtigste Teil der Handlung sein, den Einzelgänger erkennen zu lassen, wie wichtig und wertvoll ein gutes Team ist. Und natürlich gehört es zu einem Film aus dem Hause Pixar, den Helden am Ende nicht sein ursprüngliches Ziel erreichen zu lassen und trotzdem ein Happy End zu liefern. Auch das gelingt dem Autorenteam hervorragend. Die Handlung liefert auch genug Überraschungen und MacLane inszeniert diese so flott, dass der Film während knapp 100 Minuten niemals auch nur annähernd langweilig werden kann.
Tatsächlich hätte man sich gewünscht, MacLane hätte dem Film an manchen Stellen sowohl als Co-Autor als auch als Regisseur ein weniger mehr (Lauf-)Zeit zugestanden. Einige interessante Entwicklungen rund um Lightyears Crew und seinen Umgang damit, hätte man gerne ausführlicher gesehen. Und nachdem die Identität des Herrschers über eine Roboterarmee gelüftet wurde, hätten wir gerne beobachtet, was dieses Wissen bei Buzz auslöst. Von einem Studio, das uns mal ausführlich erklärt hat wie Depressionen entstehen, hätte man hier mehr Zeit und Muße erwartet.
… und noch viel weiter!
Aber viel zu flott fliegt die Handlung dahin. Viel zu viel Action wird geboten, als das dieser Film sich allzu lange mit seelischen Befindlichkeiten aufhalten könnte. Es passiert sehr viel auf der Leinwand und das sieht auch alles recht wild aus. Es wird geflogen und gekämpft, gerannt und gekämpft und sich versteckt und gekämpft. Die FSK hat diesen Film ab 6 Jahren freigegeben. Ich würde durchaus noch zwei oder drei Jahre auf diese Empfehlung aufschlagen. „Lightyear“ ist ein Film für Kinder, die alle vier Teile von „Toy Story“ schon oft genug gesehen haben und in zwei oder drei Jahren ihren ersten Marvel-Film sehen werden.
Kinder und Begleitpersonen sollten die „Toy Story“-Filme auch deshalb mehr als einmal gesehen haben, um die vielen Anspielungen und Insidergags in „Lightyear“ würdigen zu können. Der Film hat nicht ganz die gleiche Gag-Dichte wie andere Pixar-Werke. Da sollten einem nicht noch die besten Pointen mangels Kenntnis des Ursprungsmaterials entgehen. Aber in Zeiten von Disney+ sollte das kein unlösbares Problem sein.
Kinder ab acht oder neun Jahren und auch ihre erwachsenen Begleitpersonen werden, wie von Pixar gewohnt, hochwertig unterhalten. Die 3D-Animation ist auf dem neuesten Stand der Technik. Was soll’s, wenn sie uns nicht die gleiche Fülle an Details bietet wie in „WALL·E“? Der fremde Planet ist interessant ins Bild gesetzt, auch wenn diese Welt nicht halb so fantastisch aussieht wie die im Kopf eines kleinen Mädchens. Licht, Ton und Musik werden hier kompetent eingesetzt, auch wenn sie uns nicht annähernd so verzaubern wie in „Coco“.