Wir sehen Zerstörung. Und wir sehen, wie ganz normale Menschen mit der Zerstörung und den Folgen umgehen müssen. Wir sehen einen Matrosen, der nach vielen Jahren der ständigen Angst auf dem Meer, beim harmlosen Herumtollen in hüfthohem Wasser plötzlich panische Angst bekommt. Wir sehen eine Mutter, die mit kaltem Wasser den Staub der Zerstörung von ihren Kindern abwäscht.
Wir sehen, wie ein Mann die schlimmste Nachricht seines Lebens bekommt und erst einmal Abgeschiedenheit für seinen Zusammenbruch sucht. Während eines berührenden Epilogs, der lange nach Kriegsende spielt, erfahren wir in einem Nebensatz wie wenig jemand über einen ihm nahestehenden Menschen weiß. Der Krieg zerstört Familien, selbst wenn sie den Krieg überlebt haben.
Eine wunderschöne, berührende Szene mit einem tanzenden Matrosen, lässt uns erkennen, Krieg ist auch die Abwesenheit alles Schönen. Was bleibt uns noch, wenn alles Schöne fehlt? Wenn ein guter, aufrechter Mann gegen Ende des Films etwas Furchtbares tut, wissen wir, Krieg lässt niemanden zum Helden werden. Ein guter Mensch wäre auch ohne Krieg ein guter Mensch. Im Krieg wird am Ende auch das Gute im Menschen zerstört.
Ich hoffe, es geht Euch gut zuhause
Mit einem Budget von 110 Millionen norwegischen Kronen, ist „War Sailor“ der teuerste norwegische Film aller Zeiten. 110 Millionen norwegische Kronen sind gerade mal 10 Millionen Euro. Was Gunnar Vikene und sein Team damit geschaffen haben, ist ein Wunder. Kaum jemals erkennen wir die Beschränkungen dieses lächerlich geringen Budgets. Ja, natürlich wurde niemals in Singapur gedreht. Aber die Drehorte in Norwegen, Malta und Norddeutschland wurden genial eingesetzt. Wir spüren die Enge einer Familie in einer altmodischen Zweizimmerwohnung ebenso wie die Weite des Ozeans und die Trostlosigkeit eines Lazaretts.
Dabei hilft auch die Musik von Volker Bertelmann. Der Deutsche hat in den letzten Jahren nicht nur Musik für einheimische Produktionen wie „Gut gegen Nordwind“ oder „Monte Verità“ komponiert, sondern auch für internationale Filme wie „Ammonite“ oder die aktuelle Neuverfilmung von „Im Westen Nichts Neues“. Mit seiner Musik zu „War Sailor“ versucht er nie zusätzliche Dramatik zu vermitteln. Beinahe zurückhaltend untermalt und unterstreicht er die großartigen Bilder von Kameramann Sturla Brandth Grøvlen („Victoria“, „Der Rausch“).
Was der Krieg alles zerstört wird in diesem Film aber nicht nur in Bildern gezeigt. Wir bekommen die Zerstörung vor allem durch die großartigen Darsteller*innen vermittelt. Ine Marie Wilmann ist in Norwegen als Bühnen-, Fernseh-und Filmschauspielerin bekannt. Sie spielt im Film die Mutter und Ehefrau. Dabei leiht sie ihr ausdruckstarkes Gesicht einer ganzen Generation von Müttern und Ehefrauen, deren Schicksal es war, zu arbeiten, zu warten und zu ertragen.
Pål Sverre Valheim Hagen hat in „Kon-Tiki“ den Forscher Thor Heyerdahl dargestellt. Mit seinen fast zwei Metern Körpergröße wirkt er wie ein charmanter Wikinger. Er ist die Idealbesetzung des Freundes und Kameraden der Hauptfigur.
Kristoffer Joner ist in Norwegen ein Star. International hat man in bisher nur in Nebenrollen in „The Revenant“ und „Mission: Impossible – Fallout“ gesehen. Er trägt den Film auf seinen schmalen Schultern, wie seine Figur des Alfred jede Verantwortung trägt, die ihm zufällt. Joner selbst ist um die fünfzig Jahre alt. Sein Alfred ist zu Beginn des Films ein Mann in den Dreißigern, gegen Ende des Krieges ist er ein vor der Zeit gealtertes Wrack. Dazwischen lässt er uns die Zerstörung seiner Figur miterleben. Am Ende ist fraglich, wie viel von dem Mann und Vater übrig geblieben ist, der Alfred einmal war und ob dieses Bisschen reicht, um daraus wieder einen Mann und Vater zu schaffen.