Mit dem auf realen Begebenheiten basierenden Mittelalterfilm „The Last Duel“ scheint Ridley Scott („Alles Geld der Welt“) eine testosterongeladene Fehde zwischen zwei alten Freunden in den Mittelpunkt zu stellen. Um was es dem britischen Altmeister wirklich geht, zeigt sich allerdings im dritten Erzählabschnitt seiner neuen Regiearbeit: Sexualisierte Gewalt und systematische weibliche Unterdrückung sind die eigentlichen Themen.
Sparsame Mittelalteraction
Gleich zu Beginn legt Scott einen Köder aus, der manchen Zuschauern im Halse stecken bleiben könnte. In blau- bis graustichigen Bildern fängt er, ein gutes Auge für die wachsende Anspannung beweisend, die Vorbereitungen zum titelgebenden Duell ein. Gegenüber stehen sich darin der Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon) und sein früherer Vertrauter Jacques Le Gris (Adam Driver). Reiten die beiden Kontrahenten schließlich, wild entschlossen, aufeinander zu, glaubt man, fast selbst in der Arena anwesend zu sein, so heftig und laut krachen die Lanzen der Streithähne aufeinander.
Die Wucht, die diese erste, nach dem Zusammenstoß abbrechende Actionszene erzeugt, macht Lust auf mehr. Im weiteren Verlauf kommt es dann aber nur zu kurzen, wenngleich schonungslos direkt gefilmten Kampfhandlungen. Was auf den Schlachtfeldern genau ausgefochten wird, bleibt eher nebulös, da der größere historische Kontext Scott nicht wirklich interessiert.
„The Last Duel“ dreht sich vielmehr um eine persönliche Fehde, die durch eine Vergewaltigung zu einem Politikum wird. Nachdem sie dem französischen König Karl VI. (Alex Lawther) Seite an Seite auf einigen Kriegszügen gedient haben, entwickeln sich Jean und Jacques in unterschiedliche Richtungen. Während Ersterer weiter zum Schwert greifen muss, um seine Abgaben zahlen zu können, und den Bund der Ehe mit Marguerite de Thibouville (Jodie Comer), der Tochter eines Verräters an der Krone, eingeht, springt Letzterer von einem Bett ins nächste und sichert sich das Vertrauen und die monetäre Unterstützung des hedonistischen Grafen Pierre d’Alençon (Ben Affleck). Fehlender Respekt und die Entwendung eines ihm versprochenen Landstücks bringen Jean bereits in Wallung. Als seine Ehefrau im Jahr 1386 von einem sexuellen Übergriff durch Jacques berichtet, spitzt sich der Zwist endgültig zu.
Aktueller denn je
Das von Affleck und Damon zusammen mit Nicole Holofcener („Land der Gewohnheit“) verfasste Skript, das auf einem Sachbuch aus der Feder Eric Jagers fußt, lehnt sich an den japanischen Filmklassiker „Rashomon – Das Lustwäldchen“ an und schildert ein und dasselbe Geschehen aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Kapitel eins illustriert den Bericht Jeans, der einem ob der ständig erlittenen Demütigungen schon ein wenig leidtun kann. Gleichzeitig wirkt der mit einer eigenwilligen Vokuhila-Frisur bedachte Burgherr und Kämpfer in seinem Streben nach Ehre und Anerkennung mehr als nur leicht fanatisch. Wiederholt benimmt er sich wie ein Kind, das seinem Unmut lautstark Gehör verschafft, weil es nicht genügend Aufmerksamkeit bekommt.
Jacques‘ Sicht der Dinge, die den zweiten Abschnitt umfasst, lässt das Porträt eines gebildeten, arroganten Mannes entstehen, der die Rolle des Verführers und Charmeurs genießt. Eine Sogwirkung entfaltet „The Last Duel“ in den ersten beiden Passagen nicht, was besonders an der episodenhaften, mit Verknappungen arbeitenden Struktur liegt. Vor allem der Jean-Strang reiht Jahreszahl an Jahreszahl und lässt wichtige Ereignisse manchmal zwischen zwei Einstellungen stattfinden. Spürbar in die Höhe schnellen Intensität und Dringlichkeit jedoch mit Marguerites Zusammenfassung, die bereits durch einen kleinen visuellen Kniff in der Präsentation der Kapitelüberschrift als die der Wahrheit entsprechende Version markiert wird.
Unter die Haut geht dieser Teil des Film nicht nur wegen der beklemmend in Szene gesetzten Vergewaltigung, sondern auch weil er durch kleine Veränderungen zu den vorangegangenen Darstellungen ein neues, noch weniger schmeichelhaftes Licht auf die beiden männlichen Protagonisten wirft und den Unterdrückungsapparat des patriarchalen Systems in seiner ganzen Perversion abbildet. Auch wenn sich manches seit dem 14. Jahrhundert gebessert hat, ist es erschreckend, dass diverse Aspekte des Tribunals, dem sich Marguerite stellen muss, auch heute Frauen mit sexualisierten Gewalterfahrungen bekannt vorkommen dürften: Schuld wird auf das Opfer umgelenkt.
Und sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe liegen handfeste Zweifel an der Glaubwürdigkeit in der Luft. Um ein Zeichen gegen Missbrauch zu setzen, greifen Scott und seine Autoren mitunter zu plakativen Mitteln, lassen Figuren etwa Sätze sagen, die überdeutlich aus unserer, von den #MeToo-Diskussioenen geprägten Gegenwart stammen. Der Holzhammer hätte hier und da sicher in der Tasche bleiben können. Andererseits ist es aber in einer Welt, in der noch immer viel zu viele Übergriffe vertuscht oder verharmlost werden, vielleicht richtig und wichtig, klar Position zu beziehen. Wenn „The Last Duel“ das Bewusstsein für sexualisierte Verbrechen beim Publikum etwas schärfen kann, hat Scotts neue Regiearbeit schon einiges erreicht.
Fazit
Mittelalterfehde, die auf einer wahren Geschichte basiert, und nach zwei etwas schleppenden Erzählabschnitten im dritten Teil unerwartet an Intensität gewinnt und zu einem nachdenklich stimmenden #MeToo-Kommentar avanciert.