Daniel Glattauers Roman war vor einigen Jahren lange Zeit auf der Spiegel-Bestseller-Liste zu finden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Buch verfilmt werden würde …
„Ich treffe mich mit jemand anderen“
Leo (Alexander Fehling) wurde gerade von seiner Freundin verlassen. Nach einer Verwechslung, die wirklich zu dumm ist um sie hier nochmal zu erläutern, beginnt er eine E-Mail-Beziehung mit Emmi (Nora Tschirner). Die beiden Korrespondenzpartner verlieben sich ineinander ohne einander je gesehen zu haben. Aber Emmi ist mit einem egozentrischen alten Dirigenten verheiratet. Und Leo verbringt irgendwann wieder eine Nacht mit seiner doofen Ex …
Am liebsten würde ich gar nicht auf die Handlung dieses Films eingehen müssen. Nicht weil 800.000 Menschen im deutschen Sprachraum ohnehin das Buch gelesen haben. Sondern weil die Handlung so haarsträubend dumm ist. Und die handelnden Figuren sind noch dümmer als die Handlung. Das ist umso schlimmer, weil diese Abziehbilder von Charakteren leider von Schauspielern dargestellt werden, die sehr viel besser spielen könnten. Und das in einem Film, der sehr viel besser sein könnte, … wenn bloß die dumme Handlung und die dummen holzschnittartigen Charaktere nicht wären.
Die Charaktere erinnern an die Rollenfächer aus alten Theaterstücken. Da gab es die jugendliche Naive, die Sentimentale, die Mutterrolle, die Intrigantin, den jugendlichen Liebhaber, den Bonvivant und so weiter. Natürlich haben wir im 21. Jahrhundert neue Rollenfächer. Da wären die kesse Lesbe, die besoffene Schlampe, die dumme Kuh und der egozentrische Alte. Die beiden Hauptfiguren sind immer noch die Sentimentale und der jugendliche Liebhaber.
Haupt- wie Nebenfiguren haben gemeinsam, dass ihr Handeln jeglicher Grundlage entbehrt. Warum kann der Held nur unerreichbare Frauen lieben? Warum tauscht sich die Sentimentale in E-Mails mit einem Wildfremden aus, obwohl sie verheiratet ist? Warum kümmert der egozentrische Alte sich weder um seine Ehefrau noch um seine Familie? All das muss im Film nicht begründet werden. Es entspricht nun mal den Rollenfächern der Figuren. Außerdem muss die Handlung weitergehen.
Wenn die Figuren mal ihr Verhalten ändern, dann auch bloß weil es die Handlung verlangt. Plötzlich schreibt der jugendliche Liebhaber eine Woche lang nicht mehr, obwohl er die Sentimentale doch sonst immer gleich über alles Wichtige informiert. Und plötzlich ist die Sentimentale nicht mehr sentimental, sondern unsensibel, unwirsch und ganz und gar unsentimental. Und plötzlich interessiert sich der egozentrische Alte viel zu sehr für seine Frau. Warum? Na, weil die Handlung eine Krise am Beginn des dritten Akts benötigt.
„Jetzt küssen wir uns erst mal“
Die Regie kommt leider nicht gegen das klischeehafte Material an. Regisseurin Vanessa Jopp hat bisher u.a. zwei „Tatort“-Folgen und die romantischen Komödien „Lügen und andere Wahrheiten“ und „Der fast perfekte Mann“ inszeniert. Da lernt man natürlich nicht subtil oder unkonventionell zu arbeiten. Also wird uns die Korrespondenz des Paares immer und immer wieder langweilig aus dem off vorgelesen. Nur selten zeigt Jopp originelle Ideen. Wenn die Mails ausnahmsweise visuell umgesetzt werden und im Bild gezeigt wird, was diese Nachrichten den beiden Figuren bedeuten, können wir den Film erahnen den auch die Fans des Buches viel lieber gesehen hätten.
Aber leider passt die Regie in den meisten Szenen zum Drehbuch. So hält der Linguist eine Vorlesung, die keinen Sinn ergibt, aber irgendwie cool klingt. Am Strand friert er, macht aber den Mantel nicht zu, weil das besser aussieht. Die Wohnung des Helden sieht aus wie der Drehort für eine Ferrero-Küsschen-Werbung. Das Haus der Heldin meint man bereits in Spots für Bausparkassen gesehen zu haben. Abgesehen vom egozentrischen Alten sind praktisch alle Figuren in dem Film jung, attraktiv und erfolgreich. Der egozentrische Alte ist alt, attraktiv und erfolgreich.
Das Ganze ist durchaus gekonnt ins Bild gesetzt. Wir bekommen einige sehr schöne Bilder gezeigt. Vor allem ein Strand an der Nordsee wirkt sehr stimmungsvoll. Leider überwiegt am Ende doch unorigineller Kitsch. Wenn der Held am Weihnachtsmorgen Silvesterraketen geschenkt bekommt, wissen wir bereits was auf uns zukommt. Und wer einen Film ausgerechnet mit einer Ballade von Leonard Cohen ausklingen lässt, weiß wirklich nicht wie man Kitsch sparsam dosiert.
„Emmi schreiben ist wie Emmi küssen“ Wenn uns die Regie in einigen wenigen Szenen einen sehr viel besseren Film erahnen lässt, so tun das die beiden Hauptdarsteller in fast jeder Einstellung. Nora Tschirner (bekannt aus „Volldoofküken“ und „Keinhodenhasen“) wirkt im wahrsten Sinne des Wortes bezaubernd. Wir verstehen sofort, warum Leo sich so schnell in die von ihr verkörperte Emmi verliebt … aber nur bis wir uns daran erinnern, dass Leo ihr reizendes Lächeln, ihre offen in die Welt blickenden Augen und ihre geschmeidige Vitalität doch tatsächlich nie gesehen hat. Sei‘s drum, Nora Tschirner gelingt es mit ihrer liebenswerten Art beinahe im Alleingang den halben Film zu retten.
Alexander Fehling versucht die andere Hälfte des Films vor der Mittelmäßigkeit zu bewahren. Fehling kennen wir unter anderem aus Filmen wie „Goethe!“ und „Der Hauptmann“. Er vermeidet seine Fehler aus dem Desaster „Buddy“ und spielt hier angenehm zurückhaltend. Dabei bringt Fehling das Kunststück zuwege, eine emotionale Tiefe und Intelligenz zu vermitteln über die seine Figur im Drehbuch gar nicht verfügt. Das ist große Schauspielkunst.
Der Rest der Besetzung ist praktisch bedeutungslos. Nur die beiden Liebenden zählen in diesem Film. Andere Figuren geben Stichworte, überbringen Informationen und sagen und tun nur, was gerade der Handlung dient. Warum man einen Darsteller wie Ulrich Thomsen („Das Fest“) für eine bessere Chargenrolle verschwendet, ist ein Rätsel.
Fazit
Daniel Glattauers Roman hat schon unter einer unwahrscheinlichen Handlung und Figuren ohne jede Tiefe gelitten. Nun hat man die Geschichte für den Film noch einmal vereinfacht, glattgebügelt und so noch oberflächlicher gestaltet und das ist ein Jammer. Die beiden überaus sympathischen Hauptdarsteller hätten besseres verdient.