Nur wenig später erhält Jaime von ihr, die den Geschäften der Tante kritisch gegenübersteht, eine Fastfood-Schachtel, die er aus der Firmenzentrale schmuggeln soll. Angespornt von seinen neugierigen Verwandten, ignoriert er die Bitte, nicht in den Karton zu schauen – und erlebt buchstäblich sein blaues Wunder. Der darin liegende, blau schimmernde Käfer erwacht auf einmal zum Leben, setzt sich in Jaimes Rückenmark fest und stattet ihn mit einem Hightech-Anzug aus, der ihn zunächst völlig unkontrolliert bis in die Umlaufbahn fliegen lässt. Dummerweise benötigt Victoria Kord das Krabbelviech, ein Skarabäus genanntes, auf außerirdischer Biotechnologie basierendes Relikt, für ihr neuestes Produkt, das absolute Sicherheit verspricht.
Wild zusammengestoppelt
„Blue Beetle“ setzt einen Trend fort, den man nur begrüßen kann. War das Superheldentreiben auf der großen Leinwand lang Zeit wenig divers, ist die Palette mittlerweile breitgefächerter. Figuren mit ganz unterschiedlichen Hintergründen bekommen Soloabenteuer spendiert und verpassen dem kreativ erlahmten Kino der Weltenretter manchmal sogar eine echte Frischzellenkur. Anfang Juni 2023 lief mit „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ ein visuell berauschendes, emotional packendes Animationsstück an, das die Idee des Multiversums clever ausnutzen weiß und in Miles Morales, einem afroamerikanisch-puerto-ricanischen Teenager, einen starken Protagonisten hat.
Durchaus zu spüren ist in „Blue Beetle“, dass sich die Macher rund um Regisseur Ángel Manuel Soto mit ihrem Film vor der Latino-Kultur verneigen wollen. Leider fahren sie dabei aber auch allerhand Klischees auf, ohne diese gewitzt zu brechen. Familiensinn wird bei Jaime und seinen Verwandten großgeschrieben. Seine Sippe ist laut und quirlig, halt so, wie Lateinamerikaner im Kino fast immer dargestellt werden. Die Charaktere sind sicherlich nicht unsympathisch, bleiben allerdings recht eindimensional, selbst wenn es hier und da eine überraschende Offenbarung gibt. Bedingungslos mitzugehen, kräftig die Daumen zu drücken, fällt dadurch nicht immer leicht.
Wie ein Klotz am Bein hängen dem Superheldenstreifen vor allem seine Sprunghaftigkeit und seine Willkür. Humoreinlagen, einige davon sehr albern, wechseln sich mit Transformers-artigen Actionszenen, fettem Pathos und ernsten Gedanken, etwa zum imperialistischen Auftreten der USA, zu Ausbeutung und Diskriminierung, ab. „Blue Beetle“ ist ein wilder Ideen-Mix, der sich besonders gegen Ende einige plumpe erzählerische Volten erlaubt, um den Wert von Familie zu feiern. Nur so viel: Die Motivationsrede eines Verstorbenen bringt den Titelhelden wieder auf Kurs. Inszeniert ist dieses abgegriffene Element auf denkbar kitschige Weise.
Am Unterhaltungswert kratzen nicht zuletzt eine durch und durch formelhafte Antagonistin, der selbst Schauspielveteranin Sarandon keine aufregende Präsenz verleihen kann, und einige komplett ausgelutschte Dialogsätze. Mit „megacoolen“ Sprüchen der Marke „Du hättest mich töten sollen, als du die Chance dazu hattest!“ geizt „Blue Beetle“ jedenfalls nicht.
Fazit
Ein Superheldenfilm, der die Latino-Kultur feiern will, sich aber als unausgegorener, zwischen Ernst, Komik und familiärem Pathos schwankender Stimmungsbrei entpuppt. Schade, hier wurden manche Weichen falsch gestellt!