*** The Killing Of A Sacred Deer ***

 
tkoasd kritik
 
Autor: Walter Hummer
Horror, Drama, Psychothriller, Milieustudie, Gesellschaftskritik, … Der neue Film von Yorgos Lanthimos ist all das. Und noch viel mehr.
 
So lange das Herz noch schlägt ….
 
Steven Murphy ist ein erfolgreicher Herzchirurg. In seinem noblen Haus warten seine wunderschöne Frau (Nicole Kidman), die ebenfalls Ärztin ist, und seine beiden Kinder auf ihn. Tochter Kim singt im Chor, der kleine Bob spielt Klavier. Alles ist perfekt. Aber Steven trifft sich nebenbei mit dem 16-jährigen Martin (Barry Keoghan). Einerseits schenkt er dem Teenager eine teure Uhr, anderseits möchte er nicht von ihm an der Arbeitsstelle besucht werden. Wir erfahren, Martins Vater war Stevens Patient und ist verstorben. Als Steve den jungen Martin mit nach Hause nimmt, verliebt sich die 14-jährige Kim schnell in den ungewöhnlichen Burschen. In weiterer Folge lädt Martin wiederum den Arzt zu sich nach Hause ein.
 
Offensichtlich will der verwirrte und verwirrende junge Mann, Steven mit seiner Mutter verkuppeln. Darauf bricht der Arzt den Kontakt ab. Bald danach kann Stevens Sohn Bob seine Beine nicht mehr bewegen. Die Ärzte sind ratlos. Martin besucht Steven in der Klinik und erklärt ihm den Zusammenhang. Er macht den Arzt für den Tod seines Vaters verantwortlich. Deshalb werden nun der Reihe nach sein Sohn, seine Tochter und seine Ehefrau krank werden. Zuerst werden die Beine gelähmt. Dann verweigern die Erkrankten die Nahrung. Wenn sie schließlich aus den Augen bluten, bleiben nur noch wenige Stunden bis zum Tod. Nur wenn Steven einen seiner Lieben opfert, können die anderen beiden überleben.
 
 
Eine Geschichte von Verlust
 
„The Killing Of The Scred Deer“ ist keine einfache Rachegeschichte. Rache ist hier ein Weg, Verlust zu bearbeiten. Und Verlust ist eines der großen Themen dieses Films. Verlust von Zuneigung, Kontrolle, Unschuld, Vertrauen, Sicherheit, …
 
Regisseur Yorgos Lanthimos und Drehbuchautor Efthimis Filippou haben bereits einmal einen der originellsten Filme der letzten Jahre geschaffen. „The Lobster“ gewann 2015 den Preis der Jury in Cannes. Bei uns lief er dann noch nicht einmal in einer deutschen Fassung im Kino und ist daher weitgehend unbekannt. Nun hat dieses Team wieder einen ganz besonderen Film geschaffen.
 
Jede der Figuren hat ihre Geschichte, jede der Figuren hat eine Motivation, wie sie agieren ist oft überraschend und doch immer schlüssig. Die Dialoge sind nicht surreal, sie sind hyperreal. In einer Szene zu Anfang lernen wir schnell, was für ein schlechter Lügner Steven ist, als er eine Erklärung mit überflüssigen Details ausschmückt. An anderer Stelle lehnt seine Frau einen Cocktail für ihn ab und so erfahren wir einiges über seine Vorgeschichte und die Dynamik seiner Ehe. Schnell wird klar, dies ist ein Film für intelligente, aufmerksame Zuseher. Es wird nicht alles lang und breit erklärt. Wir sind gezwungen aufzupassen.
 
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Auch die Musik im Film unterstreicht nicht einfach, was wir ohnehin sehen. Manchmal ist sie Kontrapunkt, dann wieder Teil des Geschehens auf der Leinwand. Die Kameraführung ist auf unspektakuläre Weise hervorragend. Man sieht nicht einfach Schauspieler vor Hintergründen, es bewegen sich echte Personen durch echte Räume. Jedes Bild passt, jede Bewegung ist stimmig.
 
Die Familie und der Eindringling
 
Colin Farrell kann man bis vor einigen Jahren aus Filmen wie „Miami Vice“ und „Total Recall“. Nachdem er in den letzten beiden Jahren in so unterschiedlichen Filmen wie „The Lobster“ und „Die Verführten“ geglänzt hat, ist er mittlerweile einer der mutigsten und wandelbarsten Schauspieler der Gegenwart. Hier spielt er nicht nur einen Arzt, Ehemann und Familienvater sondern das personifizierte Establishment in der Krise. Der erfolgreiche, wohlsituierte amerikanische Mann der lange Zeit alles kontrolliert hat, muss nun mit dem Unkontrollierbaren fertig werden.
 
Nicole Kidman hatte in den letzten Jahren nicht immer Glück bei der Auswahl ihrer Rollen. Nachdem sie kürzlich in „Die Verführten“ als starke, einsame Frau überzeugt hat, zeigt sie nun eine grandiose Leistung als Mutter und Ehefrau. Sie wirkt zerbrechlich und stark, verzweifelt und entschlossen. Ihre Figur hält die Familie ebenso zusammen, wie ihre Darstellung den Film zusammenhält.
 
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Den jungen Barry Keoghan haben wir zuletzt in „Dunkirk“ gesehen. Er spielt den jungen Martin weder als Irren noch als Bösewicht, sondern als fehlgeleiteten aber entschlossenen Teenager.
 
Alicia Silverstone hat als Martins Mutter leider nur eine Szene. Darin zeigt sie aber die berührende Darstellung einer Frau die zu viel verloren hat. Bill Camp als Stevens Kollege Matthew zeigt mit seiner zurückhaltenden Darstellung die banale Widerlichkeit eines Spießers.
 
Fazit
 
Gleich das erste Bild dieses Films zeigt uns: hier beschreitet ein Filmemacher eigene Wege. Jede Szene, jedes Bild ist ebenso originell wie originär. Man bekommt nicht nur einen Film geboten, nicht nur ein Kunstwerk, sondern auch noch Stoff für lange interessante Gespräche im Anschluss an den Kinobesuch.
 
 
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