Mia Goth spielt abermals famos. Der dritte Teil der 2022 auf die Zuschauer losgelassenen „X“-Reihe wirkt stellenweise aber etwas unentschlossen.
Verneigung vor dem Leinwandgrauen
Dass ihm das Horrorkino, vor allem das vergangener Dekaden, sehr am Herzen liegt, stellte US-Regisseur Ti West schon in seinen frühen Werken unter Beweis. „The House of the Devil“ etwa feiert das Subgenre des Okkultismus-Films und versprüht ein mit viel Liebe gefertigtes 1980er-Jahre-Feeling. Aus einer anderen Zeit scheint auch die während der Corona-Pandemie in Neuseeland gedrehte, 1979 spielende Slasher-Hommage „X“ zu kommen, in der die von Mia Goth gespielte Amateurpornodarstellerin Maxine Minx zusammen mit ein paar Gleichgesinnten einen Erotikstreifen auf dem platten Land in den Kasten bringen will.
Wer Tobe Hoopers Angstklassiker „The Texas Chainsaw Massacre“ kennt, wird sich umgehend an die Backwoods- und Terrorarbeiten der 1970er-Jahre erinnert fühlen. Akribisch stellt West die staubig-ausgebleichte damalige Optik nach und packt seine mit begrenzten Mitteln entstandene Schöpfung randvoll mit Verweisen.
Gleich im Anschluss an „X“ filmte er das Prequel „Pearl“, das sich den jungen Jahren der greisen Gegnerin Maxines zuwendet. Das Ergebnis ist ein in kräftigen Farben erstrahlender Albtraum, der dem klassischen Hollywood-Melodram einen abgründigen Dreh verpasst.
Der dritte Teil seiner von der Kritik recht positiv aufgenommenen Reihe rückt nun wieder die Protagonistin des ersten Kapitels in den Fokus, die als Einzige das von Pearl entfesselte Provinzmassaker überlebte. „MaXXXine“ springt ins Jahr 1985 und konfrontiert uns mit einer ehrgeizigen jungen Frau, der es nicht genug ist, sich einen Namen in der Pornobranche erworben zu haben. Die glitzernde US-Traumfabrik soll es sein. Genau dort können, wie sie glaubt, ihre Starqualitäten am besten scheinen.
Zu Beginn des Films steht ein Casting für das fiktive Horrorsequel „The Puritan II“ an, bei dem Hauptdarstellerin Mia Goth alle Register ziehen darf. Das Selbstbewusstsein ihrer Figur wirkt nicht behauptet, sondern ist mit Händen greifbar. Allein die Körpersprache drückt aus, wie sehr Maxine an ihre Eignung, ihre Qualitäten glaubt. Ihre Unerschrockenheit wird auch in einigen anderen Szenen wunderbar deutlich: Beispielsweise, als sie von einem Straßenkünstler mit bösen Absichten verfolgt wird und ihm eine allein beim Zusehen schmerzhafte Lektion erteilt.
Stark auch der Wutausbruch gegenüber einem schmierigen Privatermittler (herrlich zwielichtig: Kevin Bacon), der für einen ominösen Auftraggeber in ihrer blutigen Vergangenheit wühlt. Maxines Energie kommt in Goths Spiel kraftvoll rüber. Die Verletzlichkeit der jungen Frau fällt jedoch nicht unter den Tisch, was sie trotz ihrer alles andere als sympathischen Ichbezogenheit zu einer seltsam faszinierenden Figur macht.
Stimmungsvolle Bilder
Nach dem Backwoods-Kino und dem schaurigen Melodram wendet sich Ti West in „MaXXXine“ dem unter Horrorfans sehr beliebten Giallo-Schaffen zu. Das Auftauchen schwarzer Handschuhe, langer Klingen und absurder Tätermotivationen dockt direkt an die Bilder und die Motive der italienischen Spannungsvariante aus den 1960er- und 1970er-Jahren an. Während Maxine darum bemüht ist, in Hollywood Fuß zu fassen, wird das in verführerische Neonlichter getauchte Los Angeles des Jahres 1985 von einem unheimlichen, real existierenden Serienkiller heimgesucht.
Der von den Medien als „Night Stalker“ bezeichnete Mann scheint auch die aufstrebende Darstellerin ins Visier zu nehmen. Zumindest kommt es in ihrem Umfeld zu einigen grausigen Morden. Die Auflösung ist, das dürfen wir verraten, einerseits so absurd, wie es sich für einen echten Giallo gehört. Andererseits rundet sie Maxines Reise auf passend-verquere Weise ab.
Vergleicht man den dritten, wohl höher budgetierten Teil mit seinen beiden fast kammerspielartigen Vorgängern fällt auf, dass er einen etwas fahrigeren, weniger konzentrierten Eindruck macht. Einmal mehr sind die Bilder akribisch ausgestattet und toll anzuschauen. Der Mörder-Plot, Wests Beobachtungen zu den Schattenseiten Hollywoods, zum Kulturkampf liberaler und reaktionärer Kräfte in den Vereinigten Staaten und die regelmäßig eingebauten Filmzitate ergeben allerdings ein leicht disparat wirkendes Gesamtgebilde.
Nicht alle Ideen fügen sich gut zusammen. Und manchmal würgen satirische Einlagen die Spannung zu sehr ab. Gleichwohl: Langweilig wird es nie. Ständig gibt es etwas zu entdecken. Und Mia Goth funkelt mit ihrer inbrünstigen Performance ohnehin. Von ihr darf man in den kommenden Jahren definitiv noch einiges erwarten.
Fazit
Ti West inszeniert seine charismatische Hauptdarstellerin mit Verve und fängt das Zeitkolorit überzeigend ein. Sein Drehbuch hätte jedoch gerne noch etwas stringenter geraten dürfen