Zu lang oder genau richtig?
An BABYLON, dessen Titel erst nach einer halben Stunde eingeblendet wird, scheiden sich die Geister. Die einen bejubeln Damien Chazelle, die anderen sehen den Film als überlange Monstrosität an. Die Wahrheit liegt tatsächlich irgendwo dazwischen. Chazelle zieht den Zuschauer mit einer absurden Szene ins Geschehen, dann schweift er ab in die Dekadenz des Hollywoods, wie es vor Einsetzen des Hays Codes im Jahr 1934 war, als der Anstand und die Moral auf die Leinwand einzogen. Aber dann strauchelt der Film auch immer wieder.
Neben großartigen Momenten, die den Unterschied aufzeigen zwischen der chaotischen und der extrem kontrollierten Produktionsweise von Stumm- und Tonfilmen, gibt es auch immer wieder die Abschweifungen. Ein kompletter Handlungsstrang zum Ende des Films dreht sich um einen opiumsüchtigen Gauner, dem Nellie Le Roy Geld schuldet. Tobey Maguire spielt die Figur elektrisierend, aber das Abtauchen in den Hollywood-Underground mit seinen sexuellen und gewalttätigen Abschweifungen erinnert dann eher an einen Horrorfilm. Denn die Dekadenz jener Zeit hatte Chazelle schon vorher sehr gut herausgearbeitet.
Die gesamte Maguire-Sequenz könnte man aus dem Film entfernen – er würde dadurch stärker. So mäandert er immer wieder mal, und ist doch faszinierend, weil es vielleicht auch gerade Chazelles prätentiöse Herangehensweise und sein wilder Ansatz, das Ganze so episch, wie nur möglich, sind, die den Reiz ausmachen.
Er zeigt Archetypen der Figuren jenes Hollywoods, die nicht nur in der Frühzeit von der Filmmaschinerie aufgefressen und wieder ausgespuckt wurden. Zugleich ist er dann in seiner Symbolik ungemein plump – etwa am Ende, wenn die Hauptfigur im Kino Tränen vergießt. Da haben wir als Zuschauer längst verstanden, dass der Traum von Hollywood auf den Tränen seiner Träumer errichtet worden ist. Manchmal ist weniger mehr, so wie der Bilderrausch am Ende, der Ausschnitte aus den folgenden Dekaden Hollywoods zeigt.