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*** Beckenrand Sheriff ***

 
dfdh kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Marcus H. Rosenmüller macht kleine, gefällige Filme. Und weil bereits sein erster Spielfilm vor fünfzehn Jahren ein Überraschungserfolg war, wird er noch viele kleine, gefällige Filme machen. Der neueste kommt jetzt ins Kino …
 
„Der macht Probleme. Das seh ich!“
 
Irgendwo in der bayerischen Provinz will die Bürgermeisterin das heruntergekommene Freibad schließen und der örtliche Baulöwe mit dem Grundstück viel Geld verdienen. Leider lebt „Schwimmmeister“ Karl (die Bezeichnung „Bademeister“ lässt er nicht gelten) nicht nur in dem, sondern auch für das Freibad. Mit einer Unterschriftenliste soll das Freibad gerettet werden. Dabei helfen ihm sein Azubi, der nigerianische Asylbewerber Sali, eine in Ungnade gefallene Profi-Schwimmerin und eine letztklassige Wasserballmannschaft. Ach ja, für die eine oder andere Liebesgeschichte findet der Film auch noch Zeit …
 
Schon Rosenmüllers erster Spielfilm, „Wer früher stirbt, ist länger tot“, war eine etwas derbe Mischung aus Bauerntheater und altmodischer Lausbubengeschichte, die auf oberflächliche Weise Themen behandelt hat, die für diese Art von Film viel zu ernst waren. Wohl hauptsächlich wegen der wunderbaren Besetzung, aber auch wegen der vage nostalgischen Stimmung, hat „Wer früher stirbt, ist länger tot“ einen Nerv beim Publikum getroffen und war der Überraschungserfolg 2006.
 
 
Rosenmüllers nachfolgende Filme waren unterschiedlich erfolgreich, folgten aber fast alle dem bekannten Muster: ein bisserl Volkstümmelei, ernste Themen als bloße Handlungselemente und ein unbestimmtes Gefühl von „früher war alles besser“, das Rosenmüllers Filme immer ein wenig altmodisch geraten lässt. Als Rosenmüller mit „Sommer der Gaukler“ einmal von diesem Rezept abgewichen ist, wollte das dem Publikum gar nicht schmecken. Aber die Freunde des nostalgischen Provinzkomödien-Dramas können beruhigt sein: „Beckenrand Sheriff“ bietet all das, was man von Rosenmüller gewohnt ist.
 
Das Drehbuch von Jung-Autor Marcus Pfeiffer behandelt mit Flüchtlingskrise, Doping und einem Bauskandal einige recht ernste Themen. Aber sowohl Autor Pfeiffer als auch Regisseur Rosenmüller zeigen an diesen Themen so wenig Interesse, dass sie diese im Laufe ihres Filmes recht schnell vergessen. Fast Achtzig Minuten dauert es, bis der Film sich an den ungewissen Aufenthaltsstatus des Schwimmmeister-Azubis erinnert. Die Geschichte der Doping-Sünderin wird vielleicht vier- oder fünfmal erwähnt, um eine sonst komplett substanzlose Liebesgeschichte voranzutreiben. Eine Auflösung oder so etwas wie einen Schluss bekommt dieser Handlungsfaden nicht. Und Bauspekulation inklusive Bestechung und politischer Einflussnahme lösen sich am Ende auch in Wohlgefallen auf.
 
Viel mehr Zeit widmen die Macher dem Teil ihres Films, der wohl lustig gemeint sein soll. Und so erinnern weite Strecken des Films an Komödien der Sechziger Jahre, in denen Heinz Erhardt oder Peter Alexander mit den Tücken irgendeines Objekts zu kämpfen hatten. Wir sehen Slapstick am Bau (Afrikaner und weiße Farbe = Brüller), Slapstick im Freibad (ein erwachsener Mann traut sich nicht vom Sprungturm zu springen = Lacher), Slapstick im Krankenwagen (ein Mann hat beide Arme in Gips, der andere beide Beine in Gips und zusammen fahren sie den Wagen = Doppellacher) und so weiter. Bei Slapstick kommt es aber vor allem aufs Timing an. Und Sinn für Timing lässt Rosenmüller weitgehend vermissen. Daher muss man schon sehr lange nicht mehr im Kino gewesen sein, um über diese Einlagen lachen zu können.
 
01 ©2021 LEONINE Studios02 ©2021 LEONINE Studios03 ©2021 LEONINE Studios04 ©2021 LEONINE Studios
 
Rosenmüller wollen aber auch keine komischen Bilder gelingen. Wenn einen das Bild eines jungen schwarzen Mannes mit Badekappe, Schwimmreifen UND Schwimmflügeln schon amüsiert, ist man bei Rosenmüller gut aufgehoben. Mehr fällt diesem Regisseur nämlich zu der Figur und ihrer Situation nicht ein. Schwarzer Mann mit Badekappe, Schwimmreifen UND Schwimmflügeln. Danach kommt nichts mehr. Freunde visueller Komik bekommen von Schwimmmeister Karl noch jede Menge „double takes“ geboten. „Double take“ nennt man es, wenn eine Figur etwas sieht, wegschaut, dann erst realisiert was sie gesehen hat und dann überrascht oder (in diesem Film meistens)fassungslos nochmal hinglotzt.
 
Wortwitz funktioniert in dieser Komödie auch nicht wirklich. Die Predigt eines genervten Pfarrers hätte witzig sein können. Aber auch für Wortwitz braucht es ein Gespür für Timing. Wenn Rosenmüller solches Gespür hätte, wäre er nicht eilig durch diese Szene gehetzt, sondern hätte dem Dialog und dem Darsteller etwas Zeit gegeben um Wirkung zu entfalten.
 
Dabei zeigt der Film zwischendurch immer wieder nette Ideen. Wenn der Schwimmmeister im leeren Freibad eine Tonbandkassette mit alten Aufnahmen des vollen Freibads laufen lässt, ist das reizend. In einer kurzen, sehr witzigen Sequenz, in der Karl versucht Unterschriften zu sammeln, hören wir wie nebenbei die lustigste Zeile des Films: „Du warst eben noch nicht bereit fürs Seepferdchen.“. Ein romantisches Abendessen mit Puzzle ist herzallerliebst geraten. Von dieser Liebesgeschichte hätten wir gern mehr gesehen.
 
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Aber Rosenmüller hat in seinem Film keine Zeit für diese seltenen Momente, die uns etwas zeigen, was wir nicht schon Tausende Male gesehen haben. Er will uns mit Altbewährtem unterhalten. Daher bekommen wir Polizisten die ins Schwimmbecken geschubst werden, Slapstick mit einem Rasentraktor, korrupte Bonzen die Porsche fahren, weltfremde Umweltschützer und so weiter und so bekannt. Im Verlauf einer Slapstick-Sequenz wird ein Unbeteiligter unbeabsichtigt geteert und gefedert. Diese Art von Film ist das.
 
Aber wir sehen hier nicht bloß Filmkomödie von gestern. Auch das bisschen dramatische Handlung erinnert an Heimatfilme vergangener Jahrzehnte. Der kaltherzige Vater sieht alles ein und eine Umarmung ersetzt ein paar Jahre Familientherapie. Der unsichere Status des Flüchtlings klärt sich. Wie genau, weiß niemand. Hauptsache alles ist gut. Die Bevölkerung des Dorfes interessiert sich plötzlich wieder für das Freibad. Warum ist schwer zu sagen. Modernisiert wurde das Freibad jedenfalls nicht. Da sei Gott vor, denn das Provinzielle muss erhalten werden und irgendwie war ja doch früher alles besser, oder?
 
„Das ist deutsche Romantik“
 
Milan Peschel kennen die meisten von uns aus „Der Nanny“. Wenn er nicht gerade in deutschen Komödien oder Kinderfilmen den Deppen gibt, zeigt er in Filmen wie „Der Hauptmann“ was für ein großartiger, dramatischer Schauspieler er ist. Gerade weil Peschel viel zu gut ist für die Rolle, die er spielt, für die Dialoge, die er sprechen muss und für die Grimmassen, die er schneiden muss, wertet er das schwache Material auf und rettet weite Teile des Films im Alleingang. Wenn er Luis de Funès‘ legendäres „Nein? Doch! Ooooh!“ zitiert, funktioniert sogar das.
 
Johanna Wokalek („Die Päpstin“, „Der Baader Meinhof Komplex“) ist nicht bloß zu gut für das schwache Material. Sie spielt in einer ganz anderen Liga. Jeder Filmemacher mit Sinn für Komik hätte ihrer Figur zusätzliche Szenen gewidmet.
 
Der junge Dimitri Abold spielt den Flüchtling Sali sehr sympathisch. Es ist sicher nicht seine Schuld, wenn seine Figur nur aus Klischees besteht. Die Figur des Sali besteht wenigstens aus Klischees. Die junge Schauspielerin Sarah Mahita („Bonnie & Bonnie“) muss eine Figur darstellen, die aus einer Zeitungsmeldung und zwei kurzen Gesprächen anderer Figuren besteht.
 
Ihre Rolle der ehemaligen Profischwimmerin ist nicht „underwritten“, sie ist praktisch „unwritten“. Mahita schlägt sich tapfer und darf in Zukunft darauf hoffen, Rollen zu spielen, an denen der Drehbuchautor echtes Interesse hatte.
 
Thomas Mraz („Bad Fucking“) führt eine Riege von herrlich schrägen Typen in Nebenrollen an. Wie auch in seinen früheren Filmen hat Rosenmüller hier ein Händchen fürs Casting gezeigt. Schade, dass er seinen Nebenfiguren in ihren Szenen nicht mehr Zeit zugestanden hat.
 
Auf eine von Rosenmüllers Casting-Entscheidungen hätte man auch verzichten können. Rick Kavanian ist in einer seiner üblichen Nebenrollen zu sehen. Wer Kavanians Arbeit kennt, weiß, seine Figur ist ein wandelndes Klischee und muss natürlich mit einem doofen Akzent sprechen. Diesmal ist es Schwäbisch oder sowas ähnliches. Am Ende darf er sogar quaken. Lustig ist das alles nicht.
 
Fazit
 
Ein bisschen Drama, ein bisschen Liebe, eine ordentliche Prise Spießigkeit und ganz viel Slapstick und Situationskomik wie anno dazumal ergeben einen kleinen gefälligen Film, der niemandem wehtut. Ein Film für Leute, die über einen Afrikaner in Badekappe, Schwimmreifen UND Schwimmflügeln schon lachen können.
 
 
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