“Heroin ist mein bester Freund. Mein einziger Freund, der mich nie verlassen hat”, sagt Junkie Spud in “T2: Trainspotting”.
Zwanzig Jahre ist es her, dass Regisseur Danny Boyle den Kultfilm “Trainspotting” in die Kinos brachte. Das Heroindrama mutierte zu einem Stück Popkultur, Boyle fing den Zeitgeist der 90er nicht zuletzt durch den ebenso zum Kult gewordenen Soundtrack ein. Die Songs “Lust for Life” der Punk-Legende Iggy Pop oder “Born Slippy” der Elektroband Underworld verliehen “Trainspotting” eine Coolness, die dem Film bis heute anhaftet.
Mit “T2: Trainspotting” kommen Mark “Rent Boy” (Ewan McGregor), Simon “Sick Boy” (Jonny Lee Miller), Daniel “Spud” (Ewen Bremner) und Franco Begbie (Robert Carlyle) wieder in der Originalbesetzung auf die Leinwand. Die Fortsetzung spielt genau zwei Jahrzehnte nach “Trainspotting”. Danny Boyle gelang mit dem Aufguss seines Kulthits eine Art Klassentreffen der Loser. Nicht nur seine Figuren schwelgen in Nostalgie, auch der Zuschauer wird wie durch eine Zeitkapsel immer wieder zwanzig Jahre zurückkatapultiert.
Statt Fäkalien gibt es Erbrochenes
Wir erinnern uns an Mark Renton - der smarteste im Bunde der Heroin-Junkies. Damals tauchte er in “die dreckigste Toilette Schottlands” ab, um Opiumzäpfchen aus einem Pool aus Fäkalien herauszufischen. Nach solchen einzigartigen Szenen, wie Rentons berühmt gewordenen Tauchgang in den Toiletten-Ozean sucht man vergeblich in “T2”. Kult lässt sich eben nicht wiederholen. Trotzdem erfreut man sich an den erneuten “Abenteuern” der Hauptfiguren - mittlerweile alle in ihren Vierzigern. Vor Ekel verschont uns Boyle auch diesmal nicht, gleich zu Beginn darf Mark bildgewaltig mit Spuds Erbrochenem Bekanntschaft machen.
Am Ende von “Trainspotting” bestahl Mark seinen Kumpel Simon und den psychopathischen Begbie. Nur den harmlosen Junkie Spud ließ er einen Anteil der Drogendeal-Beute zurück. Das Wiedersehen zwischen Mark, der nach einer gescheiterter Ehe aus Amsterdam nach Schottland zurückkehrt und seinem ehemaligen besten Freund Simon, läuft wie zu erwarten, nicht ganz friedlich ab. Für Spud, der sein Leben auch nach zwanzig Jahren nicht in die richtige Bahn rücken konnte, kommt Mark wie gerufen. Im letzten Moment kann Mark den kläglichen Selbstmordversuch seines Freundes verhindern.
Durch kurzweilig erzählte Szenen zu Beginn des Streifens gibt es ein Update wie die einstigen Drogenjunkies ihr Leben ge- bzw. verunstalteten. Begbie saß zwanzig Jahre im Knast, doch endlich kann er durch einen mehr oder minder gelungenen Fluchtplan, bei dem seine Leber dran glauben musste, entkommen. In “T2” ist die größte Gefahr für Mark, Simon und Spud nicht mehr das Heroin, sondern die Rachegelüste des irren Begbie, dessen Gewaltbereitschaft im Gefängnis scheinbar noch mehr angeheizt wurde.
Wiedersehen mit seinen alten Leinwand-Antihelden
Während Spud seine Ader für das Schreiben entdeckte, ist Sick Boy erfolgloser Pub-Besitzer geworden. Da das Ausschenken von Bier an genau einen wiederkehrenden Gast nicht besonders lukrativ anmutet, verdient er sich ein Zubrot als Erpresser von sexgeilen Ehemännern, mit Hilfe seiner bulgarischen Freundin Veronika (Anjela Nedyalkova). Gemeinsam planen sie die Eröffnung eines “Sauna”-Clubs, den Veronika als Puffmutter führen möchte. Ansonsten darf man nicht viel Handlung erwarten von “T2: Trainspotting”, doch darum geht es auch nicht.
Es geht um das Wiedersehen mit seinen alten Leinwand-Antihelden. Selbst Kelly Macdonald - sie spielte damals die 16-jährige Diane - bekommt einen kurzen Auftritt und sieht ihren ehemaligen Lover Mark wieder. Boyle schafft Nostalgie nicht allein durch ein Wiedersehen mit den Figuren des ersten Teils. Auch der phänomenale Soundtrack von “T2” erinnert immer wieder an den Kult von damals. Die Richtung der musikalischen Untermalung hat Boyle ebenso beibehalten wie die originellen Schnitte, die “Trainspotting” damals (und eben heute) eine eigene Handschrift verliehen.
Drogen spielen wohldosiert bei “T2” natürlich immer noch eine Rolle. Allerdings mehr im Rahmen von Sucht-Aufarbeitung oder als weißes Pülverchen in Sick Boys Nase. Rentboy ist zwar weg vom “Golden Brown”, doch Heroin hinterließ körperliche Spuren. Wie wir gleich zu Beginn erfahren, erlitt Ex-Junkie Mark einen Herzinfarkt. Witzigerweise ist es genau Mark-Darsteller Ewan McGregor, der am meisten von seinem jugendlichen Äußeren beibehielt - die Jahre waren gnädig mit ihm umgegangen.
Doch was bietet ‘“T2: Trainspotting” denjenigen Zuschauern, die den ersten Teil nicht gesehen haben und daher beim Kinobesuch nicht in Erinnerungen schwelgen? Womöglich eher wenig. Wie die meisten Fortsetzungen von erfolgreichen Kinofilmen, ist auch “T2” für Konsumenten des ersten Teils gemacht. In einer Szene sagt Simon zu Mark: “Du bist Tourist in deiner eigenen Jugend”. Es wirkt fast so, als würde er diesen Satz zu allen “Trainspotting”-Fans sagen.
Fazit
“T2: Trainspotting” ist Pflicht für alle Fans des ersten Teils. Zwar kann Danny Boyle den Kultstatus nicht erzwingen oder gar wiederholen, aber für ein Klassentreffen mit den berühmtesten Leinwand-Heroinjunkies reicht es allemal. Wer das Original noch nicht kennt, dem sei die Sichtung vor Kauf der Kinokarte anzuraten.
Achtung an alle Liebhaber von Originalversionen: auf Untertitel sollte man bei den Trainspotting-Filmen nicht verzichten. Selbst englischen Muttersprachlern dürfte das Schottisch der Darsteller, wie Chinesisch vorkommen...