*** Unheimlich Perfekte Freunde ***

upf kritik
 
Autor: Walter Hummer
      
In einer Zeit, in der so viele Eltern alles tun damit ihre Kinder in der Schule perfekte Leistungen zeigen, kommt ein Film über perfekte Kinder ins Kino. Schade, dass ihn vor allem Kinder und nur wenige Eltern sehen werden …
 
Teach your children well …
 
Frido ist ein ganz normaler Viertklässler. Nicht besonders gut in der Schule, verbringt er seine Zeit lieber mit seinen Freunden. Sein bester Freund Emil wird bald aufs Gymnasium gehen. Aber wenn Fridos Zensuren nicht bald besser werden, können die Freunde im nächsten Schuljahr nicht mehr die gleiche Schule besuchen. Da findet Frido in einem heruntergekommenen Siegelkabinett einen Zauberspiegel, der ihm sein „perfektes Ich“ zaubert. Dieser Doppelgänger kann nicht nur Grammatik, Mathe und Englisch. Er geht sogar gern in die Schule. Aber auch Emil hat seine Sorgen und wünscht sich eine bessere Version seiner selbst. Das kann nicht lange gutgehen …
 
Marcus H. Rosenmüller hatte 2006 seinen ersten Erfolg mit „Wer früher stirbt, ist länger tot“. Danach folgten unter anderem „Beste Zeit“, „Beste Gegend“ und „Die Perlmutterfarbe“. Sein „Sommer der Gaukler“ konnte nicht überzeugen. Und sein neuer Film „Trautmann“ schafft es auch nicht wirklich, uns die dramatische Geschichte der Vorlage näherzubringen. Vielleicht arbeitet Rosenmüller immer dann am besten, wenn er uns Geschichten von Heranwachsenden erzählt?
 
 
Rosenmüllers neuer Film ist sein erster „Kinderfilm“. Und gleich fällt auf, wie viele der immergleichen Fehler von typischen Kinderfilmen Rosenmüller vermeidet. Die Lehrerin ist kein Monster, sie nimmt die Schule bloß zu wichtig. Die Eltern sind keine Deppen, sie sind nur abgelenkt. Die Kinder sind keine Helden die selbstständig Kriminalfälle lösen, sondern bloß ganz normale Kinder.
 
Das alles zeigt uns Rosenmüller wie nebenbei, ohne uns zu belehren. Die Lehrerin ist über die erste richtige Antwort des perfekten Frido ehrlich erfreut. Die Eltern streiten im Bus und bemerken gar nicht, dass ihr Sohn allein ausgestiegen ist. Frido zögert zunächst zwar, holt aber dann doch seinen Doppelgänger aus dem Spiegel. Und als alles schön langsam schlimmer statt besser wird, hat er wie jedes normale Kind zunächst Angst.
 
Don’t you ever ask them why …
 
Leider hält der Film dieses Niveau nicht über seine ganze Laufzeit durch. Vor allem das Drehbuch von Simone Höft und Nora Lämmermann macht Rosenmüllers Gesamtleistung einen Strich durch die Rechnung. Nachdem der Spiegel jedem sein „perfektes Ich“ schenkt, ergibt es nicht viel Sinn, wenn Emils Doppelgänger ein aggressiver Dummkopf ist. Und wenn ein Besuch eines Gymnasiums in einer Tortenschlacht endet, ergibt das noch weniger Sinn.
 
Das muss auch Rosenmüller erkannt und an der Stelle aufgegeben haben. Anders ist nicht zu erklären, warum dieser sonst so kompetente Regisseur die Tortenschlacht so dilettantisch in Szene gesetzt hat. Wie für jede Schlachtszene, gibt es auch für die Inszenierung einer Tortenschlacht kinematografische Regeln. Und Rosenmüller missachtet fast alle. Wenn sich zum Beispiel Fridos Mutter plötzlich am Getümmel beteiligt, ist das nicht stimmig. Wenn sie aber plötzlich von der falschen Seite wirft, ist das einfach nur mies geschnitten. Und wenn man Filmfiguren schon Luftgitarre spielen lässt, dann bitte nur wenn sie den Soundtrack auch hören könnten. In Linienbussen läuft nämlich nur selten Musik.
 
01 ©2019 SquareOne Entertainment02 ©2019 SquareOne Entertainment03 ©2019 SquareOne Entertainment04 ©2019 SquareOne Entertainment
 
Teach your parents well …
 
Aber auch wenn der Film einiges falsch macht, so macht er doch noch einiges mehr richtig. Eine der Stärken des Films ist sicher die Besetzung. Luis Vorbach haben wir bereits in „Die kleine Hexe“ gesehen. Hier spielt er sowohl den wahren Frido als auch den perfekten Frido absolut glaubhaft.
 
Jona Gaenselen hat bisher auf der Bühne Erfahrung sammeln können. Emil, der bedauernswerte, begabte Sohn einer Helikopter-Mutter ist seine erste Rolle in einem Kinofilm. Man möchte man ihn am liebsten in den Arm nehmen, wenn er erklärt, dass er am selben Nachmittag noch zur Geigenstunde, zum Chinesischunterricht und zur Ergotherapie muss.
 
Margarita Broich („Das Tagebuch der Anne Frank“) zeigt eine ausgewogene Leistung als Lehrerin. Marie Leuenberger („Die Standesbeamtin“) hätte von einem besseren Drehbuch sicher profitiert. Ihre Figur der Mutter ist ein bloßes Gerüst einer Rolle.
 
Fridos und Emils Klassenkameraden werden durch die Bank von einer angenehm natürlich wirkenden Truppe von Nachwuchsschauspielern verkörpert. Die erwachsenen Nebendarsteller wirken neben ihnen vergleichsweise langweilig.
 
Butz Buse hat mit Rosenmüller u.a. in „Sommer in Orange“ und zuletzt in „Trautmann“ zusammengearbeitet. Nachdem den Drehbuchautoren offensichtlich unklar war, wie sie seine Rolle als Spiegelkabinettsbetreiber schreiben sollten und Rosenmüller nicht wusste, wie er sie inszenieren sollte, kann man Buse keinen Vorwurf machen, wenn seine Leistung im Film nur darin besteht einen Puppenkopf in die Kamera zu halten.
 
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Fazit
 
Der neue Film von Marcus H. Rosenmüller ist sicher nicht perfekt. Aber er vermittelt dem Publikum auf sympathische Weise, wie langweilig Perfektion sein kann. Wenn die Kinderschauspieler dabei sehr viel lebhafter und glaubwürdiger agieren als die erwachsenen Darsteller, passt das ja auch sehr gut zum Film.
 
 
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