Corona sei Dank laufen in unseren Kinos zurzeit Filme, die unter anderen Umständen wohl nie dort gelaufen wären. Und ja, es heißt „Corona sei Dank“ und nicht „Gott sei Dank“ …
Danke für diesen guten Morgen, …
Jeremy und Melissa lernen einander auf einem christlichen Bibelcollege kennen. Dort sind die beiden sicher gut aufgehoben, denn mit ihrem naiv kindlichen Glauben an den lieben Gott und ihrer unreifen Art hätte man sie auf jeder anderen Uni laut ausgelacht. Für Jeremy ist es Liebe auf den ersten Blick und das hat nur mit Melissas starken Glauben zu tun und rein gar nichts damit, dass sie aussieht wie die hübschere, jüngere Schwester einer Barbie. Jeremy ist ein christlicher Singer/Songwriter, hat bald Erfolg und alles könnte wunderbar sein. Aber dann wird bei Melissa Krebs diagnostiziert. Da kann nur noch der liebe Gott persönlich helfen …
In meinen Rezensionen zitiere ich gerne große Geister, wie Shakespeare, Churchill oder Oscar Wilde. Um das Niveau hoch zu halten und nicht etwa weil ich faul bin, zitiere ich hier aus meiner Besprechung von „Breakthrogh“ aus dem Jahr 2019: „Ähnlich wie christliche Rockmusik einfach keine echte Rockmusik oder wie christlichsoziale Politik keine wirklich soziale Politik ist, so sind auch christliche Filme für Leute die sich keinen Fisch hinten aufs Auto kleben einfach keine richtigen Filme.“ Daran hat sich seit dem letzten Jahr nichts geändert. Und deshalb ist auch „I still believe“ kein richtiger Film.
Und ganz sicher ist „I still believe“ kein Filmdrama. Für ein Drama braucht es einen Konflikt. Ohne Konflikt hat man kein Drama, sondern höchstens eine traurige Geschichte. Und diese Art christlicher Filme, die in den USA immer wieder und bei uns zum Glück höchstens einmal im Jahr ins Kino kommen, bieten nie irgendwelche Konflikte. Wie soll ein Konflikt entstehen, wenn der liebe Gott sowieso alles regelt?
Letztes Jahr in „Breaktrough“ gab es keinen Konflikt, weil die Mutter eines beinahe Ertrunkenen jederzeit aus tiefstem Herzen wusste, dass ihr alter Freund, der Allmächtige, ihren Sohn ohnehin retten würde. Ein Jahr davor gab es in „Genauso anders wie ich“ auch keinen Konflikt, als Renée Zellweger ihrem Mann Greg Kinnear rechtzeitig vor ihrem Ableben noch Djimon Hounsou als besten Freund gesucht hat. Und in „War Room“, in den USA einem der erfolgreichsten christlichen Filme aller Zeiten und bei uns gnädigerweise nie im Kino gelaufen, gab es auch keinen Konflikt, weil die geprügelte Ehefrau bloß mehr und richtig beten lernen musste und schon hat der Mann aufgehört sie als Sandsack zu benutzen (und nein, das letzte Beispiel habe ich mir nicht ausgedacht).
Danke für jeden neuen Tag, …
Und in „I still believe“ gibt es keinen Konflikt, weil es egal ist ob die junge Frau an Krebs stirbt oder nicht. Es ist ohnehin alles Gottes Plan und uns Menschen steht es nicht zu, seinen Plan in Frage zu stellen. So funktionieren das Leben, das Universum und der ganze Rest nämlich … also zumindest in diesem Film. Wie soll die Liebesgeschichte in der ersten Hälfte für den Zuseher interessant sein, wenn die Protagonisten wissen, Gott wollte dass sie zusammenkamen? Und wieso soll es uns interessieren, ob die junge Frau am Leben bleibt, wenn sie selbst bald vermutet, Gott hätte sie für etwas Größeres bestimmt?
Klar, der junge Mann hadert wenige Minuten mit seinem und dem Schicksal seiner Frau und zerschlägt seine Gitarre. Aber diese Szene ist keine echte Glaubenskrise, sondern eher eine Hommage an „Animal House“. Die Art von Glauben, die in diesem Film gezeigt wird, ist ja auch gar kein „Glauben“ im klassischen Sinne des Wortes. Es ist mehr ein „Wissen“, weil die Protagonisten nicht „glauben“ sondern tatsächlich „wissen“, dass der Herrgott immer da ist und ohnehin alles besser weiß. Und weil Gewissheit und Zweifel einander ausschließen, kann es auch keine Glaubenskrise geben.
Die Macher dieses Nicht-Films, Andrew und Jon Erwin, sind auf der anderen Seite des Atlantiks als die „Erwin Brothers“ bekannt. Sie sind für christliche Filme das, was die Coen-Brüder für skurrile Komödien und schräge Dramen sind … oder die Wachowski-Geschwister für prätentiöse Science-Fiction-Filme. Diese „Erwin Brothers“ haben bisher nicht weniger als 3 dieser christlichen Dramen und sogar eine christliche Komödie gedreht, die bei uns zum Glück alle nicht im Kino liefen. Aber in Zeiten von Corona werden die internationalen Starts echter Filme immer und immer wieder verschoben. Und so bekommt das deutsche Publikum eben das was gerade da ist.
Als vernünftiger Erwachsener, der nicht diese kindliche Art von Glauben hegt, kann man die handwerkliche Qualität diesen Nicht-Films bemerken. Die Brüder Erwin wissen was sie tun. Sie drücken geschickt auf die Tränendrüse, lassen den Helden schmalzige Liebeslieder für seinen Herrgott singen und liefern eine ansehnliche Fallstudie über Filmkrebs. Filmkrebs ist diese spezielle Art von Krebs, bei der Patienten zwar Schmerzen haben, aber nur manchmal und dann auch nicht so schlimm. Filmkrebspatienten kann man leicht daheim pflegen, weil sie nie ins Bett machen oder kotzen oder heulen und schreien, weil sie gerade unter furchtbaren Scherzen langsam sterben müssen.
Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag
Mit Filmkrebs kann man als Angehöriger leicht umgehen. Vielleicht gibt sich deshalb der junge noch recht unbekannte Hauptdarsteller K.J. Apa gar keine Mühe, seine Figur mal traurig, verzweifelt oder auf andere Art belastet darzustellen. Sein Jeremy muss vor allem gut aussehen. Küssen darf er die Hauptdarstellerin zwar erst nach 45 Filmminuten und dann erst wieder nach dem Heiratsantrag weil das ein christlicher Film ist. Aber dafür muss er sich sonst nicht groß anstrengen.
Und auch bei der Darstellung einer Filmkrebs-Patientin gibt es nicht viel mehr zu tun, als hübsch zu sein. Gut, die Hauptdarstellerin muss auch mit kurzen Haaren hübsch sein. Immerhin hat ihre Figur im Verlauf der Handlung eine zweiminütige Chemotherapie überstanden. Aber Britt Robertson („Tomorrowland“) hat einen guten Friseur und meistert diese Hürde problemlos.
Warum Gary Sinise („Forrest Gump“, „Apollo 13“) sein Talent in diesem Machwerk verschwendet muss er selbst wissen. Er beschert uns die einzige Szene, die beinahe an einen echten Film erinnert. Sängerin Shania Twain spielt die Mutter des Helden und liefert ihre Klischees tapfer ab.
Fazit
Wer zu Beginn der Corona-Pandemie Toilettenpapier und Hefe gehortet hat, kann jetzt etwas noch Dümmeres anstellen und sich eine Kinokarte für „I still believe“ kaufen. Alle anderen sind besser bedient wenn sie spazieren gehen, Freunde treffen, Masken nähen, ein bisschen beten oder Farbe beim Trocknen zuschauen.