Red is a lucky color
Die animierten Figuren wirken vielleicht nicht hyperrealistisch wie in „Die Unglaublichen 2“ oder „Soul“. Aber vielleicht wirken sie gerade deshalb umso zugänglicher. Jedes Kind kann jede der Figuren leicht identifizieren. Aber was noch wichtiger ist, jedes Kind kann sich selbst mit fast jeder der Figuren leicht identifizieren.
Wo andere Animationsfilme bloß Hintergründe zeigen, bewegen sich die Figuren in Pixar-Filmen in und durch ihre Umgebungen. Orte wie Mei Lees Zimmer, ihr Zuhause, ihre Schule, der Bus mit dem sie fährt aber auch ein Tempel und eine Veranstaltungshalle wirken schnell vertraut und liefern natürliche Umgebungen für die Figuren und homogene Settings für die Handlung. Man meint fast, Toronto im Verlauf des Films ein bisschen kennengelernt zu haben.
Natürlich ist Domee Shis erster Spielfilm nicht gleich perfekt. Mir ist zum Beispiel unklar, warum der Film im Jahr 2002 spielen muss. Die junge Regisseurin und Co-Autorin ist Jahrgang 1989 und war damit 2002 dreizehn Jahre alt, genauso alt wie Mei Lee im Film. Aber Bilder von gebrannten CDs, Tamagotchis und Klapphandys haben mich während des Films mehr als einmal abgelenkt. Sie könnten das jüngere Publikum verwirren und wären gar nicht nötig gewesen. Der Film hätte ebenso funktioniert, wenn man die Handlung in der Gegenwart angesetzt hätte. Hier ist „Rot“ etwas zu autobiografisch geraten.
Ich selbst habe den Film in der englischsprachigen Originalversion gesehen und möchte diese Fassung jedem Filmfan ans Herz legen. Der unbekannten, jungen Rosalie Chiang gelingt es mit ihrer Stimme wunderbar die fast schon arrogante Selbstsicherheit Mei Lees am Anfang ebenso zu vermitteln wie ihre Besorgnis und manchmal Panik im weiteren Verlauf des Films.
Sandra Oh („Sideways“) klingt großartig herrisch als überprotektive Mutter, die niemals auch nur daran denken würde, die eigene Wahrnehmung und ihre Handlungen in Frage zu stellen und daher gar nicht merkt, wieviel Schaden sie anrichtet. Auch die Nebenrollen sind großartig besetzt. Eine junge Dame namens Maitreyi Ramakrishnan liefert ihre Gags dermaßen trocken, dass es staubt. In der deutschen Version sind u.a. Collien Ulmen-Fernandes und Christina Ann Zalamea („Raya und der letzte Drache“) zu hören.