Cameron hat als Regisseur Mühe, seinem Film eine Richtung zu geben. Die Haupthandlung verschwindet während des Films immer wieder für längere Zeit im Hintergrund. Wenn sie dann wieder in den Vordergrund tritt, erinnert man sich „Ach ja, die suchen den ja immer noch!“. Viel zu selten besinnt Cameron sich auf das, was er gut kann: nämlich Action.
Selbst während der (natürlich ebenfalls viel zu langen) Endschlacht geht es mal um diese, mal um jene Gruppe von Protagonisten. Mal ist jenes gerade wichtig, mal dieses. Das Schiff darf nicht angegriffen werden, weil sich Geiseln darauf befinden. Kurze Zeit später wird das Schiff angegriffen. Aber befinden sich die Geiseln nicht immer noch auf dem Schiff? Eine Figur soll unter Wasser nicht den USB-Anschluss in ihrem Zopf benutzen, weil das schlimme Konsequenzen hätte. Stunden später stöpselt sie ihren Zopf in irgendwelche Riesenanemonen und alles läuft glatt.
Aber immer wieder zeigt der Meister dann doch, was er mal draufhatte. Eine Sequenz in der eine Figur von einem Haifischdinosaurier mit dreiteiligem Kiefer gejagt wird, ist extrem hochwertig inszeniert. In der ersten Hälfte der Endschlacht mischt ein hochintelligenter Riesenwal mit fünfteiligem Kiefer (Cameron muss sich immer selbst übertreffen) das Geschehen auf und verhindert wenigstens teilweise ein typisch generisches Blockbuster-Finale.
Aber so toll die Action auch ist, fallen die die entsprechenden Szenen dann doch immer wieder zu lang aus. Die finale Schlacht dauert ewig. Und so wunderschön all die glitzernde Fauna und Flora (diesmal auch unter Wasser, siehe Titel) von Pandora auch anzusehen ist, irgendwann hat man genug davon gesehen. Und wenn man schon von den hervorragenden Teilen des Films irgendwann genug bekommt, ist das bei den weniger gelungenen Teilen noch früher der Fall.
Die Dialoge sind zunächst zum größten Teil überflüssig, weil sie nur erklären was wir gerade sehen. Irgendwann werden die Dialoge langweilig. Spätestens wenn sogar unter Wasser in Zeichensprache gesprochen wird, werden die Dialoge nervtötend. Kommentare aus dem Off waren immer schon vor allem eine Krücke fauler Filmemacher. In diesem Film spricht nicht nur die Hauptfigur immer wieder aus dem Off. Sogar Nebenfiguren dürfen irgendwann einfach aus dem Off reinquatschen. Und das was sie zu sagen haben, ist leider kaum besonders interessant.
Why so blue?
Keine der Figuren macht eine echte Entwicklung durch. Keine der Figuren wächst uns irgendwann ans Herz. Man kann sich mit keiner der Figuren in unterschiedlichen Blautönen identifizieren. Am sympathischsten wird uns irgendwann der intelligente Riesenwal. Die aufrecht gehenden Figuren lassen uns alle kalt. Und vor allem die weiblichen Figuren sind alle Klischees.
James Cameron, der Mann der in seinen Filmen zwei der großartigsten Heldinnen der Kinogeschichte zum Leben erweckt hat, liefert hier Frauenfiguren, die bloße Klischees sind. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft Zoe Saldanas Figur mit hysterischem Schluchzen reagiert. Sollte Neytiri nicht eine Kriegerin sein? Und warum eine profilierte Darstellerin wie Kate Winslet einige Jahre ihrer Karriere opfert, um die blaue Version einer Frauenfigur aus einer Seifenoper zu spielen, ist mir komplett unklar.
Üblicherweise schreibe ich am Ende einer Rezension ein paar Zeilen über die Einzelleistungen der Darsteller*innen. Aber das wäre hier komplett witzlos. So wie alle Hintergründe CGI sind, wurden alle Figuren bloß in Motion Capture-Technik gedreht. Im Pressetext nennt man das zwar hartnäckig „Performance Capture“, weil angeblich „nicht nur Bewegungen eingefangen wurden sondern auch Emotionen“. Aber tatsächlich ist „Avatar – The Way of Water“ praktisch ein Animationsfilm.
Vielleicht liegt das auch in Camerons Absicht. Wenn man sich nicht lange mit Darsteller*innen und deren Arbeit, mit der Handlung und den Figuren aufhalten muss, hat man mehr Zeit für technische Spielereien und kann den Film noch hübscher, bunter und spektakulärer aussehen lassen. Man kann noch mehr Action zeigen. Man kann noch mehr glitzerndes Getier herumfliegen, -laufen und –schwimmen lassen. Und das alles in 3D.
Filme wie diesen sieht man sich nicht wegen der Handlung, der Figuren oder der Darsteller*innen an. Man sieht sie sich überhaupt nicht wirklich an. Man lässt sich von den Bildern und der Action auf der Leinwand beeindrucken. Allerdings stellt sich die Frage, ob man dafür Dreizehn Jahre auf James Cameron warten musste? Denn jede Menge Filme von Marvel und anderen Studios haben uns während der letzten Dreizehn Jahre mehrmals pro Jahr immer wieder mit ihren Bildern und ihrer Action beeindruckt.