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Kritik: Sachertorte

 
dfdh kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Romantische Komödien fallen oft ziemlich formelhaft und langweilig aus. Und bei Culture-Clash-Filmen ist das kaum jemals besser. Aber es gibt Ausnahmen ...
 
Herr Before Sunrise ...
 
Karl trifft in Berlin die attraktive Nini aus Wien und verliebt sich prompt in sie. Leider verliert er ihre Telefonnummer. Weil er aber weiß, dass sie jedes Jahr an ihrem Geburtstag um 15:00 Uhr im Café des Hotel Sacher eine Sachertorte ißt, beschließt er, nach Wien zu ziehen, um jeden Nachmittag dort auf sie zu warten. Aus Nachmittagen werden Wochen und aus Wochen werden Monate. Und im Verlauf der Zeit passiert so einiges ...
 
Romantische Komödien sind vermutlich eines der ältesten Filmgenres überhaupt. Erst kam der Western, dann das Historische Drama und dann vermutlich schon die romantische Komödie. Bereits Buster Keaton, Charlie Chaplin und andere Stummfilmstars erlebten komische Verwicklungen, während sie ihre Angebeteten suchten.
 
Und Culture-Clash-Komödien sind so alt wie der Tonfilm. Schon „Der Kongress tanzt“, der teuerste UFA-Film der Weimarer Republik, beschrieb die Abenteuer eines Fremden auf Besuch in Wien. Danach wurden ausgerechnet im Dritten Reich immer wieder Komödien wie „Liebe streng verboten“ über „Piefkes“ in Wien produziert. Was kann „Sachertorte“ Neues zu bieten haben?
 
 
Das Drehbuch von Robin Getrost („Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“) und Stephanie Leitl folgt zunächst einmal bekannten Mustern. Aber dann passiert womit niemand rechnen konnte: die Nebenfiguren in einer romantischen Komödie sind keine bloßen Stichwortgeber, sondern entpuppen sich als echte Charaktere. Wenn dann noch der Ort der Handlung keine bloße Kulisse bleibt, sondern wirklich zu einem wesentlichen Teil der Geschichte wird und die kulturellen Unterschiede nicht nur für billige Lacher gut sind, hat uns amazon ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk gemacht.
 
Tine Rogoll war bisher vor allem als Second Unit Director oder Regieassistentin tätig. Dabei hat sie bei mehreren Filmen mit Detlev Buck zusammengearbeitet. Buck ist einer der besten Filmemacher des deutschen Sprachraums, wenn es darum geht, Genrefilmen einen gewissen Schliff zu verleihen, alte Muster mit einem eigenen Drall zu versehen und eine simple Auftragsarbeit hochwertig umzusetzen. Und Tine Rogoll hat sich bei Buck einiges hervorragend abgeschaut.
 
Das kann ihr nicht schwer gefallen sein, hat sie doch das hervorragende Auge einer echten Filmkünstlerin. Seit „Before Sunrise“ wurde Wien als Schauplatz kaum jemals so bezaubernd und doch immer realistisch und modern in Szene gesetzt. Wer Wien kennt, wird den Film schon mal deshalb zu schätzen wissen. Wer Wien noch nicht kennt, wird nach diesem Film vielleicht ein Ziel für seine nächste Städtereise haben.
 
Aber Rogoll hat nicht nur ein gutes Auge, sondern ein mindestens ebenso gutes Ohr. Statt Schauspieler*innen einfach Dialogzeilen aufsagen zu lassen, lässt sie uns interessante Charaktere kennenlernen , die dann intelligente, realistisch klingende Gespräche führen. In diesem Film zitiert eine Nebenfigur schon mal ganz nebenbei Erich Fried und erklärt den Gesprächspartnern und damit dem Publikum trotzdem nicht gleich, dass es sich hierbei um ein Gedicht handelt und von wem es stammt. Hier führen echte Menschen echte Gespräche. Und diese drehen sich um die Haltbarkeit von Macarons, Opern, soziale Netzwerke, die Verlässlichkeit alter PKWs und viele weitere Themen.
 
In diesem Film müssen uns die handelnden Personen auch nicht dauernd erklären, wie sie sich fühlen. Nein, wie bekommen tatsächlich zu sehen, wie es den Figuren auf der Leinwand, ... pardon, dem Bildschirm geht. Wenn ein junger Mann während der Fahrt mit dem Riesenrad plötzlich wieder an seinen Termin um 15:00 Uhr erinnert wird und fragt, „Wie lange fährt denn das Ding noch?“, können wir an seiner Haltung und der einer jungen Frau erkennen, was gerade in den beiden vorgeht.
 
Tine Rogoll lässt aber auch Sinn für auch Tempo und Timing erkennen. Die Dialoge klingen unter anderem deshalb so gut, weil sie flott vorgetragen werden. Witzige, kleine Gags über die Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich oder Berlin und Wien kommen schnell und fordern die Aufmerksamkeit des Publikums. Eine willkommene Abwechslung für Filmfans, die mittlerweile an Filme gewöhnt sind, in denen alle Pointen erst elendslang aufgebaut und dann zur Sicherheit noch drei- oder viermal wiederholt werden.
 
... sucht Frau Sachertorte
 
Und auch das Allerwichtigste hat sich Tine Rogoll bei Detlev Buck abgeschaut. Je hochwertiger die Besetzung, umso besser der Film. Selbst kleine Nebenrollen, wie die von drei WG-Bewohnern, sind großartig besetzt. Die drei noch recht unbekannten Darsteller Sebastian Jakob Doppelbauer, Paul Basonga und Pascal Giefing spielen so bunt und interessant wie das Leben in Wien selbst ist.
 
Richtiggehend verschwenderisch geht Rogoll mit schauspielerischem Talent um. Bugschauspieler*innen Maria Happel und Cornelius Obonya sind ebenso in kleinen Nebenrollen zu sehen, wie Hilde Dalik („Vorstadtweiber“). In der Rolle von Karls Bruder sehen wir Samuel Koch. Und Detlev Buck wird auch eingesetzt.
 
Im Hotel Sacher berühren uns die Darstellungen eines weiteren Burgschauspielers, Karl Fischer, und die von Ruth Brauer-Kvam, die immerhin Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt ist. Die durch die Bank guten Leistungen der anderen Nebendarsteller*innen verblassen aber neben der von Krista Stadler in der Rolle einer erfahrenen Tischnachbarin.
 
Max Hubacher hat uns vor fünf Jahren in „Der Hauptmann“ die Entwicklung von einem verängstigten Deserteur zu einem Monster vermittelt. In „Sachertorte“ lässt er uns miterleben, wie seine Figur lernt, dass man die Liebe nicht suchen kann, weil sie einen von ganz allein findet.
 
Der Star des Films ist aber die junge, noch recht unbekannte Maeve Metelka. Wenn der Held des Films mehr als 100 Tage braucht, um sich zu verlieben, sind wir es bereits nach wenigen Szenen. Mit ihrem frischen, natürlichen Charme erinnert Metelka an die junge Kate Winslet. Man kann nur hoffen, die bezaubernde Schauspielerin demnächst öfter auf der Leinwand zu sehen.
 
Fazit
 
Natürlich fallen Genrefilme in aller Regel formelhaft aus. „Sachertorte“ ist da keine große Ausnahme. Aber langweilig ist dieser Film kein Bisschen. Mit seiner hochwertigen Produktion und vor allem der großartigen Besetzung übertritt dieser Erstling die Grenzen seiner Genres.
 
 
Link zum Film >> dplus b