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*** Die wundersame Welt des Louis Wain ***

 
dfdh kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Louis Wains Wahrnehmung und sein Verstand funktionierten anders als bei anderen Menschen seiner Zeit. Und auch der Film über sein Leben versucht anders zu funktionieren als andere Filme.
 
This is a true story
 
Louis Wain ist ein exzentrischer junger Mann aus besserem aber verarmten Hause im viktorianischen England. Mit seinen genialen Illustrationen hält er sich, seine Mutter und seine fünf Schwestern finanziell mehr schlecht als recht über Wasser. Eines Tages verliebt er sich in Emily, die Gouvernante seiner jüngeren Schwestern. Nach einer nicht standesgemäßen Heirat verbringt das junge Paar eine glückliche Zeit, die nicht von Dauer sein soll …
 
Louis Wains Gedanken gingen offensichtlich immer in viele Richtungen, die meisten davon waren für andere Menschen nur schwer nachvollziehbar. Ähnliches könnte man über Will Sharpes Film behaupten. Wain wollte seine philosophischen Ideen über Elektrizität umsetzen und hatte Erfolg mit niedlichen Katzenbildern. Sharpes Film will das Psychogram eines unkonventionelle Geistes sein und funktioniert noch am besten als nette viktorianische Liebesgeschichte.
 
 
Regisseur und Autor Will Sharpe und sein Co-Autor Simon Stephenson haben bisher vor allem für das Fernsehen gearbeitet. Die Teile des Drehbuchs, die uns die Liebesgeschichte zwischen Swain und Emily erzählen, funktionieren noch am besten. Doch wirkt auch hier vieles ungeschickt. Wir sollen die beiden Liebenden als besondere und für ihre Zeit ungewöhnliche Charaktere wahrnehmen. Aber zunächst agieren sie vor allem verwirrt und mehr als einmal auch ein bisschen dümmlich. Im 19. Jahrhundert hätte keine Dame jemals eine Herrentoilette betreten, egal wie verliebt sie war.
 
Den Filmemachern gelingt es nicht recht, dem modernen Publikum das skandalöse an Swains Heirat zu vermitteln. Das anschließende Glück wirkt nett aber bieder. Und es fällt ohnehin kurz aus. Emily erkrankt an typischem Filmkrebs. Das ist weltweit die einzige Krebsart, bei der Patienten nur manchmal Schmerzen haben und dann auch selten wirklich schlimm. Filmkrebspatienten sehen immer lange Zeit sehr gesund aus und werden gegen Ende dann bloß ein bisschen blasser. Wichtigstes Symptom von Filmkrebs ist plötzliche Weisheit. Nachdem die Weisheiten mit den Angehörigen geteilt werden, sterben die Patienten dann ebenso schnell wie friedlich.
 
Sollte ich mal an Krebs sterben, wird das nach all den Filmen, die ich in meinem Leben gesehen habe, sicher doppelt anstrengend für meine Familie. Ich werde ständig irgendwelche tiefen und profunden Einsichten zum Leben, zum Universum und zum ganzen Rest von mir geben. Und meine arme Frau und meine Töchter werden alle Hände voll zu tun haben, mir zu erklären dass ich einfach bloß krank bin aber davon abgesehen immer noch der gleiche Trottel wie vorher („Du hast nur Krebs, Papa. Davon wirst Du nicht schlauer! Was Du da erzählst ergibt noch immer keinen Sinn! Nimm einfach die Tabletten.“).
 
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Aber ich schweife ab. Emilys Krankheit und langsamer Abschied wird in hübschen Bildern gezeigt. Das Licht wirkt in diesen Szenen durchaus ansprechend. Einzelne Bilder geraten aber fast kitschig. Die visuelle Gestaltung des Films fällt sehr uneinheitlich aus. Manche Szenen sind überaus liebevoll gestaltet. Wenn Louis Einsamkeit einer lustigen Reisegesellschaft in einem Zug gegenüber gestellt wird, wirkt das aber reichlich plump. Auch Kindheitserinnerungen oder eine Episode auf einem Golfplatz fallen wenig subtil aus. Als Psychogram scheitert der Film weitgehend.
 
I have failed
 
Teilweise kann man erkennen, wie Sharpe den Stil von Louis Wains Zeichnungen filmisch aufgreifen wollte. Das funktioniert aus zwei Gründen nicht. Sharpe hat sich übernommen. Er ist einer dieser Regisseure, die genau wissen was sie wollen aber nicht was sie können. Und kaum jemand kennt Louis Wain und sein Werk heute noch. Sharpe schafft es nie so richtig, uns das Besondere an Wains Arbeit zu vermitteln. Es wird zwar viel über die Bilder gesprochen, aber es wird uns nicht recht gezeigt, warum diese damals so speziell waren.
 
„Die wundersame Welt des Louis Wain“ (der Originaltitel „The Electrical Life of Louis Wain” lässt vermuten, dass dem deutschen Verleih Elektrizität immer noch wundersam vorkommt) ist ein sehr dialoglastiger Film. Für einen Film über einen visuell arbeitenden Künstler wird uns nur wenig in Bildern vermittelt. Das Bild eines Steins auf dem Nachttisch einer Sterbenden bildet eine der wenigen Ausnahmen. Wenn an anderer Stelle gleichzeitig Badminton und Krocket gespielt wird, wirkt das Bild des Gartens vor allem überladen.
 
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Benedict Cumberbatch spielt einen Exzentriker. Nach „Sherlock“, „The Imitation Game”, “Inside Wikileaks” und seinen verschiedenen Auftritten als „Dr. Strange“ muss das ja eine enorme Herausforderung für ihn gewesen sein. Cumberbatch ist offensichtlich ein Schauspieler, der unbedingt einen kompetenten, entschlossenen Regisseur braucht. Seine Darstellung hier wirkt wahllos und teilweise alles andere als subtil.
 
Claire Foy ist entzückend als verliebte Gouvernante und bezaubernd als siechende Ehefrau. Aber sie hat in Projekten wie „Unsane“ oder „The Crown” gezeigt, dass sie mehr kann, als entzückend und bezaubernd zu sein.
 
Toby Jones („Captain America“, „Atomic Blonde“) spielt eine Rolle, wie er sie schon Dutzende Male gespielt hat. Andrea Riseborough („Oblivion“) spielt die älteste Schwester als Chargenrolle. Kompetente Darsteller und Prominente wie Richard Ayoade, Taika Waititi und Nick Cave sind in unergiebigen Nebenrollen zu sehen.
 
Im Original trägt die große Olivia Colman („The Favourite“, „The Father“) den Off-Text vor. Vielleicht hat sie bei den Dreharbeiten zu „Flowers“ eine Wette an Regisseur Will Sharpe verloren.
 
Fazit
 
Dieser Film will zu viel und erreicht zu wenig. Wie seine Hauptfigur, hat er Schwierigkeiten, sich auf ein Thema zu konzentrieren. Eine gefällige visuelle Gestaltung und die hochkarätige Besetzung können nicht alle Schwächen des Films ausgleichen..
 
 
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