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Kritik: Monkey Man

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Autor: Christopher Diekhaus
 
Wenn Schauspieler den Regiestuhl kapern, kommen dabei nicht immer gnadenlos gute Filme heraus. In seinem Debütwerk zeigt „Slumdog Millionär“-Star Dev Patel aber, dass er weiß, was er tut.
 
Affenmann sieht rot
 
Dass es seine Erstlingsarbeit „Monkey Man“ überhaupt auf die großen Leinwände schafft, ist gar nicht mal so selbstverständlich. Denn ursprünglich war der Rachethriller beim Streaming-Riesen Netflix beheimatet. Dann jedoch soll, so wird berichtet, Horrorexperte Jordan Peele (Drehbuch-Oscar für „Get Out“) den Film gesehen und für so gut befunden haben, dass er ihn unbedingt ins Kino hieven wollte.
 
Zusammen mit seinem Partner Universal erwarb er schließlich die Rechte an der Actionmär und sorgt nun für einen breitflächigen Start. „Gut so!“, möchte man den Verantwortlichen zurufen, da „Monkey Man“ eine solche Veröffentlichung verdient hat. Erzählerisch mag Dev Patel, der auch am Drehbuch mitschrieb, noch etwas üben müssen. Inszenatorisch beeindruckt er aber allemal. Und nicht nur das. In der Titelrolle sieht man ihn so entfesselt wie nie zuvor.
 
 
Anfangs tritt uns Patels Kid bei einer illegalen Kampfveranstaltung als eine Art Fußabtreter gegenüber. Sein Gesicht unter einer Gorillamaske verbergend, bekommt der durchtrainierte junge Mann im Ring von anderen Fightern ordentlich eins auf die Nase. Promoter Tiger (wunderbar schmierig: Sharlto Copley) zahlt ihm kleines Geld dafür, dass er sich immer und immer wieder zusammenschlagen lässt. Hat es zunächst den Anschein, Kid wolle sich bloß irgendwie über Wasser halten, wird sehr schnell klar: Er verfolgt ein Ziel. Der Mord an seiner Mutter Neela (Adithi Kalkunte), die in Rückblenden regelmäßig präsent ist, nimmt ihn gefangen und führt ihn auf eine unheilvolle Vergeltungsmission.
 
Mit einem Trick erschleicht er sich einen Aushilfsjob im Luxusclub der knallharten Queenie (Ashwini Kalsekar), wo sich die korrupte Elite der fiktiven indischen Großstadt Yatana die Klinke in die Hand gibt. Einer der Besucher ist Polizeichef Rana (Sikandar Kher), Neelas Mörder, der für den machthungrigen, aber friedvoll auftretenden Guru Baba Shakti (Makarand Deshpande) Drecksarbeit erledigt. Als Kid dem Cop mit einer Waffe in der Toilette auflauert, läuft sein Racheplan völlig aus dem Ruder.
 
Schon die Kampfszenen im Ring haben eine enorme Intensität. Während das angestachelte Publikum schreit und gestikuliert, prallen auf der Bühne Körper mit voller Wucht aufeinander. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die fiebrige Inszenierung, die uns nur selten Zeit zum Durchpusten lässt. Als stünde er unter Dauerstrom, bewegt sich der traumatisierte Protagonist durch das düster funkelnde Großstadtsetting und scheint die Kamera mit seiner Rastlosigkeit zu infizieren. Schnelle Schnitte und pulsierende Klänge tun ihr Übriges, um einen permanenten Unruhezustand zu erzeugen. Dev Patels irrlichternde Augen zeugen von unermesslichem Schmerz und einer Anspannung, die seine Figur nur schwer unter Kontrolle halten kann.
 
01 ©2024 Universal Pictures02 ©2024 Universal Pictures03 ©2024 Universal Pictures06 ©2024 Universal Pictures
 
Dass „Monkey Man“ stellenweise gewaltige Sogkraft entwickelt, liegt auch an den knallhart-mitreißenden, manchmal fast improvisiert wirkenden Actionsequenzen. Nahkämpfe und Verfolgungsjagden haben eine physische Qualität, atmen eine Unmittelbarkeit, die man in Zeiten computergenerierten Bilder gar nicht mehr so oft zu sehen bekommt. „John Wick“, ein Genremeilenstein der jüngeren Vergangenheit, wird an einer Stelle explizit erwähnt und ist sicherlich ein guter Referenzpunkt. Patels Debüt muss sich vor dem furiosen Actionparcours mit Keanu Reeves nämlich nicht verstecken.
 
Erinnert fühlt man sich außerdem an Martin Scorseses infernalisches Identitätsdrama „Taxi Driver“, in dem Robert De Niro als angeknackster Vietnamveteran in den Straßen New Yorks aufzuräumen beginnt. Kid hat zwar eine andere Motivation für seinen Rundumschlag.
 
In seiner Getriebenheit ist er dem Taxifahrer aber gar nicht unähnlich. Gut möglich, dass sich Patel deshalb in einer Szene ganz konkret vor dem 1970er-Jahre-Klassiker verneigt. Dann nämlich, als der von ihm gespielte junge Mann, während er durch ein Bordell stolpert, einem kleinen Kind zur Flucht verhilft. Bekanntermaßen versteift sich der Antiheld bei Scorsese irgendwann darauf, eine minderjährige Prostituierte aus den Klauen ihres Zuhälters zu befreien.
 
Im Kern schildert „Monkey Man“, wie so viele „Ein Mann sieht rot“-Verschnitte, eine einfache Geschichte. Indem der Film einen kritischen Blick auf politische und gesellschaftliche Zustände wirft und im Mittelteil ins Mythologische ausgreift, hebt er sich jedoch von geradlinig-anspruchsloser Actionware ab. Der unter der aktuellen indischen Regierung propagierte Hindu-Nationalismus spiegelt sich unverkennbar in der Figur Baba Shaktis wider.
 
Seine Worte mögen milde klingen. Minderheiten haben in seinen Vorstellungen aber keinen Platz. Menschen wie die sogenannten Hijras, die Kid nach seinem verpatzten Mordanschlag Unterschlupf gewähren und ihm helfen, sich zu finden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Mit dieser Tempelgemeinschaft, deren Mitglieder sich weder als Frauen noch als Männer sehen, zeigt der Film eine Seite der indischen Gesellschaft, die vielen westlichen Zuschauern unbekannt sein dürfte.
 
Bei aller Freude über die Ambitionen Patels und seiner Mitstreiter muss man allerdings konstatieren, dass „Monkey Man“ seine verschiedenen Elemente – politische Kommentare, knackige Racheaction und die mythologisch aufgeladene Geburt eines Kämpfers der Entrechteten – nicht ganz überzeugend zusammenbringt. Manchmal greift der Film etwas zu kurz, reißt Gedanken nur an, obwohl sie mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.
 
Einige Ausflüge ins Satirische irritieren angesichts einer düster-brodelnden Grundstimmung. Und was die Flashbacks zu Kids Mutter betrifft: Weniger wäre da sicher mehr gewesen. Irgendwann dürfte auch der Letzte im Publikum verstanden haben, wie schwer der Mord den Protagonisten getroffen hat. Problematisiert wird sein brachialer Selbstjustizweg, wie in fast allen Rachethrillern, übrigens nicht. Als Drehbuchautor hat Dev Patel auf jeden Fall noch Luft nach oben.
 
Fazit
 
In seinem Regiedebüt spielt sich Dev Patel die Seele aus dem Leib und überrascht mit packend inszenierten Actionsequenzen. Inhaltlich wird „Monkey Man“ den eigenen Ansprüchen hingegen nicht immer gerecht. Dennoch: Sehenswert!
 
 
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