Für wenig Geld an gerade mal 10 Drehtagen für die BBC gedreht, vereint „Together“ in sich viele Vorteile des Theaters mit denen des Films. Wenn die beiden großartigen Hauptdarsteller in langen Einstellungen teilweise direkt zum Betrachter sprechen, erzeugt das Nähe und Intensität wie man sie im Film nur selten vermittelt bekommt. Wenn Mann und Frau zu Beginn des Films vor allem übereinander sprechen und erst im Laufe des Films öfter und länger zueinander und irgendwann miteinander sprechen, erkennen wir, Probleme in der Beziehung sind immer auch Kommunikationsprobleme.
Englischsprachige Kritiker haben sich teilweise daran gestoßen, dass die Protagonisten direkt in die Kamera sprechen. Natürlich kann man dieses „breaking the fourth wall“ als billigen Trick betrachten. Vielleicht kennen diese Kritiker bloß Sitcoms und Superheldenfilme und waren schon länger nicht mehr im Theater, wo dieser „Trick“ seit der Antike praktiziert wird. Und was soll’s, wenn der Trick und damit der ganze Film hervorragend funktionieren? Drehbuchautor Dennis Kelly hat bisher vor allem für das Theater geschrieben. Trotzdem klingen seine Dialoge niemals theatralisch, sondern immer nur realistisch. Regisseur Stephen Daldry hat so unterschiedliche Filme wie „Billy Elliot“, „The Hours“ oder „Der Vorleser“ inszeniert, aber auch immer wieder am Theater gearbeitet. Zusammen sorgen diese beiden Künstler nicht nur für ein Filmerlebnis, das auf ganz unspektakuläre Weise großartig ist. Sie liefern den Rahmen für ein Fest für zwei Schauspieler.
I don’t want to go back to normal
Sharon Horgan ist in Großbritannien als Autorin, Regisseurin und Schauspielerin bekannt und bei uns noch gar nicht. Nur hier auf cineprieview.de wurde ihre Leistung in einer Nebenrolle den Lesern bereits 2018 als das Beste an dem Film „Game Night“ als Herz gelegt. Horgan spielt eine moderne Frau mit all ihren Schwächen und Fehlern. Ihre Figur verwechselt Empfindlichkeit mit Sensibilität und Aggressivität mit Kraft und ist uns recht schnell ebenso unsympathisch wie vertraut.
Die von Horgan gespielte Frau muss sich im Lauf der Handlung mit Verlust auseinandersetzen. Sie muss lernen, dem Mann nicht nur mit Vorwürfen zu begegnen und ihren Partner tatsächlich kennenlernen zu wollen. Sie muss lernen, dass man Aufrichtigkeit nicht immer nur fordern kann, sondern auch aushalten muss. Wenn wir diese Entwicklung ohne weiteres nachvollziehen können, dann wegen der Leistung einer großartigen Künstlerin und echten Menschendarstellerin.
James McAvoy kennen wir in den letzten Jahren vor allem als jungen Professor Charles Xavier oder aus Filmen wie „Es Kapitel 2“, „Split“ und „Glass“. Aber McAvoy kommt auch von der Bühne und hat sich schon früh in Filmen wie „Abbitte“ als Charakterdarsteller bewährt. In „Together“ zeigt er seine beste Leistung seit langem. McAvoy spielt den Mann in der Krise. Weil er sich durch die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit seiner Frau bedroht fühlt, muss er sie herablassend behandeln. Er liebt seinen Sohn, achtet aber immer darauf, ob dieser hören kann was der Vater über ihn sagt.
Der Mann berichtet bereits in einer frühen Szene, wie furchtbar er eine Supermarktmitarbeiterin behandelt hat und ist ganz allgemein ein unsicheres Würstchen. Trotzdem bleibt McAvoy immer nahbar und authentisch, ohne sich anzubiedern. Wenn am Ende seine Ängste aus ihm hervorbrechen, können wir das mitfühlen, weil McAvoy eben diese Ängste von Anfang an immer subtil vermittelt hat.
Die englischsprachige Originalversion bietet noch eine Besonderheit: James McAvoy spielt die Rolle mit seinem eigenen schottischen Akzent, den wir im Kino sonst kaum jemals zu hören bekommen.