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Kritik: Sam - Ein Sachse

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Eine filmische Aufarbeitung der Schwierigkeiten von Menschen afrikanischer Abstammung in Ostdeutschland vor und nach der Wende ist grundsätzlich etwas Gutes und sogar Notwendiges. Was hat die neue Miniserie auf Disney+ noch zu bieten?
 
Back to life, back to reality
 
1989 in Dresden: zwar finden bereits seit geraumer Zeit Demos gegen das DDR-Regime statt. Aber dem jungen Sam Meffire hilft das wenig. Der junge Mann, dessen Vater aus Kamerun stammte, leidet tagtäglich unter allen Formen von Rassismus. Vom beliebigen Alltagsrassismus, wenn etwa seine Redezeit bei einer politischen Diskussion beschnitten wird, über echte Benachteiligung, wenn er seine hochschwangere Freundin nicht im Krankenwagen begleiten darf, bis zu Überfällen gewalttätiger Neonazigruppen muss der junge Mann vieles aushalten, bloß weil er anders aussieht. Da beschließt er, sich bei der Volkspolizei zu bewerben. Aber das bringt neue Probleme mit sich ...
 
Ich mache mich bei Filmen (oder in diesem Fall: Serien) mit politischem oder sozialen Themen zuweilen darüber lustig, dass diese gut gemeint aber eben leider nicht gut gemacht wären. Und bei „Sam – Ein Sachse“ ist vieles wirklich sehr gut gemeint. Diese Serie steckt voll der besten Absichten. Und man möchte die Serie schon mal wegen der vielen wirklich großartigen Ansätze gut finden.
 
 
So zeigt hier eine Unterhaltungsserie einmal, wie die Verbreitung von rechtem Gedankengut und die Aktivitäten von Neonazis eben nicht erst nach der Wende in Ostdeutschland eingesetzt haben. Das waren keine von der D-Mark enttäuschten ehemaligen DDR-Bürger, die sich in den Neunzigern „abgehängt“ fühlten und deshalb offenen Hass gegen alles lebten, was anders war als sie selbst. Wenn ein Volk 40 Jahre in einem System zubringt, indem alles was nicht der Norm entspricht weggesperrt wird und man den ganzen Rest der Welt auf der anderen Seite einer unüberwindbaren Mauer weiß, darf man sich über die breite Basis für rechtes Gedankengut in diesem Volk nicht wundern.
 
Man muss den Drehbuchautoren rund um Tyrone Ricketts, Chris Silber und Jörg Winger echten Respekt zollen für den mutigen Ansatz, die verschiedenen Lager kurz vor der Wende differenziert zeichnen zu wollen. Bei der Volkspolizei waren eben nicht nur stumpfe Schergen der Staatsgewalt beschäftigt und die Demonstranten waren nicht alle friedliebende Engel „looking for freedom“. Deutlich wird in der Serie auch gezeigt, wie nach der Wende nicht nur das Beste aus dem Westen in den Osten kam und eben nicht mit „blühenden Landschaften“ zu rechnen war und warum.
 
01 ©2023 Walt Disney Pictures02 ©2023 Walt Disney Pictures03 ©2023 Walt Disney Pictures04 ©2023 Walt Disney Pictures
 
Aber recht schnell kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man hier eben doch nur wieder eine deutsche Fernsehproduktion sieht. Vieles wirkt einfach sehr „lindenstraßig“ und „tatortig“. Nicht nur die sozialen und politischen Botschaften werden uns mit dem Holzhammer ins Hirn gedroschen. Wenn der Major der Volkspolizei sich des jungen Samuel annimmt, weil die beiden unterschiedlichen Männer eine traurige Gemeinsamkeit verbindet, kann man das dem Zuseher anders vermitteln als den Offizier in praktisch jeder Szene davon sprechen und ihn sogar auf „vaterlose Söhne“ trinken zu lassen.
 
Wir sollen erkennen, wie intelligent und gebildet der junge Sam doch ist. Also zitiert er bereits in einer frühen Szene bei einer Polizeikontrolle Kierkegaard. Gleich danach zitiert er einer rassistischen Beamtin gegenüber Kafka und bezeichnet sie als „Käfig auf der Suche nach einem Vogel“. Auf die Art wirkt Sam auf uns aber weniger intelligent und gebildet als herablassend und arrogant. Wenn die Beamtin nach so einer Antwort ihren Schalter vor Sams Nase schließt, überrascht das wenig. Und Sam wird uns dadurch nicht sympathischer.
 
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However do you want me? However do you need me? (Achtung! Spoiler)
 
Wie in deutschen Fernsehproduktionen leider nicht unüblich, wird auch in „Sam – Ein Sachse“ nicht sehr subtil gearbeitet. Wenn Sam im Einsatz wütend wird, beschlägt das Visier seines Helms. Damit sein nationaldenkender Konkurrent auf der Polizeischule noch einen weiteren Grund hat, ihn zu hassen, bekommt Sam bereits am Ende des Bewerbungsprozesses eine Auszeichnung verliehen (ich habe übrigens in jungen Jahren, die volle Punktezahl bei meiner Musterung erreicht und wäre zur Ausbildung zum Piloten oder für Spezialeinheiten geeignet gewesen, kann mich aber nicht erinnern, dass man mir dafür eine Medaille umgehängt hätte. Die DDR war schon nicht so schlecht.)
 
Das alles und noch einiges mehr fällt leider reichlich plump aus. Passanten, Busfahrer und Beamte sind alle Rassisten. Volkspolizisten lassen den jungen Sam nicht zum Major vor, obwohl er sich namentlich auf ihn beruft. Die verständnislose und zickige Freundin zeigt sich verständnislos und zickig. Der rückratlose und opportunistische Mitbewohner agiert rückratlos und opportunistisch. Die verbitterte und lieblose Mutter ist verbittert und lieblos ... bis sie es dann zum passenden Zeitpunkt nicht mehr ist, weil die Handlung das verlangt.
 
Handwerklich ist die Serie ganz gut gemacht. Allerdings gelingt es den Machern nicht immer, das Milieu und die Zeit der Handlung wirklich zu vermitteln. Als jemand, der 1989 auch schon auf der Straße unterwegs war, muss ich leider feststellen, die Kleidung der meisten Leute sah damals viel schlimmer aus. Nicht nur in der DDR. Ein weiterer Fehler ist auch typisch für deutsche Fernsehproduktionen. Als jemand der 1991 auch schon in Discos unterwegs war, muss ich leider feststellen, so gut beleuchtet und so leer war auch vor zweiunddreißig Jahren keine Disco. Und die einzige Disco, in der man sich auf der Tanzfläche unterhalten konnte, war auch in den Neunzigerjahren nur das „Foxy“ im „Marienhof“.
 
Malick Bauer („Frau Jordan stellt gleich“) spielt die Titelrolle mit einer verzweifelten Intensität. Trotzdem verursacht seine Besetzung vor allem in den ersten drei Folgen Probleme. Bauer ist ein gut aussehender, athletischer Mann von zweiunddreißig Jahren, der keinen Tag jünger aussieht als Dreißig. Wenn der von ihm gespielte Sam in der ersten Folge auf seine beruflichen Pläne angesprochen, antwortet, Fussballprofi werden zu wollen, wirkt das lächerlich. In dem Alter ist man entweder bereits Fussballprofi oder man wird es niemals. Auch in Folge drei agiert Sam erstaunlich unreif für einen Mann dieses Alters. Zuseher, die nicht wissen, dass der echte Sam Meffire 1989 erst Neunzehn Jahre alt war, wird das verwirren.
 
Der erfahrene Bühnen- und Fernsehschauspieler Thorsten Merten („Tatort“, „Curveball“) bildet das emotionale und darstellerische Zentrum der ersten beiden Folgen. Er spielt den Major der Volkspolizei differenzierter als die Autoren die Rolle geschrieben haben.
 
Mehr oder weniger bekannte und begabte Darsteller*innen wie Svenja Jung, Luise von Finckh, Max Schimmelpfennig oder Roman Schomburg spielen Nebenrollen, die leider zum großen Teil bloße Klischees aber keine echten Charaktere sind.
 
Fazit
 
Eine Serie wie „Sam - Ein Sachse“ ist grundsätzlich etwas Gutes und sogar Notwendiges. Hätte man eine Reihe typischer Fehler deutscher Fernsehproduktionen vermieden, hätte das Ergebnis viel mehr Leute viel besser erreichen können.
 
 
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