Eine neue Verfilmung des berühmten Kinderbuchs von Michael Ende. Funktioniert dieser Film? Und funktioniert dieser Film als Verfilmung seiner Vorlage?
Wie sind wir hier gelandet?
Für alle, die nie das 1973 erschienene Buch von Michael Ende gelesen oder den Film von 1986 gesehen haben: Das Waisenkind Momo lebt ganz allein in den Ruinen eines Amphitheaters inmitten einer großen, modernen Stadt. Weil sie hervorragend zuhören kann, ist sie bald allseits beliebt und um sie und das alte Theater entsteht eine lebendige Gemeinschaft. Doch dann erscheinen die grauen Herren (und Damen) und reden den Bürgern der Stadt ein, sie alle müssten dringend Zeit sparen. Aber je mehr Zeit die Menschen sparen, umso weniger Zeit haben sie für ihre Familien, Freunde und für die Gemeinschaft …
Diese Neuverfilmung von 2025 ist ein unterhaltsam und kompetent gemachter Kinderfilm. Das war kaum anders zu erwarten. Regisseur Christian Ditter hat schon erfolgreiche Kinderfilme wie „Vorstadtkrokodile 1 & 2“ oder „Wickie auf großer Fahrt“ ebenso unterhaltsam wie kompetent verfasst und inszeniert. Und in die Produktion von „Momo“ ist auch offensichtlich eine nicht unbeträchtliche Summe internationalen Geldes geflossen. Das so aufgestockte Budget wurde u.a. in einen bekannten und zwei halbwegs bekannte internationale Darsteller*innen, aber auch in ein überraschend hohes Produktionsniveau investiert.
Der Look von „Momo“ ist wirklich beeindruckend. Gedreht wurde an verschiedenen Orten in Kroatien und Slowenien. Und die geschickte Kombination aus bestehenden Plätzen und Gebäuden einerseits und Filmbauten und durchaus überzeugenden computergenerierten Bildern andererseits, kann sich durchaus sehen lassen. Natürlich erreicht das alles nicht das Niveau von Marvel- oder Star Wars-Filmen. Aber im Großen und Ganzen wurde ein überzeugender visueller Stil geschaffen, der diese internationale Produktion durchaus sehenswert macht.
Merkwürdig, dass uns der Regisseur Christian Ditter einiges an interessanten Bildern bietet, der Drehbuchautor Christian Ditter uns aber leider vieles erzählen lässt, das durchaus auch in Bildern gezeigt werden könnte. Immer und immer wieder lässt Ditter die Figuren im Dialog erklären, was das Film-Publikum vielleicht viel lieber gesehen hätte. Ditter ist einer der vielen modernen Filmemacher, denen man das alte Motto „Show! Don’t tell!“ ins Stammbuch schreiben möchte.
Die beiden Hauptaspekte der Buchvorlage sind einerseits die etwas plumpe Kapitalismuskritik mit den Zeitdieben, andererseits die gesellschaftskritische Botschaft über die Wichtigkeit einander zuzuhören. Momos besondere Fähigkeit besteht darin, so aufmerksam zuhören zu können, dass sich Menschen nach einem Gespräch mit ihr besser fühlen. Und auch wenn Endes Kapitalismuskritik im neuen Film mit für Kinder durchaus witzigen Kommentaren zu modernen Errungenschaften gut vermittelt wird, müssen wir uns bei dem zweiten wichtigen Aspekt der Buchvorlage auf das Wort des Off-Erzählers verlassen. Denn gezeigt bekommen wir praktisch nicht, wie wichtig Momos Zuhören für die Menschen der Stadt ist. Uns die Beziehungen zwischen den Figuren erleben zu lassen, dafür nimmt sich der Film leider kaum Zeit.
Wie Du diese Zeit nutzt, ist ganz alleine
Deine Entscheidung Schwer zu sagen, ob Christian Ditter keine Zeit für die Menschen vor der Kamera hatte oder ob er nicht gut zuhören kann. Auf jeden Fall zeigt er mehr Vertrauen in seine Location Scouts, Set Designer*innen und CGI-Künstler*innen als in seine Besetzung. Die Darsteller*innen, klein wie groß, bekannt wie unbekannt, dürfen uns vor allem erzählen, was passiert und was sie bewegt. Zeigen dürfen oder können sie uns nur wenig davon. So kommt auch gegen Ende nur wenig Spannung auf, nachdem uns Meister Hora ellenlang erklärt hat, was Momo anstellen muss, um die Zeitdiebe zu besiegen und der Herr der grauen Herren uns das alles währenddessen nochmal erläutert.
Dieser Herr der grauen Herren wird vom Dänen Claes Bang („The Square“) mit glatter Kompetenz dargestellt. Einen echten Charakter, wie ihn etwa der große Armin Mueller-Stahl geschaffen hatte, erkennen wir hier nicht. Bang liefert bloß einen generischen Schurken in einem Kinderfilm ab, mehr nicht. Bangs Landsmann Kim Bodnia („F1“) kann aus der Rolle des Straßenkehrers Beppo auch kaum mehr als einen Stichwortgeber machen.
Mit größerem Budget kommen größere Namen auf die Besetzungsliste. Laura Haddock war Starlords Mutter in „Guardians of the Galaxy” bevor sie die weibliche Hauptrolle in „Transformers – The Last Knight“ spielen durfte. Sie vermittelt hier in einer kleinen, aber wichtigen Rolle eine Intensität die dem Rest der Darstellungen leider weitgehend fehlt. So bleibt zum Beispiel die Leistung des größten Namens auf der Besetzungsliste komplett frei von jeder Intensität. Denn zur Rolle des Meister Hora wollte offensichtlich weder Darsteller Martin Freeman („Black Panther: Wakanda Forever“) noch Regisseur Christian Ditter viel einfallen. Es wirkt, als hätte vor allem Freeman nur wenig Zeit übrig gehabt.
Alexa Goodall hat trotz ihrer Jugend bereits Erfahrung in Film- und Fernsehrollen sammeln können. Vielleicht kann sie deshalb in der Titelrolle nicht die naive Unschuld der kleinen Radost Bokel bieten. Sie wirkt aber durchaus sympathisch und man wünscht sich, das Drehbuch hätte sich mit ihrer Figur mehr Mühe gegeben und ihr mehr Zeit eingeräumt. Und weil Zeit ein so wichtiges Thema ist: Aufmerksame Filmfans werden sich fragen, wie lange an dem Film gedreht wurde oder ob es Nachdrehs gegeben hat. Denn Alexa Goodall wirkt zwar allgemein zu alt für die Rolle der Momo, in einzelnen Szenen oder Einstellungen wirkt sie aber nochmal erkennbar älter als beispielsweise noch in der Szene davor.
Fazit
„Momo“ funktioniert als gut gemachter Kinderfilm recht gut. Als Verfilmung des berühmten Kinderbuchs hat der Film leider Schwächen.