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Kritik: 28 Years Later

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Zwar keine 28 Jahre, aber dann doch 18 Jahre sind seit dem Vorgänger „28 Weeks Later“ vergangen und ganze 23 Jahre seit dem ersten Teil, „28 Days Later“. Was lange währt, wird endlich gut, … oder?
 
Over the hills and far away, …
 
28 Jahre nach dem das “Rage“-Virus ausgebrochen ist, steht Großbritannien unter Quarantäne. In einer Kolonie Nicht-Infizierter auf einer kleinen Insel, die bei Ebbe über einen Damm mit dem Festland verbunden ist, lebt der zwölfjährige Spike mit seinem Vater und seiner kranken Mutter. Als er zum ersten Mal mit seinem Vater eine Expedition aufs Festland unternehmen darf, um Vorräte und Bedarfsartikel zu sammeln, können die beiden sich auf der Flucht vor Infizierten in letzter Sekunde zurück auf die Insel retten. Aber Spike beschließt am nächsten Morgen aufs Festland zurückzukehren. Denn er hat einen guten Grund dafür …
 
„28 Years Later“ beginnt mit einer grandiosen Szene, über die ich so wenig wie möglich verraten möchte, damit ihre emotionale Wucht jede(n) Betrachter*in gleichermaßen treffen kann. Nur so viel: die Szene ist brillant geschrieben, extrem wirkungsvoll inszeniert und bleibt dabei immer einfach und nachvollziehbar. Leider ist die Eröffnungssequenz mit dieser kurzen Szene nicht zu Ende. Ein Überlebender rettet sich in eine Kirche und dort folgt eine weitere Szene, die keinen Sinn ergibt und in ihrer plumpen religiösen (oder antireligiösen, wasweißdennich) Symbolik direkt amateurhaft wirkt. Es ist komplett unklar, wie die Macher dieses Films denken konnten, diese ungeschickte Szene könnte die starke Anfangssequenz irgendwie aufwerten.
 
 
Die Macher von „28 Years Later“ sind wieder die gleichen wie beim ersten Teil der „28 unterschiedliche Zeiträume später“-Serie: Drehbuchautor Alex Garland und Regisseur Danny Boyle, der diesmal (gerade mal 23 Jahre später) auch am Drehbuch mitgeschrieben hat. Und so wie die starke erste Szene von der überflüssigen, ja sogar störenden zweiten Szene der Anfangssequenz fast neutralisiert wird, so geht es den ganzen Film weiter: die extrem effiziente (sicher nicht subtile), packende Regie von Danny Boyle und einige sehr gute Ideen der beiden Autoren werden von viel zu vielen überflüssigen, unlogischen, unausgereiften Elementen des Drehbuchs fast überlagert.
 
Das fängt bei Kleinigkeiten des Settings an. Eine Insel ist sicher ein geeigneter Ort für eine Kolonie Nicht-Infizierter. Eine Insel, die bei Ebbe von Jedermann, also auch Infizierten, zu Fuß erreicht werden kann, führt die Idee einer Insel als Zuflucht aber ad absurdum. Was spricht denn gegen Boote? Die können von Infizierten sicher nicht bedient werden und hätten den Vorteil, dass man sich schneller und einfacher in Sicherheit bringen kann.
 
Aber vielleicht brennen in der Kolonie ganz allgemein nicht die hellsten Kerzen am Luster. Denn in dieser Gemeinschaft gab es wohl nie auch nur einen einzigen Elektriker oder anderen Handwerker, der ein paar Solarzellen montieren und warten konnte. Es scheint in dieser Kolonie auch niemanden mit brauchbaren medizinischen Kenntnissen zu geben, also nicht nur keinen Arzt oder Ärztin, sondern auch keine Krankenpfleger*innen, Rettungssanitäter*innen oder ähnliches. Vermutlich haben sich dort vor 28 Jahren vor allem Filmproduzenten, Telefondesinfizierer, Unternehmensberater und Versicherungsvertreter eingefunden.
 
Vor allem die Hauptfiguren stellen sich, entsprechend den Anforderungen des Drehbuchs, furchtbar ungeschickt an. Der Vater des jungen Helden scheint Mitte Dreißig zu sein, ist also in einer Zeit knapper Ressourcen und ständiger Bedrohung aufgewachsen. Er zeigt sich aber immer wieder furchtbar schlecht darin, sich in gefährlicher Umgebung zu bewegen. So hat er zum Beispiel nie gelernt, unübersichtliches Gelände zu meiden oder einem anderen Schützen den Rücken freizuhalten, während dieser sein Ziel anvisiert. Ganz allgemein ist er einer der miesesten Film-Väter seit Tom Cruise in „Krieg der Welten“ alles Mögliche unternommen hat, bloß um seine nervigen Kinder endlich wieder bei der Exfrau abgeben zu können.
 
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Wenn der Film davon abgesehen funktionieren würde, könnte man über solche Logikfehler hinwegsehen. Weil aber auch sonst vieles an „28 Years Later“ nicht stimmig ist, kann man nicht mehr ignorieren, dass niemand, der in einer Welt lebt, in dem das letzte Päckchen Waschpulver vor 28 Jahren produziert wurde, sich mit dreckigen Schuhen aufs Bett legen würde. Und ein wichtiger Vorteil von Pfeil und Bogen gegenüber Feuerwaffen würde in der Wiederverwendbarkeit der Geschosse bestehen. Dazu müsste man sich aber die Mühe machen, Pfeile wieder aus den Kadavern zu ziehen. Und in einer Kolonie, die den Friedhof an einer Stelle des Strandes anlegt, die bei Ebbe (!) zwei Meter von der Wasserlinie entfernt liegt, hat man wohl weder das Prinzip der Erdbestattung noch die Grundlagen der Physik verstanden.
 
There's no discharge in the war!
 
Die Dialoge sind eine weitere Schwäche des Films. Natürlich wird zu vieles erklärt, das den Protagonisten längst bekannt sein müsste. Daran muss man sich im Kino des dritten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts gewöhnt haben. Hier aber werden Dialoge geführt, die nicht nur unnötig, sondern für die Figuren belastend oder sogar verstörend sind. Dafür verheimlicht man einander Essentielles. Irgendwann mittendrin muss der arme Ralph Fiennes ein Wortspiel mit einem berühmten Shakespeare-Zitat abliefern, das nicht einmal halbwegs witzig genug ist, um seine umständliche und aufwendige Vorbereitung und Einleitung zu rechtfertigen.
 
Aber das Drehbuch liefert nicht nur zu viel Dialog. Es liefert von vielem zu viel. Der erste Film der Serie war der erste Zombiefilm, der auch als Drama funktioniert hat, weil damals normale Menschen nachvollziehbar auf eine nicht komplett unmögliche Bedrohung reagiert haben. „28 Years Later“ (also für uns gerade mal 23 Jahre später) gibt es nun sogenannte „Alphas“, kaum zu besiegende Superzombies. Die haben einen Trick drauf, bei dem sie gesunden Menschen den Kopf auf eine ganz spezielle Art und Weise abreißen, sodass die Wirbelsäule am Schädel hängen bleibt, die Rippen oder andere Teile des Rumpfes aber nicht mehr mit dem Rückgrat verbunden sind. Das klingt nicht nur wie etwas aus einem eher bedenklichen Computerspiel, es sieht im Film auch genauso aus.
 
Je weniger wir über eine „Mütter haben eine Verbindung zueinander und stehen einander bei“-Szene reden oder nachdenken, umso besser. Eine wichtige Figur des Films muss vor dem Ausbruch des Virus mal im Beinhaus von Sedlec in Tschechien gewesen sein und der Besuch muss einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. Bereits vor der Schlussszene muss man sich wundern, wie vieles an diesem Film ganz unverschämt auf eine (oder mehrere) Fortsetzung(en) hinweist. Wer will wetten, dass es bis zum nächsten Film keine 18 Jahre dauern wird?
 
Am Ende ist es beinahe schade um die Mühe, die sich nicht nur Regisseur Danny Doyle gemacht hat. Auch die wirklich hervorragende Arbeit von Boyles Stamm-Kameramann Anthony Dod Mantle (Oscar für „Slumdog Millionär“) und Cutter Jon Harris (u.a. „127 Hours“ und „Yesterday“) geht im Unsinn des Drehbuchs fast ebenso unter, wie die Leistungen der Darsteller*innen.
 
Jodie Comer („Free Guy“) quält sich und uns durch eine Rolle in der sie abwechselnd schwer verwirrt und dann doch wieder extrem präsent agieren muss, je nachdem was das Drehbuch gerade verlangt. Der arme Aaron Taylor-Johnson muss nach „Bullett Train“ und „Kraven – The Hunter“ zum dritten Mal eine Rolle spielen, für die er sowohl zu intelligent als auch zu gut ist. Hoffentlich gibt ihm bald mal jemand wirklich die Rolle des James Bond, bevor er zu alt dafür wird.
 
Ralph Fiennes ist einer der besten Darsteller unserer Zeit. Das hat er nicht nur in seinen vielen schwierigen Rollen, von „Schindlers Liste“ bis zuletzt „Konklave“ gezeigt. Was für ein großartiger Schauspieler Fiennes ist, kann man auch daran erkennen, dass er es immer wieder geschafft hat, seine wirklich lächerliche Rolle in diesem Film zu spielen, ohne ständig laut loszulachen.
 
Der Star des Films ist aber der junge, noch unbekannte Alfie Williams. Regisseur Danny Boyle hat bereits bei „Slumdog Millionär“ gezeigt, wie gut er Kinderschauspieler*innen auswählen und mit ihnen arbeiten kann. Alfie Williams zeigt eine beeindruckende Leistung, in einer Rolle, die auch nicht unbelastet von Alex Garlands schlampiger Drehbucharbeit geblieben ist.
 
Fazit
 
Danny Boyle inszeniert gewohnt routiniert und effektiv, die Darsteller*innen tun was sie können, aber das in weiten Teilen unlogische und schlechtausgearbeitete Drehbuch hat wie ein Virus den ganzen Film infiziert.
 
 
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