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Kritik: Brick

 
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Autor: Christopher Diekhaus
 
Ruby O. Fee und Matthias Schweighöfer kommen im neuen Netflix-Thriller nicht mehr aus der Wohnung – „Cube“ für Einsteiger.
 
Alle Wege führen vor die Wand
 
Die Corona-Pandemie war auch eine Zeit der kreativen Ideen, die aus dem Stillstand geboren wurden. Als sein Vermieter just in dieser Phase die Fassade seines Wohnhauses aufwendig erneuern und dafür sogar die Fenster folieren ließ, musste Regisseur und Drehbuchautor Philip Koch („Tribes of Europa“) das aufsteigende Gefühl der Beklemmung künstlerisch verarbeiten. Das Ergebnis: der Mystery-Thriller „Brick“, der am 2. Juli 2025 auf dem Filmfest München seine Weltpremiere feierte, wo der Filmemacher eben jene Anekdote zur Entstehungsgeschichte zum Besten gab.
 
Eine klaustrophobische Atmosphäre macht sich in der ab dem 10. Juli verfügbaren Netflix-Produktion durchaus breit, spielt sie doch mit einer Urangst des Menschen: eingesperrt zu sein. In den Hauptrollen eines emotional entzweiten Paares sind die auch im wahren Leben liierten Schauspieler Ruby O. Fee und Matthias Schweighöfer zu sehen, die schon in der ebenfalls vom Streamingriesen beauftragten Gaunerkomödie „Army of Thieves“ (2021) gemeinsam vor der Kamera standen.
 
In „Brick“ verkörpern sie nun die Architektin Olivia und den Computergameentwickler Tim, die eine Fehlgeburt vor zwei Jahren auseinandergetrieben hat. Statt den Schmerz zusammen durchzustehen, verkriecht sich der schwer angeschlagene Technikexperte in seiner Arbeit. Er habe eine Mauer um sich errichtet, wirft Olivia ihm irgendwann einmal vor – und bringt damit auch die Handlung knackig auf den Punkt. Tims Verhalten und der Plot spiegeln sich gegenseitig. Denn eines Morgens, als Olivia aus der Beziehung ausbrechen will, versperrt plötzlich eine über Nacht aufgetauchte Mauer die Tür. Die Fenster sind ebenfalls verrammelt, und selbst bei Bohrversuchen durch die Außenwände stoßen sie überall auf einen unüberwindbaren Widerstand. Noch dazu haben sie kein Netz mehr, sind von der Umgebung also komplett abgeschnitten.
 
 
Ein Loch lässt sich einzig in die Wohnung der Nachbarn schlagen, wo bereits Panik und Chaos um sich greifen. Das nach Hamburg gereiste Pärchen Ana (Salber Lee Williams) und Marvin (Frederick Lau) wirft sich fleißig Drogen ein, um den Schrecken irgendwie zu verdauen. Nach einer ersten Konfrontation schließt man sich zusammen, um einen Weg nach draußen zu finden. Dabei treffen die Vier auch auf andere Bewohner bzw. Besucher, die mit der ungewöhnlichen Lage auf jeweils eigene Weise umgehen.
 
Bildschirmfüllende Gesichter
 
Was steckt hinter der aus schwarzen, unterschiedlich großen Klötzen bestehenden Wand? Hat all das vielleicht mit Tims Arbeit zu tun? Oder hängen die Gefangenen in einer anderen Realität fest, wie Ana an einer Stelle vermutet? „Brick“ ist einer dieser Filme, die beim Publikum schnell einen Prozess des Miträtselns in Gang setzen: Welche vermeintlich unwichtige Information könnte größere Bedeutung haben? Wie so oft bei Mystery-Stoffen hält die Auflösung der Erwartungshaltung jedoch nur bedingt stand. Was uns am Ende als Erklärung präsentiert wird, stellt sicherlich nicht alle Zuschauer zufrieden.
 
Auf dem Weg dahin macht der neue deutsche Netflix-Beitrag aber keine so schlechte Figur. Die Suche nach einer Ausbruchsmöglichkeit ist ohne große Längen und allzu nervige Logikpatzer inszeniert, entwickelt in manchen Momenten – besonders dann, wenn das Quartett auf neue Charaktere trifft – ordentlich Druck und vermittelt das Gefangensein auch in der Bildsprache. Immer wieder gibt es Nahaufnahmen, füllen Gesichter den ganzen Bildschirm aus – was den Schauspielern einiges abverlangt. Intensität erzeugen neben den wenig zimperlichen körperlichen Auseinandersetzungen auch jene Augenblicke, in denen „Brick“ Olivias und Tims Schmerz und ihre Wut ungebremst zum Vorschein kommen lässt. Ein Charakterdrama sollte man trotzdem nicht erwarten. Dafür ist der Film dann doch zu klar auf Spannung und Überlebenskampf getrimmt.
 
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Auf geteilte Meinungen könnte die Rolle Marvins stoßen, der offenkundig für den Comic Relief zuständig ist. Braucht es diese Auflockerungen wirklich? Eine reizvolle Note bringt die von Murathan Muslu gespielte Figur in das Geschehen ein, mit der Philip Koch, wie er nach der Weltpremiere ausführte, einem bedenklichen Phänomen in unserer Gesellschaft Rechnung tragen wollte: Wenn die Wirklichkeit völlig unterschiedlich wahrgenommen wird, ist die Gefahr einer Eskalation hoch. Sonderlich tief bohrt der Film dabei allerdings nicht.
 
Vergleicht man „Brick“ mit Vincenzo Natalis thematisch ähnlichem Science-Fiction-Schocker „Cube“ (1997), fällt auf, dass Ersterer konventioneller gestrickt ist. Langeweile kommt deshalb aber nicht auf – was auch den aufwendigen Set-Bauten zu verdanken ist. In einem Studio in Prag wurde ein dreistöckiger Turm errichtet, der einen Durchblick durch die verschiedenen Ebenen und die dortige Zerstörung ermöglichte. Auch wenn Kochs Mystery-Streifen keine großen Innovationen bietet, hat Matthias Schweighöfer wahrscheinlich Recht mit einer Anmerkung auf der Bühne beim Filmfest München: Aus Deutschland heraus einen derartigen Stoff in die Welt zu tragen, ist nicht alltäglich. Und genau darüber sollten wir uns ein bisschen freuen.
 
Fazit
 
Einen Film wie diesen hätte man auch leicht gegen die Wand fahren können. Stattdessen bietet „Brick“ 90 Minuten lang solide Mystery-Unterhaltung.
 
 
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