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Kritik: A Big Bold Beautiful Journey

 
sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Im Leben, im Universum und im ganzen Rest kann das Ganze manchmal mehr sein als die Summe seiner Einzelteile. Manchmal ist es aber auch weniger …
 
Stop trying to be charming
 
Ich zitiere mal aus der Einladung zur Pressevorführung: „Die Singles Sarah (Margot Robbie) und David (Colin Farrell) treffen sich zum ersten Mal auf einer Hochzeit und begeben sich anschließend, dank einer überraschenden Wendung des Schicksals, zusammen auf eine große, gewagte und grandiose Reise – auf ein witziges, fantastisches und mitreißendes Abenteuer, bei dem sie nicht nur gemeinsam in ihre jeweilige Vergangenheit eintauchen. Sie erkennen auch, wie sie dorthin gekommen sind, wo sie heute sind und dass sie vielleicht eine Chance erhalten haben, ihre Zukunft zu verändern.“
 
Das neue Werk des jungen amerikanischen Regisseurs Kogonada hätte theoretisch alle Komponenten für einen gelungen Film zu bieten. Eine witzige Grundidee ist nie verkehrt. Themen wie Verlust, Trauma, Beziehungen und Liebe berühren uns alle. Auch hier sollte dieser Film punkten können. Mit Margot Robbie und Colin Farrell spielen zwei der besten und interessantesten Darsteller*innen unserer Zeit erstmals nebeneinander. Das ist auf jeden Fall cool. Und dann könnten schräge, witzige von echten Könner*innen dargestellte Nebenfiguren das Gesamtbild noch abrunden. Theoretisch müsste „A Big Bold Beautiful Journey“ ein wirklich interessanter Film sein.
 
Praktisch weiß ich nicht, welches Gefühl bei mir nach dem Film überwiegt: Enttäuschung über das verschwendete Potential? Wut über die geringe Meinung der Filmemacher zur Intelligenz des Publikums? Staunen darüber, welche plumpen, abgeschmackten Klischees Kogonada und sein Drehbuchautor Seth Reiss wohl für originell und witzig hielten? Oder eher eine gelangweilte Müdigkeit, nachdem ich mich durch 109 Minuten gequält habe, die mir viel länger vorgekommen sind? Sehr viel länger. Deutlich länger. F.ck, war dieser Film lang. Der wollte einfach nicht aufhören.
 
 
Bereits die zweite Szene enthält einen Scherz, der nicht nur weite Teile der Handlung und ihr das Grundkonzept vorwegnimmt, sondern den Film bereits nach wenigen Minuten für den „Darren-Aronofsky-Ehrenpreis-für-besonders-subtile-Filmkunst“ qualifiziert. Die Pointe dieser frühen Szene, die einen Film einleitet, in dem die beiden Hauptfiguren durch TÜREN (!) in Schlüsselsituationen ihrer Vergangenheit zurückkehren können, lautet doch tatsächlich „Doors are tricky“. Ja, man muss schon gut aufpassen, damit einem dieses feine, prophetische Scherzchen nicht entgeht. Sicherheitshalber schieben die Macher dieses Films bereits in der nächsten Szene des Films nochmal ein halbes Dutzend vergleichbar witzige und subtile Hinweise nach.
 
Nachdem also bereits nach weniger als 10 Minuten nicht nur die Qualifikation sondern auch die Nominierung für den „Darren-Aronofsky-Ehrenpreis-für-besonders-subtile-Filmkunst“ gesichert ist, darf der Held zu einer Hochzeit fahren um dort auf die Heldin des Films zu treffen. In der Filmbranche nennt man die unvermeidliche Szene, in der Held und Heldin zum ersten Mal aufeinander treffen und (noch) nichts miteinander anfangen können „meet cute“. Wer das Aufeinandertreffen der beiden Hauptfiguren in diesem Film „cute“ findet, geht zum Besten seiner Mitmenschen hoffentlich nicht öfter aus dem Haus als der Held von „The Whale“.
 
Ich vermute, das Verhalten von Margot Robbies Figur gegenüber der von Colin Farrell, soll als aggressives Flirten verstanden werden. Aber sollte ich jemals von einer Frau, der ich eben erst vorgestellt wurde, so extrem unfreundlich und unhöflich angesprochen werden, würde ich nicht nur kein weiteres Wort mehr mit ihr wechseln, ich würde sie um jeden Preis meiden. Selbst wenn sie wie Margot Robbie aussähe. Zum einen weil ich Menschen mit offensichtlich schweren, unbehandelten emotionalen Problemen grundsätzlich meide. Zum anderen weil ich nicht für einen Stalker gehalten werden möchte.
 
I’m afraid of hurting you
 
Seth Reiss hat bisher nur für das Fernsehen geschrieben. Und wie eine ungeschickte Mischung aus Sitcom, Kinderserie und Hallmark-Movie kommt einem auch der Rest seines weitgehend misslungenen Drehbuchs von „A Big Bold Beautiful Journey“ vor. Nichts an dieser Story ergibt Sinn, nichts funktioniert, nichts passt zusammen. Schlimmer noch: nichts ist unterhaltsam. Nichts an dieser Story ist witzig oder romantisch. Am schlimmsten: Regisseur Kogonada hat während der gesamten Produktion offensichtlich nichts davon gemerkt.
 
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Die Dialoge im Film funktionieren nicht. Niemand geht auf das ein, was der andere sagt. Niemand beantwortet Fragen sinnvoll. Niemand liefert so etwas ähnliches wie Informationen. Beim „meet cute“ erfahren wir z.B., die beiden Hauptfiguren würden in der gleichen Stadt leben. Er downtown, sie im Süden der Stadt. Nicht nur wird kein Straßenname oder der Name eines Stadtteils erwähnt. Es wird nicht einmal der Name der Stadt genannt. So spricht doch kein Mensch! Dass Colin Farrells Figur in Irland geboren sein soll, erfahren wir nur, weil Margot Robbies Figur ihm bei der zweiten Begegnung unterstellt, er würde seinen Akzent faken.
 
Einige der Schlüsselsequenzen dieses Films funktionieren hinten und vorne nicht. Wenn Colin Farrell für uns in seiner erwachsenen Gestalt in seine Jugend zurückkehrt, ist es einfach nur schräg, zu sehen, wie Mann über Vierzig einem jungen Mädchen von gerade mal 15 Jahren seine Liebe gesteht. Der erste Kuss des Paares ist dann gleichzeitig underwritten und überinszeniert. In diesem Film sitzt man mitten in der namenlosen Großstadt auch schon mal mit seiner Kaffeetasse auf der Treppe vom Bürgersteig zum Apartmentgebäude.
 
Besonders wenig ist Autor Reiss zu den ach so furchtbaren Problemen und emotionalen Traumata seiner Figuren eingefallen, die ja nur durch eine magische Reise zu magischen Türen im magischen Leihwagen einer magischen Autovermietung gelöst werden konnten. Sowohl Frau Robbie als auch Herr Farrell sind echte Künstler*innen und Meister*innen ihres Fachs. Aber obwohl sich beide redlich bemühen, schafft es keine(r) der beiden, eine so überaus dumme Person zu spielen, wie sie für die Handlung nötig wäre. Das Trauma von Margot Robbies Figur wäre während der zweiten Sitzung mit jeder/jedem halbwegs brauchbaren Therapeut*in bearbeitet. Das von Colin Farrell ist noch lächerlicher und wäre nach einem Telefongespräch mit irgendeinem psychologischen Beratungsdienst erledigt.
 
Margot Robbie ist eine der besten, sympathischsten und ganz nebenbei wunderschönsten Schauspielerinnen unserer Zeit. Ihre Leistung in „The Wolf of Wall Street“ war das Beste am ganzen Film, das gleiche gilt für „Suicide Squad“ und „Maria Stuart“. Dass sie weder für „I, Tonya“ noch für „Barbie“ einen Oscar bekommen hat, ist ein Skandal. Aber nachdem sie bereits in „Amsterdam“ und „Babylon“ ihr Talent verschwendet hat, muss sie nach „A Big Bold Beautiful Journey“ nun wirklich aufpassen. Sinkt die durchschnittliche Trefferrate auf 30% oder darunter, hat man in der Mayor League bald nichts mehr verloren.
 
Colin Farrell ist immer am besten, wenn er in kleinen, feinen Filmen wie „In Bruges“, „The Lobster“, „The Killing of a Sacred Deer“, „Die Verführten“ oder „The Banshees of Inisherin“ mitspielt. Wir sehen ihn aber auch durchaus gerne in Blockbustern wie „Saving Mr. Banks“, „Dumbo“ oder „Phantastische Tierwesen und wo noch mehr Geld zu finden ist“. In sacharin-süßen Pseudo-Rom-Coms haben wir ihn bisher noch nie gesehen und nach „A Big Bold Beautiful Journey“ wissen wir, wir haben bisher nichts versäumt und würden gerne weiterhin darauf verzichten.
 
Kevin Kline war lange Zeit einer der profiliertesten Darsteller Hollywoods. Dann hat er 1999 in „Wild Wild West“ mitgespielt und davon scheint sich weder Kline selbst, noch seine Karriere erholt zu haben. Seine Mitwirkung hier bestätigt bloß die Beobachtung des großen Roger Ebert, wonach Kevin Kline ohne Bart nicht lustig ist.
 
Die Macher von „A Big Bold Beautiful Journey“ müssen irgendwann irgendwo aufgeschnappt haben, wie witzig Phoebe Waller-Bridge in ihrer Fernsehserie „Fleabag“ war, in der sie immer wieder und bei jeder Gelegenheit Kraftausdrücke verwendet hat. Hier darf sie die Kraftausdrücke zum Besten geben, aber kein Bisschen des Humors von „Fleabag“ erkennen lassen.
 
EPILOG
 
Ich habe vorhin berichtet, „A Big Bold Beautiful Journey“ hätte sich die Nominierung für „Darren-Aronofsky-Ehrenpreis-für-besonders-subtile-Filmkunst“ bereits gesichert.
 
Die Nominierungen in der Sparte „subtilster Soundtrack“ müssen dieses Jahr leider entfallen, weil der Preis jetzt schon an den Film verliehen werden kann, in dem zwei beziehungsgestörte Menschen ihre Traumata aufarbeiten, in dem sie immer wieder durch magische TÜREN (!) die eigene Vergangenheit betreten und der zu den Klängen eines widerlich süßen Covers von Pete Townsends „Let My Love Open the Door“ endet.
 
Textprobe gefällig? Here we go:
 
„Let my love open the door
 
Let my love open the door
 
Let my love open the door to your heart“ (Repeat)
 
Fazit
 
Theoretisch hätte „A Big Bold Beautiful Journey“ viele Einzelteile für ein gelungenes Ganzes zu bieten gehabt. Praktisch waren das bemühte aber strohdumme Drehbuch, die lächerliche Inszenierung und viele weitere fehlerhafte Einzelteile zu viel für diesen Film, den auch zwei der besten Schauspieler*innen unserer Zeit nicht retten konnten.
 
 
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