Die Dialoge im Film funktionieren nicht. Niemand geht auf das ein, was der andere sagt. Niemand beantwortet Fragen sinnvoll. Niemand liefert so etwas ähnliches wie Informationen. Beim „meet cute“ erfahren wir z.B., die beiden Hauptfiguren würden in der gleichen Stadt leben. Er downtown, sie im Süden der Stadt. Nicht nur wird kein Straßenname oder der Name eines Stadtteils erwähnt. Es wird nicht einmal der Name der Stadt genannt. So spricht doch kein Mensch! Dass Colin Farrells Figur in Irland geboren sein soll, erfahren wir nur, weil Margot Robbies Figur ihm bei der zweiten Begegnung unterstellt, er würde seinen Akzent faken.
Einige der Schlüsselsequenzen dieses Films funktionieren hinten und vorne nicht. Wenn Colin Farrell für uns in seiner erwachsenen Gestalt in seine Jugend zurückkehrt, ist es einfach nur schräg, zu sehen, wie Mann über Vierzig einem jungen Mädchen von gerade mal 15 Jahren seine Liebe gesteht. Der erste Kuss des Paares ist dann gleichzeitig underwritten und überinszeniert. In diesem Film sitzt man mitten in der namenlosen Großstadt auch schon mal mit seiner Kaffeetasse auf der Treppe vom Bürgersteig zum Apartmentgebäude.
Besonders wenig ist Autor Reiss zu den ach so furchtbaren Problemen und emotionalen Traumata seiner Figuren eingefallen, die ja nur durch eine magische Reise zu magischen Türen im magischen Leihwagen einer magischen Autovermietung gelöst werden konnten. Sowohl Frau Robbie als auch Herr Farrell sind echte Künstler*innen und Meister*innen ihres Fachs. Aber obwohl sich beide redlich bemühen, schafft es keine(r) der beiden, eine so überaus dumme Person zu spielen, wie sie für die Handlung nötig wäre. Das Trauma von Margot Robbies Figur wäre während der zweiten Sitzung mit jeder/jedem halbwegs brauchbaren Therapeut*in bearbeitet. Das von Colin Farrell ist noch lächerlicher und wäre nach einem Telefongespräch mit irgendeinem psychologischen Beratungsdienst erledigt.
Margot Robbie ist eine der besten, sympathischsten und ganz nebenbei wunderschönsten Schauspielerinnen unserer Zeit. Ihre Leistung in „The Wolf of Wall Street“ war das Beste am ganzen Film, das gleiche gilt für „Suicide Squad“ und „Maria Stuart“. Dass sie weder für „I, Tonya“ noch für „Barbie“ einen Oscar bekommen hat, ist ein Skandal. Aber nachdem sie bereits in „Amsterdam“ und „Babylon“ ihr Talent verschwendet hat, muss sie nach „A Big Bold Beautiful Journey“ nun wirklich aufpassen. Sinkt die durchschnittliche Trefferrate auf 30% oder darunter, hat man in der Mayor League bald nichts mehr verloren.
Colin Farrell ist immer am besten, wenn er in kleinen, feinen Filmen wie „In Bruges“, „The Lobster“, „The Killing of a Sacred Deer“, „Die Verführten“ oder „The Banshees of Inisherin“ mitspielt. Wir sehen ihn aber auch durchaus gerne in Blockbustern wie „Saving Mr. Banks“, „Dumbo“ oder „Phantastische Tierwesen und wo noch mehr Geld zu finden ist“. In sacharin-süßen Pseudo-Rom-Coms haben wir ihn bisher noch nie gesehen und nach „A Big Bold Beautiful Journey“ wissen wir, wir haben bisher nichts versäumt und würden gerne weiterhin darauf verzichten.
Kevin Kline war lange Zeit einer der profiliertesten Darsteller Hollywoods. Dann hat er 1999 in „Wild Wild West“ mitgespielt und davon scheint sich weder Kline selbst, noch seine Karriere erholt zu haben. Seine Mitwirkung hier bestätigt bloß die Beobachtung des großen Roger Ebert, wonach Kevin Kline ohne Bart nicht lustig ist.
Die Macher von „A Big Bold Beautiful Journey“ müssen irgendwann irgendwo aufgeschnappt haben, wie witzig Phoebe Waller-Bridge in ihrer Fernsehserie „Fleabag“ war, in der sie immer wieder und bei jeder Gelegenheit Kraftausdrücke verwendet hat. Hier darf sie die Kraftausdrücke zum Besten geben, aber kein Bisschen des Humors von „Fleabag“ erkennen lassen.
EPILOG
Ich habe vorhin berichtet, „A Big Bold Beautiful Journey“ hätte sich die Nominierung für „Darren-Aronofsky-Ehrenpreis-für-besonders-subtile-Filmkunst“ bereits gesichert.
Die Nominierungen in der Sparte „subtilster Soundtrack“ müssen dieses Jahr leider entfallen, weil der Preis jetzt schon an den Film verliehen werden kann, in dem zwei beziehungsgestörte Menschen ihre Traumata aufarbeiten, in dem sie immer wieder durch magische TÜREN (!) die eigene Vergangenheit betreten und der zu den Klängen eines widerlich süßen Covers von Pete Townsends „Let My Love Open the Door“ endet.
Textprobe gefällig? Here we go:
„Let my love open the door
Let my love open the door
Let my love open the door to your heart“ (Repeat)