DKDL 160x600 Wide Skyscraper Dis Kinoservice JETZT TS

 
nflix news

Kritik: Die Legende vom Ochi

sub kritik
 
Autor: Christopher Diekhaus
 
Der deutsche Nachwuchsstar Helena Zengel spielt die Hauptrolle in einem US-Fantasy-Abenteuer mit Macken, aber viel Charme.
 
Raue Welt
 
Schon seit geraumer Zeit ist die US-amerikanische Produktions- und Verleihfirma A24 schwer angesagt. Keineswegs zu Unrecht. Denn immer wieder überrascht das Studio mit eigenwilligen Genrefilmen, die Grenzen austesten und sich vom Hollywood-Mainstream abheben. Das psychedelische Kammerspiel „Der Leuchtturm“ (2019), prominent besetzt mit Robert Pattinson und Willem Dafoe, und das surreale Psychodrama „Beau Is Afraid“ (2023), angeführt von Oscar-Preisträger Joaquin Phoenix, sind nur zwei Beispiele für die Lust am wilden Fabulieren.
 
Als treibende Kraft schwang sich A24 auch bei „Die Legende von Ochi“, dem Kinodebüt des bislang vor allem als Musikvideoregisseur in Erscheinung getretenen Isaiah Saxon, auf. Einmal mehr zu spüren: Die Freude an skurrilen Ideen. Der an klassische Familienabenteuer wie „E.T. - Der Außerirdische“ (1982) gemahnende Fantasy-Streifen macht es einem leicht, sich fallen zu lassen, in die Welt des Films abzutauchen – selbst wenn es erzählerisch öfters ruckelt und knirscht.
 
Helena Zengel, bekannt geworden durch „Systemsprenger“ (2019), wo sie mit viel Verve ein traumatisiertes Kind mit Hang zur aggressiven Rebellion verkörperte, darf sich große Hoffnungen auf eine langlebige internationale Karriere machen. Bereits 2020 spielte der deutsche Nachwuchsstar im Western „Neues aus der Welt“ an der Seite von Leinwandgröße Tom Hanks – und ging dabei kein bisschen unter. Im Mai 2025 ist die Berlinerin nun kurz nacheinander gleich in zwei fremdsprachigen Produktionen zu sehen. Mitte des Monats startet das Dschungeldrama „Transamazonia“. Zwei Wochen früher läuft Saxons Erstling „Die Legende von Ochi“ an, in dem Zengel die Hauptrolle bekleidet.
 
 
Yuri – so der Name ihrer Figur – lebt auf der fiktiven Insel Carpathia, die irgendwo im Schwarzen Meer liegt und einen rauen, bäuerlichen Eindruck macht. Die Menschen hier betreiben in erster Linie Landwirtschaft, sind harte Arbeit gewohnt und fürchten sich vor den sogenannten Ochis, affenartigen Kreaturen mit blauen Gesichtern, denen man tunlichst aus dem Weg gehen sollte. Ihre eigene Familie wurde von eben diesen Monstern zerstört, lässt uns Yuri zum Einstieg wissen. Geblieben ist der Jugendlichen ihr Vater Maxim (Willem Dafoe), der eine Horde Jungen um sich schart, darunter auch seinen Quasi-Adoptivsohn Petro (Finn Wolfhard), mit denen er regelmäßig Jagd auf die Ochis macht.
 
Lange hat Yuri keinen Grund, an den Schauergeschichten über die wilden Geschöpfe zu zweifeln. Doch dann findet sie ein verletztes Babyexemplar und merkt plötzlich, dass sie weit weniger gefährlich sind als angenommen. Eine zarte Freundschaft – siehe „E.T. - Der Außerirdische“ – entsteht, und Yuri ist fest entschlossen, den kleinen Ochi zu seinen Artgenossen zurückzubringen. Damit beginnt eine Reise, auf der sie erstaunliche Erkenntnisse gewinnt und der Einsiedlerin Dasha (Emily Watson) über den Weg läuft.
 
Erdig-verwunschenes Panorama
 
Was man zunächst einmal positiv hervorheben muss: „Die Legende von Ochi“ ist ein originärer Stoff, entstammt den Überlegungen des Regisseurs, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Alles andere als selbstverständlich in einer Kinolandschaft, in der viele Fantasy-Werke auf beliebten Romanvorlagen basieren. Gleichwohl spürt man, dass Isaiah Saxon auf dem Spielfilmparkett noch keine großen Erfahrungen hat – zumindest mit Blick auf Handlung und Figurenführung.
 
02 2025 Plaion Pictures03 2025 Plaion Pictures04 2025 Plaion Pictures07 2025 Plaion Pictures
 
Yuris Entwicklung, die Konflikte und Dynamiken in ihrer Familie werden leider etwas ungenau und fahrig beschrieben. Manchmal hat es fast den Anschein, als seien im Schneideraum einige Szenen und Gespräche der Schere zum Opfer gefallen. Mehrfach werfen die Erzählung und das Verhalten der Charaktere Fragen auf, entstehen Irritationen, die dem Geschehen ein Stück seiner Ausdruckskraft rauben.
 
Etwas nebulös bleibt etwa die betont weise daherredende Dasha. Und viel zu blass wirkt der von „Stranger Things“-Star Finn Wolfhard gespielte Petro, was jedoch nicht an seiner Darbietung, sondern an seiner dünn geschriebenen Rolle liegt. Spannende Einfälle sind reichlich vorhanden. Mit der irrationalen Angst vor dem Fremden umkreist der Film auch ein hochaktuelles Thema. Überzeugend bündeln kann er seine Motive und Gedanken aber nicht.
 
Deutlich beeindruckender ist es hingegen, wie der Regisseur die von ihm erfundene Story-Welt erlebbar macht. Die Bilder sind rau und erdig. Gleichzeitig durchströmt sie allerdings oft eine märchenhafte Aura. Die Ausstattung atmet Verwitterung und Retrocharme. Immer wieder betören die landschaftlichen Impressionen: dampfende Wälder, karge Schluchten und Täler. Hier zu leben, ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Und doch lockt hinter jeder Ecke ein Abenteuer, der Ruf der Wildnis. Mit seiner ganz eigenen Stimmung zieht der Film in den Bann und entschädigt für so manche Drehbuchholprigkeit.
 
Ebenfalls erfreulich: Statt allein auf digitale Hilfsmittel zu vertrauen, setzt „Die Legende von Ochi“ in großem Stil praktische Effekte ein – was besonders der Interaktion zwischen Yuri bzw. Helena Zengel und dem knuffigen Baby-Ochi zugutekommt. Filme, die echte Menschen mit computeranimierten Figuren zusammenbringen, kranken häufig an einer gewissen Künstlichkeit. Und genau deshalb dürfte sich Saxon für einen anderen Ansatz entschieden haben. Gutes, altes Handwerk eben, das entscheidend zur einnehmenden Atmosphäre des Fantasy-Märchens beiträgt.
 
Fazit
 
Ein stimmungsvolles Debütwerk, das anregt und in den Bann zieht, obwohl das Drehbuch noch einiges an Feinschliff gebraucht hätte.
 
 
Unterstütze FantasticMovies.DE: