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Kritik: Schneewittchen

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Grundsätzlich spricht überhaupt nichts gegen ein weiteres live-action-Remake eines Disney-Klassikers. Aber eignet sich „Schneewittchen“ als Vorlage für einen modernen Familienfilm und lohnt sich der Aufwand?
 
Heigh-Ho
 
Ich fasse hier jetzt nicht die Handlung eines der berühmtesten Disney-Filme aller Zeiten, basierend auf eine der berühmtesten Märchen der Weltliteratur zusammen und gehe stattdessen gleich auf die Unterschiede zwischen dem neuen Drehbuch und den alten Vorlagen ein. Der neue Film von 2025 beginnt mit einer Erklärung für den ungewöhnlichen Namen der Heldin, die zwar nicht dümmer ist als die der Gebrüder Grimm aber auch nicht viel intelligenter oder interessanter. Auf besagte Erklärung folgt das erste Lied, womit wir innerhalb von gerade mal drei Minuten Laufzeit bei den drei größten Problemen des Films angekommen wären.
 
Drehbuchautoren von live-action-Remakes von Disney-Klassikern müssen ein sehr gutes Gespür dafür haben, was man unbedingt aus dem Original übernehmen und welche Teile man besser ändern sollte. Erin Cressida Wilson lässt dieses Gespür leider oft vermissen. Daher sehen wir im neuen Film vieles, das man bereits 1937 besser anders gemacht hätte und/oder im Lauf der letzten 88 Jahre eine recht schräge Wirkung entwickelt hat. Das beginnt bei den Schubkarren voll lächerlich großer Edelsteine, die täglich von den Zwergen gefördert werden und hört nicht auf, wenn die böse Königin in ihrer Verkleidung als alte Frau schnurstracks zum Haus der Zwerge findet, nachdem sie vorher keine Ahnung hatte, wo Schneewittchen zu finden gewesen wäre.
 
 
Andererseits liefert uns das neue Drehbuch die erwähnte überflüssige Erklärung des Namens der Heldin, überflüssige Nebenhandlungsstränge um Apfelkuchen, einen vielleicht noch lebenden Vater, die Verteidigungspolitik im Königreich und dergleichen mehr, sowie einen überflüssigen noch dümmeren Grund, warum Schneewittchen herzhaft in einen Apfel beißt, den sie gerade von einer wirklich gruseligen Alten an der Haustür aufgeschwatzt bekommen hat. Angeblich soll Greta Gerwig am Drehbuch mitgeschrieben haben. Falls das stimmen sollte, möchte ich wissen, wer die Drehbücher zu „Frances Ha“, „Lady Bird“ und „Barbie“ geschrieben hat.
 
Das zweite Problem des Films sind die neuen Songs. Der neue Film ist fast eine halbe Stunde länger als das Original von 1937. Einiges davon wurde mit neuen Musiknummern gefüllt, um die niemand gebeten hatte. Gleich der erste dieser Songs, „Good Things Grow“ klingt wie von einer KI geschrieben. Ja, das ganze Lied hört sich an wie ein typischer Disney-Song, aber ohne jedes Leben, ohne jede Seele. Daher hat man diese Nummer auch direkt nach dem Schlussakkord wieder vergessen. „All is Fair“, gesungen von der bösen Königin, klingt nicht wie ein typischer Disney-Song, sondern wie eine Parodie auf einen typischen Disney Song. Anderseits fehlt der Klassiker „Someday My Prince Will Come“. Keine Ahnung, was das soll.
 
Whistle while you work
 
Die Regie, nicht nur der Musiknummern, stellt das dritte der drei Hauptprobleme des Films dar. Bereits die erste Musiknummer ist sicher kompetent inszeniert. Aber da ist nichts witzig, da bringt uns nichts zum Staunen, da reißt uns nichts mit. Schauspieler*innen spielen, Sänger*innen singen, Tänzer*innen tanzen und das alles in Kostümen, die wie die typischen Kostüme von Schauspieler*innen, Sänger*innen singen und Tänzer*innen in jedem beliebigen vergleichbaren Film aussehen.
 
01 ©2025 Disney02 ©2025 Disney04 ©2025 Disney05 ©2025 Disney
 
Ebenso wie die Drehbuchautorin hat auch Regisseur Marc Webb („The Amazing Spider-Man“) nur wenig Gespür dafür, was er vom Original übernehmen musste und was er besser verändert hätte. Der Spiegel der Königin sieht aus wie im Original. Das hätte man im 21. Jahrhundert ansprechender gestalten können. Ein rot leuchtender Wald hat 1937 in einem Zeichentrickfilm noch eine ganz andere Wirkung erzeugt. Heute fragt man sich, welche Art von Etablissement wohl in dem Wald betrieben wird. Schneewittchens Kleid, das sie den allergrößten Teil des Films trägt, sieht wie im Original von 1937 und damit leider wie ein Faschingskostüm aus.
 
Ich will hier gar nicht groß darauf eingehen, worüber sich der sonst von mir sehr geschätzte Peter Dinklage mokiert hat. Ich bitte um Verzeihung für das Wortspiel, aber man muss nicht jede Kleinigkeit groß aufblasen (außerdem wurde Dinklage erst durch seine Mitwirkung an einer Fernsehserie berühmt, die eine Art Erwachsenenversion von Grimms‘ Märchen ist, bloß mit mehr Sex). Ich würde gerne glauben, dass Disney von Anfang an geplant hatte, in diesem Film computergenerierte Zwerge zu zeigen und keine kleinwüchsigen Darsteller. Die Optik der Zwerge könnte einen aber vom Gegenteil überzeugen. Sie sehen aus wie die Art billiger Volkskunst, die in Andenkenläden der deutschen Provinz verkauft, aber tatsächlich viel weiter östlich hergestellt wird.
 
Der ganze Look des Films wirkt gerade in den Szenen im Haus der Sieben Zwerge immer wieder etwas schräg. Weil die Walt Disney Studios aber sehr viele wirklich ganz hervorragende Juristen beschäftigen, möchte ich folgendes eindeutig klarstellen: Ich habe weder gesagt noch geschrieben, dass der Look von Schneewittchens billig wirkendem Faschingskleidchen zusammen mit dem eigenartigen Set Design, der Ausstattung und vor allem dem gruseligen Aussehen der Zwerge irgendwie an eine billige Pornoparodie von „Schneewittchen“ erinnert. Niemals habe ich ähnliches auch nur angedeutet. Und ich habe auch niemanden ermutigt, in Google die „Safe Search“ zu deaktivieren und nach entsprechenden Videos zu suchen.
 
Weil wir gerade beim Thema sind: Der Look der bösen Königin hat im Zeichentrickfilm von 1937 ganz hervorragend funktioniert. Aber 2025 fragen wir uns schon, warum Gal Gadot fast während des gesamten Films eine Art paillettenbesetzte Rollkragenkapuze tragen muss, auf der dann eine Krone sitzt, die ein bisschen wie ein Accessoire für einen Weiberfasching aussieht. Kein Wunder, dass Gal Gadots Darstellung nur selten wirklich königlich wirkt.
 
Ein unbekannter Darsteller namens Andrew Burnap spielt, … nein, keinen Prinz, aber einen jungen Mann der Schneewittchen trotzdem küssen darf. Dabei wirkt er durchaus sympathisch. Rachel Zegler hat nach Spielbergs „West Side Story“ bereits Erfahrung darin, in überproduzierten, überflüssigen Remakes nicht unterzugehen. Sie spielt und singt wieder extrem professionell.
 
Die Defizite dieses Films werden kleine Kinder kaum stören. Aber Disney hat es jahrzehntelang immer wieder geschafft, echte Familienfilme zu machen, also Filme, die Klein und Groß gleichermaßen hervorragend unterhalten. Filme wie „Das Dschungelbuch“, „Der König der Löwen“ oder in jüngster Zeit „Frozen“ oder „Encanto“ waren Meisterwerke, übervoll mit Elementen, über die sich kleine Kinder amüsieren konnten, anderen Aspekten, die Erwachsene angesprochen haben und jeder Menge Ideen, die sowohl Kinder als auch Erwachsene begeistern konnten. Die Neuverfilmung von Schneewittchen ist im Vergleich dazu leider nicht viel mehr als ein recht teuer produzierter Kinderfilm.
 
Fazit
 
Mit viel Aufwand wird wenig erreicht. Die neuen Songs und andere Änderungen hätte niemand gebraucht. Der Look des Films pendelt zwischen altmodisch und schräg. Am Ende ergibt das einen sehr teuren Kinderfilm, aber sicher kein neues Meisterwerk.
 
 
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