Ebenso wie die Drehbuchautorin hat auch Regisseur Marc Webb („The Amazing Spider-Man“) nur wenig Gespür dafür, was er vom Original übernehmen musste und was er besser verändert hätte. Der Spiegel der Königin sieht aus wie im Original. Das hätte man im 21. Jahrhundert ansprechender gestalten können. Ein rot leuchtender Wald hat 1937 in einem Zeichentrickfilm noch eine ganz andere Wirkung erzeugt. Heute fragt man sich, welche Art von Etablissement wohl in dem Wald betrieben wird. Schneewittchens Kleid, das sie den allergrößten Teil des Films trägt, sieht wie im Original von 1937 und damit leider wie ein Faschingskostüm aus.
Ich will hier gar nicht groß darauf eingehen, worüber sich der sonst von mir sehr geschätzte Peter Dinklage mokiert hat. Ich bitte um Verzeihung für das Wortspiel, aber man muss nicht jede Kleinigkeit groß aufblasen (außerdem wurde Dinklage erst durch seine Mitwirkung an einer Fernsehserie berühmt, die eine Art Erwachsenenversion von Grimms‘ Märchen ist, bloß mit mehr Sex). Ich würde gerne glauben, dass Disney von Anfang an geplant hatte, in diesem Film computergenerierte Zwerge zu zeigen und keine kleinwüchsigen Darsteller. Die Optik der Zwerge könnte einen aber vom Gegenteil überzeugen. Sie sehen aus wie die Art billiger Volkskunst, die in Andenkenläden der deutschen Provinz verkauft, aber tatsächlich viel weiter östlich hergestellt wird.
Der ganze Look des Films wirkt gerade in den Szenen im Haus der Sieben Zwerge immer wieder etwas schräg. Weil die Walt Disney Studios aber sehr viele wirklich ganz hervorragende Juristen beschäftigen, möchte ich folgendes eindeutig klarstellen: Ich habe weder gesagt noch geschrieben, dass der Look von Schneewittchens billig wirkendem Faschingskleidchen zusammen mit dem eigenartigen Set Design, der Ausstattung und vor allem dem gruseligen Aussehen der Zwerge irgendwie an eine billige Pornoparodie von „Schneewittchen“ erinnert. Niemals habe ich ähnliches auch nur angedeutet. Und ich habe auch niemanden ermutigt, in Google die „Safe Search“ zu deaktivieren und nach entsprechenden Videos zu suchen.
Weil wir gerade beim Thema sind: Der Look der bösen Königin hat im Zeichentrickfilm von 1937 ganz hervorragend funktioniert. Aber 2025 fragen wir uns schon, warum Gal Gadot fast während des gesamten Films eine Art paillettenbesetzte Rollkragenkapuze tragen muss, auf der dann eine Krone sitzt, die ein bisschen wie ein Accessoire für einen Weiberfasching aussieht. Kein Wunder, dass Gal Gadots Darstellung nur selten wirklich königlich wirkt.
Ein unbekannter Darsteller namens Andrew Burnap spielt, … nein, keinen Prinz, aber einen jungen Mann der Schneewittchen trotzdem küssen darf. Dabei wirkt er durchaus sympathisch. Rachel Zegler hat nach Spielbergs „West Side Story“ bereits Erfahrung darin, in überproduzierten, überflüssigen Remakes nicht unterzugehen. Sie spielt und singt wieder extrem professionell.
Die Defizite dieses Films werden kleine Kinder kaum stören. Aber Disney hat es jahrzehntelang immer wieder geschafft, echte Familienfilme zu machen, also Filme, die Klein und Groß gleichermaßen hervorragend unterhalten. Filme wie „Das Dschungelbuch“, „Der König der Löwen“ oder in jüngster Zeit „Frozen“ oder „Encanto“ waren Meisterwerke, übervoll mit Elementen, über die sich kleine Kinder amüsieren konnten, anderen Aspekten, die Erwachsene angesprochen haben und jeder Menge Ideen, die sowohl Kinder als auch Erwachsene begeistern konnten. Die Neuverfilmung von Schneewittchen ist im Vergleich dazu leider nicht viel mehr als ein recht teuer produzierter Kinderfilm.