Die Funktionsweise des Dämons ergibt in „Smile 2“ ganz allgemein viel mehr Sinn als im Vorgängerfilm. Wie die Sängerin sich den Dämon von einem Dealer „einfängt“, funktioniert ganz hervorragend. Wie sie plötzlich an einen Mitwisser und Verbündeten gerät, wie eine alte Freundin wieder Teil ihres Lebens wird, die Erinnerungen an ein traumatisches Erlebnis, … all das ist wirklich nicht schlecht geschrieben und mindestens ebenso gut inszeniert.
Natürlich ist „Smile 2“ nicht perfekt. Am Drehbuch kann man immer noch bemängeln, wie viel Mühe sich der Dämon gibt, wenn es darum geht, sein Opfer zu isolieren und in den Selbstmord zu treiben und dass diese böse Macht sich immer mal wieder nicht an die eigenen Regeln hält. Aber auch der Mangel an innerer Logik fällt bei Teil Zwei nicht annähernd so gravierend aus, wie bei Teil Eins. Und kann man von Dämonen wirklich Konsequenz und Fairness erwarten?
Die Inszenierung lässt tolle Ideen erkennen und ist vor allem visuell viel stärker geraten als vor zwei Jahren. Bloß einzelne Ideen, wie eine Drehtür zum Drogenkonsum oder ein Meteorologe im Fernsehen, der den ersten Schnee des Jahres just in dem Moment ankündigt, in dem die Heldin eine nicht unbeträchtliche Menge peruanisches Marschierpulver vor sich sieht, sind ein wenig arg plump geraten. Auch die deutlich gezeigten, … ähm, … „Spuren“ in einer Unterhose werten den Film sicher nicht auf. Im Gegensatz dazu hinterlässt zum Beispiel eine kurze Szene, in der die attraktive Sängerin in glitzerndem Make-up und mit teurem Schmuck behangen, aber doch furchtbar hässlich gezeigt wird, einen tiefen Eindruck beim Betrachter.
Eine Horde besessen lächelnder Fans wirkt gruseliger als sämtliche Splatter-Szenen des Films. Solche Szenen hat „Smile 2“ auch wieder einige zu bieten. Ich persönlich hätte auf den Anblick eines Menschen, der sich selbst mit einer Brechstange den Kiefer entfernt, gerne verzichten können. Und warum ich nach „Longlegs“ nun innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal sehen durfte, wie sich jemand selbst totschlägt, weiß ich auch nicht. Aber ich weiß, ich bin für derlei kein Maßstab und viele Filmfans wissen derlei wohl zu schätzen. Diesen Kennern kann ich „Smile 2“ nur wärmstens empfehlen.
Alle anderen Filmfans haben die seltene Gelegenheit einen Horrorfilm zu sehen, in dem die Hauptfigur eben kein sinnlos kreischendes Opfer ist. Die Macher des Films haben sich für Teil Zwei eine sehr viel besser Hauptdarstellerin geleistet als noch für Teil Eins. Naomi Scott hatte in Guy Ritchies schwacher Version von Disney’s „Aladdin“ noch Mühe sich gegen das noch schwächere Drehbuch durchzusetzen. Aber bereits in „Drei Engel für Charly“ hat sie sich wacker geschlagen, … und zwar im doppelten Sinne des Wortes.
Wenn in „Smile 2“ der Fluch des Dämons als Metapher für den Kontrollverlust durch Drogensucht und den Verlust der Identität und Selbstbestimmung als Preis des Ruhmes funktioniert, dann nur wegen der wirklich soliden Leistung von Naomi Scott. Sie wirkt während der Bühnenshows ebenso eindrucksvoll, wie sie allein in ihrem Alptraum-Designer-Apartment ängstlich und angesichts der Verständnislosigkeit ihrer Umgebung verzweifelt wirkt. Wenn sie dem Dämon ein entschlossenes „I’m in control!“ entgegen schreit, lässt sie ihre Figur vom Opfer zur Heldin werden.