Should I stay or should I go (SPOILER)
Das Drehbuch hilft der Regie auch sonst nicht. Es wurde von Helen Fielding, Dan Mazer („Dirty Grandpa“) und Abi Morgan („Sufragette“) auf der Grundlage von Fieldings Vorlage verfasst. Kaputtgearbeitet hat sich aber keiner der drei Autor*innen. Die lose Abfolge von vertraut wirkenden Szenen, alten Klischees und recycelten Gags erzählt uns keine Story. Hier entwickelt sich nichts. Alles ist so wie es ist, weil das Drehbuch es verlangt. Alles findet statt wie und wann es stattfindet, um die 125 Minuten Laufzeit zu füllen.
Ein gutaussehender, junger Parkmitarbeiter hilft der Heldin, die kein normaler Mensch je wieder für fünfunddreißig (oder auch nur für fünfundvierzig) halten wird, und schreibt sie umgehend auf Tinder an. Warum wird nie geklärt. Schnell verbringen die beiden ihre gesamte Freizeit miteinander. Was ihn zu ihr hinzieht, bleibt unklar. Weil so ein Film eine Krise am Ende des zweiten Akts braucht, muss der bis dahin so nette junge Mann die ältere Frau brutal ghosten. Als er Reue zeigt (aber natürlich keine echte Erklärung für sein Verhalten liefert) macht Bridget trotzdem mit ihm Schluss. Vermutlich weil sie weiß, dass der Lehrer ihres Sohnes von einem viel berühmteren Schauspieler dargestellt wird als das junge Bürschchen. Eine andere Erklärung fällt mir dafür nicht ein.
Aber nicht nur die Hauptfiguren, auch die Nebenfiguren tun alles was sie tun nur weil ihre Darsteller*innen das Drehbuch gelesen haben. In der Welt von Bridget Jones besteht ihre Aufgabe vor allem darin, sich unpassend zu benehmen und unpassenden, grenzüberschreitenden Unsinn von sich zu geben. Hier formuliert ein Verkäufer die Frage, ob die Kundin auch etwas trinken möchte, schon mal so, dass sie auch prompt missverstanden wird. Die Kassenkraft im Drogeriemarkt liest natürlich die verschiedenen Sorten von Kondomen laut vor, während sie diese über den Scanner zieht. Wenn die Heldin morgens ins Büro kommt, wird sie von nicht weniger als drei (!) verschiedenen Kolleg*innen und Vorgesetzten gefragt, ob sie letzte Nacht Sex hatte. Und jeder Mann, den Bridget trifft, zieht bei der erstbesten Gelegenheit sein Hemd aus. Das gilt auch für Lehrer auf Schulausflügen.
Die Einfallslosigkeit und/oder Faulheit der Autor*innen wird überdeutlich, wenn hier tatsächlich eine Familie einen Oldie singend in der Küche tanzt. Lawrence Kasdan hat „Der große Frust“ vor mehr als 40 Jahren gedreht. So etwas heute noch sehen zu müssen, ist wirklich frustrierend. Jenna Malone, das kleine Mädchen, das in „Seite an Seite“ mit Susan Sarandon in den Lockenstab gesungen hat, spielt mittlerweile selbst Mütter. Dieses Klischee ist so durch, dass es bei den MTV Movie Awards bereits vor mehr als einem Vierteljahrhundert parodiert wurde (auf youtube unter „Micki Mullen“ zu finden und sehr viel witziger als alles, was „Bridget Jones 4“ zu bieten hat).
Die Dialoge lassen auch erkennen, wie wenig Mühe sich die drei Autor*innen ganz allgemein gegeben haben. An einer Stelle meint Bridget wörtlich, „the human language has 600.000 words“. Helen Fielding hat in Oxford studiert. Dort hat man ihr sicher beigebracht, dass Menschen verschiedene Sprachen sprechen. Das Oxford Dictionary, das dort herausgegeben wird, wo Frau Fielding studiert hat, kennt 273.000 englische Wörter. Das Tamilische soll angeblich um die 1,5 Millionen Wörter kennen. 600.000 Wörter kennt die schwedische Sprache, die aber nur von ca. 10 Millionen Menschen gesprochen wird.
An anderer Stelle meint eine Freundin der Heldin über einen männlichen Tinder-User, „He looks like Jason Statham, … if you squint“. Für sich genommen ein recht lahmer Scherz. Aber angesichts der Hauptdarstellerin ist diese Dialogstelle wohl als Meta-Gag zu verstehen.
Renée Zellweger ist 1996 mit „Jerry Maguire“ bekannt geworden, als sie eine der lächerlichsten Frauenfiguren der Filmgeschichte gespielt hat. 2001 schlüpfte sie erstmals in die Shapewear von „Bridget Jones“. Und so wie Vin Diesel seit dem allerersten „Fast & Furious“ stets den Bauch einzieht, hat Frau Zellweger in all der Zeit nicht ein einziges Mal die Augen richtig aufgemacht. In früheren Filmen hat sie teilweise noch erstaunt den Mund zu einem „O“ aufgerissen, wenn Nebenfiguren etwas Unpassendes gesagt oder getan haben. Im neuen Film fehlt sogar diese Reaktion. Ob Zellwegers Figur mittlerweile abgestumpft ist oder die Darstellerin selbst, ist kaum festzustellen.
Der Rest der Darsteller*innen arbeitet ähnlich uninspiriert. Und praktisch jede und jeder einzelne ist zu gut für diesen Film. Das gilt vor allem für die göttliche Emma Thompson als Gynäkologin, Isla Fisher, deren Talent in einer einzigen Szene verschwendet wird, die nirgendwohin führt und Chiwetel Ejiofor, dem es aus irgendeinem Grund nicht peinlich ist, wieder in einer britischen Rom-Com mitzuspielen, in der es im dritten Akt ein Weihnachtskonzert in einer Schule gibt. Sie alle sollten dringend mal ein ernstes Gespräch mit ihren Agenten führen. Hugh Grant macht, was Hugh Grant in solchen Filmen immer macht und das ist immer noch besser als seine peinliche Leistung letztes Jahr in „Wonka“.